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Die Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) und auch das Bundesverwaltungsgericht legen die Unabhängigkeitsvorschriften bei der eingeschränkten und der ordentlichen Revision (vorbehaltlich des Aspektes der Mitwirkung in der Buchführung) gleich aus. Das Schweizerische Institut für die eingeschränkte Revision (SIFER) von TREUHAND|SUISSE ist jedoch klar der Meinung, dass dies vom Gesetzgeber nicht so gewollt ist und in der Praxis eine andere Handhabung gelten sollte.

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1. Grundsatz
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2
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Bei der eingeschränkten Revision regelt das Gesetz die Unabhängigkeit der Revisionsstelle in Art. 729 OR:

«1 Die Revisionsstelle muss unabhängig sein und sich ihr Prüfungsurteil objektiv bilden. Die Unabhängigkeit darf weder tatsächlich noch dem Anschein nach beeinträchtigt sein.

2 Das Mitwirken bei der Buchführung und das Erbringen anderer Dienstleistungen für die zu prüfende Gesellschaft sind zulässig. Sofern das Risiko der Überprüfung eigener Arbeiten entsteht, muss durch geeignete organisatorische und personelle Massnahmen eine verlässliche Prüfung sichergestellt werden.»

Im Gegensatz dazu ist in Art. 728 OR die Unabhängigkeit bei der ordentlichen Revision geregelt.

«1 Die Revisionsstelle muss unabhängig sein und sich ihr Prüfungsurteil objektiv bilden. Die Unabhängigkeit darf weder tatsächlich noch dem Anschein nach beeinträchtigt sein.

2 Mit der Unabhängigkeit nicht vereinbar ist insbesondere:

  1. die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat, eine andere Entscheidungsfunktion in der Gesellschaft oder ein arbeitsrechtliches Verhältnis zu ihr;
  2. eine direkte oder bedeutende indirekte Beteiligung am Aktienkapital oder eine wesentliche Forderung oder Schuld gegenüber der Gesellschaft;
  3. eine enge Beziehung des leitenden Prüfers zu einem Mitglied des Verwaltungsrats, zu einer anderen Person mit Entscheidfunktion oder zu einem bedeutenden Aktionär;
  4. das Mitwirken bei der Buchführung sowie das Erbringen anderer Dienstleistungen, durch die das Risiko entsteht, als Revisionsstelle eigene Arbeiten überprüfen zu müssen;
  5. die Übernahme eines Auftrags, der zur wirtschaftlichen Abhängigkeit führt;
  6. der Abschluss eines Vertrags zu nicht marktkonformen Bedingungen oder eines Vertrags, der ein Interesse der Revisionsstelle am Prüfergebnis begründet;
  7. die Annahme von wertvollen Geschenken oder von besonderen Vorteilen.»

Absatz 1 dieser genannten Artikel ist identisch, im Absatz 2 unterscheiden sich diese dagegen wesentlich. Ist bei der eingeschränkten Revi­sion ein «embedded audit» (Mitwirkung bei der Buchführung und nachfolgende Revision) vorgesehen, kann dies unter keinen Umständen bei einer ordentlichen Revision vorgenommen werden. Auch fällt bei der Betrachtung der Artikel 728 und 729 OR auf, dass bei der ordentlichen Revision nicht vereinbare Tätigkeiten explizit genannt werden.

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2. Eingeschränkte Unabhängigkeit bei der eingeschränkten Revision
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Durch den Absatz 2 in Artikel 729 OR hat der Gesetzgeber bewusst den «Anschein» der fehlenden Unabhängigkeit in Kauf genommen. Absatz 1 unterscheidet sich zwischen den beiden relevanten Gesetzesartikeln nicht. Daraus lässt sich unseres Erachtens schliessen, dass Absatz 2 in Artikel 728 OR nicht eins zu eins auf die eingeschränkte Revision übertragen werden kann. Dafür sprechen auch die folgenden Gründe:

  • Der Gesetzgeber hat klar zwischen einer eingeschränkten und einer ordentlichen Revision unterschieden und sieht ein «embedded audit» in der eingeschränkten Revision explizit vor.
  • Die strengen internationalen Unabhängigkeitsvorschriften sind auch im Ausland vorwiegend auf wirtschaftlich bedeutende oder gar nur auf börsenkotierte Unternehmen anwendbar.
  • Es befindet sich in Artikel 729 OR kein Verweis auf die sieben Unabhängigkeits-Disqualifikationstatbestände, die für die ordentliche Revision gelten.
  • Die Anforderungen an die Revisionsstelle (Revisionsexperte vs. Revisor) werden zusätzlich durch die Zulassung, welche benötigt wird, um gewisse Gesellschaftsgrössen revidieren zu dürfen, geregelt.

Der Gesetzgeber hat durch den gewählten Kompromiss auch die Unabhängigkeitsvoraussetzungen unterschiedlich verstanden. Ansonsten wäre wohl davon auszugehen, dass Absatz 2 in den jeweiligen Artikeln des OR identisch oder zumindest die Kriterien von Artikel 728 Absatz 2 OR auch in Artikel 729 aufgelistet wären. So wurde unter anderem auch der erste Abschnitt unverändert übernommen.

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3. Zielgerichtete Unterschiede
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Die Gesetzesartikel sind darauf ausgerichtet, dass eine objektive, unabhängige und von Eigeninteressen unbeeinflusste Prüfungsaus­sage der Revisionsstelle möglich ist. Durch die Verankerung von Artikel 716a OR obliegt dem Verwaltungsrat die Oberleitung der Gesellschaft, womit die Entscheidungsfindung über das Finanz- und Rechnungswesen nicht an einen Dritten übertragen werden kann. Unseres Erachtens lässt sich dies insbesondere aus Revisionssicht auch mit einem Schlussbesprechungsprotokoll dokumentieren, bei welchem die gewählten Bewertungsspielräume vom Kunden definiert, schriftlich festgehalten und im Anschluss daran auch unterzeichnet werden.

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Die sieben unvereinbaren Tatbestände nach Artikel 728 Abs. 2 OR im Einzelnen aus Sicht der KMU-Revision:
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Ziffer 1: Die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat, eine andere Entscheidungsfunktion in der Gesellschaft oder ein arbeitsrechtliches Verhältnis zu ihr.
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Auch der eingeschränkt prüfende Revisor kann nicht gleichzeitig in einer leitendenden Funktion des Prüfunternehmens sein, d.h. ein formelles oder faktisches Organ darstellen. Hingegen gilt bei der eingeschränkten Revi­sion der Grundsatz, wonach ein Arbeitnehmer der Unternehmung, welche das Mandat der Revisionsstelle führt, gleichzeitig auch Teilzeit-Arbeitnehmer oder Beauftragter des Prüfkunden sein darf, jedoch darf dieser Mitarbeiter nicht an der Revision beteiligt sein. Unseres Erachtens würde es jedoch zu weit führen, wenn ein «unbeteiligter» Arbeitnehmer des Revisors gleichzeitig ein formelles oder faktisches Organ des Prüfkunden darstellen würde. Auch der nicht beteiligte Arbeitnehmer stünde in einem Subordinationsverhältnis zum KMU prüfenden Vorgesetzten.

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Ziffer 2: Eine direkte oder bedeutende indirekte Beteiligung am Aktienkapital oder eine wesentliche Forderung ­oder Schuld gegenüber der Gesellschaft.
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Der eingeschränkt prüfende Revisor darf keine Beteiligung halten und es darf keine Forderung oder Schuld vorhanden sein, die seine Unbefangenheit infrage stellen können. Wenn er aber eine kleine Minderheit hält, steht er im Interessengegensatz zum Grossaktionär und ist gerade deshalb nicht zugunsten der das KMU beherrschenden Aktionärsgruppe voreingenommen. Hier halten wir eine kleinere Beteiligung, auf jeden Fall aber weniger als 10 %, am Kapital des KMU für durchaus vertretbar. Überschreitet der Revisor diesen Schwellenwert, würde er spe­zielle Mitwirkungs- und Schutzrechte von Gesetzes wegen erhalten – wie zum Beispiel Opting out, Einberufung der Generalversammlung, Beantragung von Sonderprüfungen usw. Durch diese Rechte würde das Revisionsunternehmen ein nicht zu vernachlässigendes Drohpotenzial erlangen, was zweifelsohne den Anschein offensichtlicher Befangenheit erweckt.

Dasselbe gilt auch für eine wesentliche Forderung bzw. Schuld gegenüber der Prüfgesellschaft. Unseres Erachtens sind entsprechende Positionen in der Höhe von bis zu 10 % des Grundkapitals – bis maximal zur definierten Gesamtwesentlichkeit bei der eingeschränkten Revision – mit der Unabhängigkeit weiterhin vereinbar. Eine grössere finanzielle Beziehung mit dem Unternehmen würde wieder den Anschein offensichtlicher Befangenheit erwecken und wäre nicht tolerierbar.

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Ziffer 3: Eine enge Beziehung des leitenden Prüfers zu einem Mitglied des Verwaltungsrats, zu einer anderen Person mit Entscheidungsfunktion oder zu einem bedeutenden Aktionär.
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Das Verbot der engen Beziehung ist ebenfalls nicht absolut zu verstehen, sondern unter dem Kriterium der offensichtlichen Befangenheit zu würdigen. Zur Befangenheit gehört eine nahe Verwandtschaft mit dem Hauptaktionär. So lassen sich unseres Erachtens Verwandtschaftsgrade im ersten und zweiten Grad in auf- und absteigender Linie nicht mit den Unabhängigkeitsrichtlinien vereinbaren. Es kann aber kaum die Rede davon sein, dass ein Revisor offensichtlich befangen ist, wenn er zu einem Verwaltungsrat oder einem Mehrheitsaktionär einer KMU ein freundschaftliches oder soziales Verhältnis pflegt, sei dies durch eine gemeinsame Tätigkeit in einem Sportverein, in einer politischen Partei oder durch ein früheres Arbeitsverhältnis. Es sind sämtliche Sozialkon­takte, welche zu keiner finanziellen Abhängigkeit führen, zu tolerieren.

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Ziffer 4: Das Mitwirken bei der Buchführung sowie das Erbringen anderer Dienstleistungen, durch die das Risiko entsteht, als Revisionsstelle eigene Arbeiten überprüfen zu müssen.
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Das Recht des «embedded audit» stellt eine für die KMU-Revision grosse und in der Praxis wichtige Ausnahme dar. Die Mitwirkung bei der Buchführung und Erbringung anderer Paralleldienstleistungen ist im Bereich KMU erlaubt. Die Revisionsgesellschaft muss durch geeig­nete personelle und organisatorische Massnahmen sicherstellen, dass das Risiko der Überprüfung von eigenen Arbeiten ausgeschlossen werden kann. Weiter ist zu bemerken, dass der geistige Vater der Jahresrechnung – durch die unübertragbare Verantwortung des Verwaltungsrats – stets der Prüfkunde bleibt.

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Ziffer 5.: Die Übernahme eines Auftrags, der zur wirtschaftlichen Abhängigkeit führt.
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Für die wirtschaftliche Abhängigkeit wird bei den KMU-Prüfern keine bestimmte Obergrenze für Honorare vorgegeben (vgl. SER, Anhang B 37). Bei der ordentlichen Prüfung von Publikumsgesellschaften wurde hingegen für einen einzelnen Prüfkunden ein Honorarhöchstanteil von 10 % am Gesamtumsatz der Revisionsgesellschaft gesetzlich festgelegt (Art. 11 Abs. 1 lit. a RAG). Für andere grössere Unternehmen wird der gleiche Massstab gewählt. Wie oben festgehalten, gilt für den KMU-Prüfer keine festgelegte Grenze. Dennoch muss auch da der Grundsatz der offenen Befangenheit berücksichtigt und im jeweiligen Einzelfall gewürdigt werden. Unseres Erachtens würde aber ein Honoraranteil von über 30 % am Gesamtumsatz in der Praxis zu einer klaren wirtschaftlichen Anhängigkeit führen und wäre mit dem Unabhängigkeits­gedanken nicht mehr vereinbar.

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Ziffer 6: Der Abschluss eines Vertrags zu nicht marktkonformen Bedingungen oder eines Vertrags, der ein Interesse der Revi­sionsstelle am Prüfergebnis begründet.
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Wir sind der Meinung, dass bei KMU-Prüfern die allgemeine Regel der Vermeidung einer offensichtlichen Befangenheit gelten muss und damit – im Vergleich zur Revision von Publikumsgesellschaften – ein breiterer Spielraum des Ermessens gewährt werden muss. Dass ein sachwidrig überhöhtes, offensichtlich eine Begünstigung enthaltendes Honorar auch den Revisor einer KMU disqualifiziert, steht ausser Frage. Erfolgshonorare für Prüfungsdienst­leistungen sind mit dem Grundsatz zur Un­­abhängigkeit nicht vereinbar. Das Verbot des Erfolgshonorars gilt allerdings nicht für Dienstleistungen, die keinen Bezug zur Prüfungstätigkeit haben, also bei transaktionsbezogenen Dienstleistungen, bei denen eine gewisse Abhängigkeit vom Erfolg üblich ist, wie z.B. bei Umstrukturierungen.

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Ziffer 7: Die Annahme von wertvollen Geschenken oder von besonderen Vorteilen.
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Bei der Annahme von wertvollen Geschenken oder besonderen Vorteilen ist die Toleranzgrenze auch bei der eingeschränkten Revision niedrig. Das einfache Mittagessen mit dem Revisor, begleitet mit einem «guten Schluck Wein», gehört andererseits in unsere KMU-Landschaft und stellt kein Unabhängigkeitsproblem dar.

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4. Schlussbemerkungen / Fazit
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Die Autoren, stellvertretend für das Schweizerische Institut für die eingeschränkte Revision von TREUHAND|SUISSE, sind klar der Ansicht, dass die Unabhängigkeit eine zentrale Voraussetzung für die kritische Grundhaltung des Revisors und die Durchführung der Revision ist. Trotzdem sieht der Gesetzgeber durch die Mitwirkung in der Buchführung einen Sachverhalt explizit vor, welcher die äussere Unabhängigkeit beeinträchtigt, zumindest mehr als nur infrage stellt. Durch das «embedded audit» wurde die Qualitätssteigerung (durch die Mitwirkung einer Fachperson) höher gewichtet als die gängigen Unabhängigkeitsvorschriften. Weiter hat der Gesetzgeber die Berichterstattungen (positive versus negative Bestätigung) der beiden Revisionsarten doch sehr differenziert ausgestaltet. Unserer Meinung nach hat der Gesetzgebermit diesen unterschiedlichen Revisionsarten auch eine unterschiedliche Handhabung der Un­abhängigkeitsvorschriften vorgesehen. Dieser Umstand müsste folglich entsprechend von den Behörden und den Gerichten berücksichtigt werden.

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