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Die ersten im Stockwerkeigentum erstellten Gebäude weisen heute, bald 50 Jahre nach der Stockwerkeigentumsnovelle, ein Alter auf, in dem sich die Frage nach einer umfassenden Renovation stellt. Nachfolgend soll die rechtliche Durchführbarkeit einer solchen Renovation untersucht und der Frage nachgegangen werden, ob sich der Erwerb von Stockwerkeigentum vor dem Hintergrund einer irgendwann notwendigen Renovation wirt­schaftlich lohnt. Hat sich die Idee des Gesetzgebers, mit dem Stockwerkeigentum ein Investitionsobjekt für Familien und den Mittelstand zu schaffen, verwirklicht?

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1. Ausgangslage
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Der Erwerb einer Eigentumswohnung in der Schweiz und insbesondere in dicht besiedelten Gebieten gilt trotz Warnungen vor einer Immobilienblase weiterhin als gute Investition.1 Damit verwirklicht sich die Absicht des Gesetzgebers bei der schweizweiten Einführung des Stockwerkeigentums am 1. Januar 19652: Die Eigentumswohnung sollte eine Wertanlage sein.3 Darüber hinaus sollte Stockwerkeigentum Familien und dem Mittelstand den Kauf von Wohneigentum auch in Gebieten mit hohen Bodenpreisen ermöglichen.4

Der Trend hin zum Stockwerkeigentum scheint anzuhalten und widerspiegelt sich in den statistischen Erhebungen über die letzten 20 Jahre. Von den 227 000 Wohnungen, die in der Schweiz in den Jahren 1990 bis 2000 neu erstellt wurden, waren über zwei Drittel Eigentumswohnungen.5 Die Zahl der Eigentumswohnungen nahm von 878 000 im Jahr 1990 um 19% auf 1 047 000 im Jahr 2000 zu.6 Für die Zeit nach dem Jahr 2000 fehlen gesamtschweizerische Statistiken, das zürcherische statistische Amt hat im Jahr 2010 aber festgestellt, dass die im Kanton Zürich neu erstellten Eigentumswohnungen seit dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2009 sogar um 53% zugenommen haben.7

Das Institut des Stockwerkeigentums war bei seiner Einführung 1965 indes nicht unumstritten. Gegner verwiesen auf die Erfahrungen mit kantonalem Stockwerkeigentum8 und behaupteten, Stockwerkeigentum sei eine Quelle von Streitigkeiten.9 Der Streit unter den Stock­werkeigentümern führe dazu, dass notwendige Instandhaltungsarbeiten am Gebäude un­ter­blieben, oder die Arbeiten würden nach lang­wierigen Auseinandersetzungen nur in ungenügender Weise vorgenommen. Letztlich würden die Gebäude verfallen.10

Angesichts der Tatsache, dass Reparaturen und Ausbesserungen zur Instandhaltung eines Gebäudes irgendwann nicht mehr genügen11 und dass die ersten im Stockwerkeigentum erstellten Gebäude heute, bald 50 Jahre nach der Stockwerkeigentumsnovelle, ein Alter aufweisen, in dem sich die Frage nach einer umfassenden Renovation stellt12, soll nachfolgend die rechtliche Durchführbarkeit einer solchen Renovation untersucht werden. Weiter soll untersucht werden, ob sich der Erwerb von Stockwerkeigentum vor dem Hintergrund einer irgendwann notwendigen Renovation wirtschaftlich lohnt und ob sich die Idee des Gesetz­gebers, mit dem Stockwerkeigentum ein Investitionsobjekt für Familien und den Mittelstand zu schaffen, verwirklicht hat.

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2. Wert des Stockwerkeigentum­anteils
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Mit dem Kauf eines Stockwerkeigentumanteils erwirbt der Käufer Miteigentum an einer bebauten Liegenschaft und das Recht, bestimmte Teile des Gebäudes ausschliesslich zu benutzen und innen auszubauen (Art. 712a Abs. 1 ZGB).13 Der Wert eines Stockwerkeigentumanteils setzt sich zusammen aus dem Wert der Wohnfläche und aus dem Wert des Gebäudes14. Der Wert der Wohnfläche ist abhängig von der Lage des Gebäudes und steigt oder fällt je nach Entwicklung der Grundstückspreise im betroffenen Gebiet. Der Wert des Gebäudes hängt dagegen massgeblich vom wirtschaft­lichen Alter des Gebäudes ab.15 Zur Bestimmung des wirtschaftlichen Alters geht das Schweizerische Schätzerhandbuch vom Erstellungsjahr des Gebäudes aus und berücksichtigt die Wertminderung infolge Abnützung, Altersschäden und unzeitgemässem Ausbaustand sowie die Aufwertung infolge Renovationen, Sanierungen und baulichen Veränderungen.16 Anhand des Gebäudealters lassen sich zudem die anstehenden Renova­tionskosten für die gemeinschaftlichen Gebäudeteile abschätzen. Heizungsinstallationen müssen beispielsweise nach 15 bis 30 Jahren ersetzt werden, die Fassadenbekleidung nach 30 bis 50 Jahren und das Dach nach 20 bis 60 Jahren.17 Das Ge­bäudealter vermittelt auch Hinweise über den Ausbaustand (z.B. ob das Gebäude über eine Zentralheizung18 oder eine energiesparende Isolation verfügt). Ergibt die Wertbestimmung, dass das Gebäude 60–70% seiner Gesamt­lebensdauer erreicht hat, schlagen die Autoren des Schweizerischen Schätzerhandbuchs vor, die Renovations- den Abbruchkosten gegenüberzustellen.19 Bei jedem Gebäude stellt sich damit irgendwann die Frage, ob es anstatt ­umfassend saniert nicht besser abgebrochen und neu aufgebaut werden soll.

Die Möglichkeit des Abrisses und Wiederaufbaus kann sich indes nur der Alleineigentümer einer Liegenschaft überlegen. Stockwerkeigentümer können – ohne die Zustimmung der übrigen Stockwerkeigentümer einholen zu müssen – einzig Gebäudeteile verändern, an denen ihr Sonderrecht besteht.20 Abbruch und Neuaufbau eines Gebäudes im Stockwerkeigentum setzten die Einigkeit aller Stockwerkeigentümer über die Aufhebung (Art. 712 f Abs. 2 ZGB) des alten und über die Begründung von neuem Stockwerkeigentum voraus. Wollte eine Stockwerkeigentümergemeinschaft tatsächlich ein neues Gebäude erstellen, so wären alle Stockwerkeigentümer gemeinsam die Bauherrschaft im Sinne einer einfachen Gesellschaft nach Art. 530 ff. OR. Ein solches Bauunterfangen ist aufgrund der nötigen Zustimmung aller Eigentümer zum Abbruch und der nötigen Einigung aller Eigentümer über die Ausgestaltung des neuen Gebäudes kaum durchführbar. Die ­Unmöglichkeit zeigt sich bereits anhand der Schwierigkeiten, die bei der Renovation von ­gemeinschaftlichen Gebäudeteilen, z.B. dem Dach oder der Aussenfassade, auftreten können. Das soll nachfolgend dargestellt werden.

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3. Probleme bei der Renovation von gemeinschaftlichen Gebäude­teilen
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Besteht unter den Stockwerkeigentümern ­Einigkeit über Art und Umfang der Erneuerungsarbeiten an den gemeinschaftlichen Gebäudeteilen, steht einer Renovation nichts im Wege. In der Praxis wird diese Einigkeit aber die Ausnahme darstellen. Eigentümer können Erneuerungsarbeiten aus verschiedenen Gründen ablehnen: Ein Eigentümer wird vielleicht demnächst umziehen und hat daher kein Interesse mehr an einer Investition in das Gebäude. Ein anderer Eigentümer hat seine Wohnung vermietet und erachtet die Erneuerungsarbeiten als unnötige Kosten verursachend. Der dritte Eigentümer bewohnt die Liegenschaft zwar selbst, lehnt Renovationen aber infolge seines eigenen Alters und der zu erwartenden Umstände ab.21

Selbst wenn die Stockwerkeigentümer in einem ersten Schritt einig geworden sind, dass sie gemeinschaftliche Gebäudeteile erneuern wollen, müssen sie sich in einem zweiten Schritt auch über den Umfang der Erneuerungsarbeiten einigen. Wird beispielsweise die Heizung ersetzt, müssen sich die Eigentümer darüber einigen, ob sie eine teure oder eine günstige Heizung neu einbauen wollen. Die Stockwerkeigentümer haben sowohl über das Ausführen von Erneue­rungsarbeiten wie auch über deren Art und Umfang gemeinsam zu beschliessen. Eine Ausnahme besteht nach Art. 647 Abs. 2 ZGB lediglich für bauliche Massnahmen, welche für den Erhalt des Werts und der Gebrauchsfähigkeit des Gebäudes notwendig sind. Solche Massnahmen können von jedem einzelnen Stockwerkeigentümer durchgeführt und nötigenfalls vom Gericht angeordnet werden. Beispiele hierfür sind die Reparatur des vom Sturm weggerissenen Dachs22 oder der zerplatzten Wasserleitung.23 Es geht damit um zeitlich dringliche Massnahmen, mit denen das Gebäude vor weiterem Schaden bewahrt werden kann. Liegt keine zeitliche Dringlichkeit vor, beispielsweise bei einem schadhaften Verputz der Aussenfassade, dessen Renovation notwendig, aber nicht dringlich ist,24 muss die Stockwerkeigentümerversammlung mittels Abstimmung über die bau­liche Massnahme beschliessen.

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4. Erneuerungsarbeiten und ­Mehrheitsentscheid
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Erneuerungsarbeiten an gemeinschaftlichen Gebäudeteilen sind bauliche Massnahmen, ­für die Art. 712 g Abs. 1 ZGB auf die Bestimmungen über das Miteigentum verweist, d.h. auf Art. 647 bis Art. 647 e ZGB. Für die Frage, wie viele Stockwerkeigentümer einer baulichen Massnahme zustimmen müssen, unterscheidet das Gesetz zwischen notwendigen, nützlichen und luxuriösen baulichen Massnahmen. Für notwendige bauliche Massnahmen (Art. 647c ZGB) genügt die einfache Mehrheit der an der Stockwerkeigentümerversammlung anwesenden Stockwerkeigentümer.25 Bei nützlichen und luxuriösen baulichen Massnahmen (Art. 647d und Art. 647e ZGB) sind zusätzliche Quoren zu beachten.26 Ob eine bauliche Massnahme zu den notwendigen, nützlichen oder luxuriösen Massnahmen gehört, hängt vom Einzelfall ab.27, 28

Kommt ein Beschluss der Stockwerkeigen­tümerversammlung über die Vornahme einer baulichen Massnahme nicht zustande, kann ein einzelner Stockwerkeigentümer für eine notwendige bauliche Massnahme (nicht aber für eine nützliche oder luxuriöse Massnahme)29, 30 gestützt auf Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB beim ­Gericht die Durchsetzung verlangen.

In der Praxis wird ein Stockwerkeigentümer, der in der Stockwerkeigentümerversammlung mit seinem Antrag auf Vornahme einer baulichen Massnahme unterliegt, den Aufwand eines Prozesses aber scheuen und darauf verzichten, gerichtlich gegen die übrigen Stockwerkeigentümer vorzugehen. Er würde dann auch das Risiko tragen, dass ein Gericht die von ihm verlangte bauliche Massnahme überhaupt als notwendig und nicht vielmehr lediglich als nützlich qualifiziert. Der einzelne Stockwerkeigentümer wird deshalb nichts gegen den verneinenden Beschluss der Stockwerkeigentümerversammlung unternehmen, sondern abwarten, bis der Schaden so gross ist, dass dem Gebäude der Zerfall droht.31 Dann kann er, falls er noch über genügend Energie verfügt, die Renovation gestützt auf Art. 647 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ohne die Einwilligung der übrigen Stockwerkeigentümer vornehmen.

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5. Konsequenzen
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Die obigen Ausführungen zeigen, dass bei ­einem Gebäude im Stockwerkeigentum selbst notwendige (aber nicht dringliche)32 bauliche Massnahmen nur vorgenommen werden können, wenn die Mehrheit der Stockwerkeigen­tümer zustimmt.33 Einigen sich die Stockwerkeigentümer nicht über Art und Umfang der Renovation, wird die Renovation nicht vorgenommen, was den Wertzerfall des Gebäudes beschleunigt. Damit wird die eingangs erwähnte Befürchtung der Gegner der Einführung des Stockwerkeigentums nachvollziehbar, dass bei Gebäuden im Stockwerkeigentum die notwendigen Instandhaltungsarbeiten unterbleiben oder nach langwierigen Auseinandersetzungen nur ungenügend vorgenommen werden. Das gilt für Instandhaltungsarbeiten als notwendige bauliche Massnahmen, wofür die Zustimmung der Mehrheit der Stockwerkeigentümer an der Versammlung genügt (Art. 647c ZGB). Schwieriger ist die Umsetzung von nützlichen und luxuriösen baulichen Massnahmen, für die an der Stockwerkeigentümerversammlung Quoren erreicht werden müssen (Art. 647d und Art. 647e ZGB). Aufgrund der nötigen Zustimmung der übrigen Stockwerkeigentümer erfährt das Gebäude ab seiner Erstellung höchstens notwendige Renovationen, kaum aber bauliche Veränderungen.34 Zusammengefasst bleibt ein Gebäude im Stockwerkeigentum nach seiner Erstellung so, wie es ist.

Da sich das Gebäude nicht verändert, kann eine darin befindliche Eigentumswohnung nur dann im Wert steigen, wenn der Preis für die Wohnfläche mehr ansteigt, als sich der Wert des Gebäudes vermindert und als der Zinsverlust für das eingesetzte Kapital beträgt. Das bedeutet auch, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung in einem neuen Gebäude, wo der Renovationsbedarf gering ist, mit weniger Risiko verbunden ist als der Kauf einer Eigentumswohnung in einem älteren Gebäude, wo Renova­tionen anstehen. Als Wertanlage, wie dies die Botschaft vom 7. Dezember 1962 gewollt hat, ist die Eigentumswohnung deshalb, zumindest langfristig, ungeeignet.

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6. Aufhebung von Stockwerk­eigentum
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Im Unterschied zur Regelung bei Miteigentum (Art. 650 Abs.1 ZGB), wo ein Aufhebungsanspruch des einzelnen Miteigentümers existiert, ist die Auflösung von Stockwerkeigentum stark erschwert.35 Zulässig ist die Aufhebung etwa mittels einer Aufhebungsvereinbarung (Art. 712 f Abs. 2 ZGB), der aber alle Stockwerkeigentümer zustimmen müssen. Auch die Aufhebung des Stockwerkeigentums wird durch die notwendige Zustimmung aller Eigentümer verhindert. Der Gesetzgeber anerkennt in der Botschaft vom 27. Juni 2007 zur anstehenden Änderung der Sachenrechts,36 dass die in den ersten Jahren nach der Wiedereinführung des Stockwerk­eigentums erstellten und umgebauten Gebäude aufgrund ihres Alters immer mehr Mängel und Schäden aufweisen,37 und schafft mit einem neuen Art. 712 f Abs. 3 Ziff. 2 E-ZGB einen Aufhebungstatbestand für Stockwerkeigentum, wenn an einem Gebäude bereits über 50 Jahre lang Stockwerkeigentum besteht und das Gebäude aufgrund von Schäden nicht mehr bestimmungsgemäss genutzt werden kann.38 Ab wann ein Gebäude nicht mehr bestimmungsgemäss genutzt werden kann, sagt die Botschaft39 allerdings nicht. Sie nennt auch keine Beispiele. Bei «bestimmungsgemäss genutzt» handelt es sich um einen Ermessensbegriff, welchen die Gerichte mit Wert werden ausfüllen müssen.40 Unklar bleibt auch der Ablauf, wenn der Auf­hebungstatbestand (50 Jahre altes Stockwerkeigentum und keine bestimmungsgemässe ­Nutzung mehr möglich) erfüllt ist und ein Stockwerkeigentümer gestützt auf Art. 712 f Abs. 3 Ziff. 2 E-ZGB die Aufhebung des Stockwerk­eigentums verlangt. Die Liegenschaft wird verkauft werden müssen, es sei denn, die übrigen Stockwerkeigentümer wollen die Gemeinschaft fortsetzen und sind bereit, den Stockwerkeigentümer, der die Aufhebung verlangt, mittels Abfindung auszuzahlen (Art. 712e Abs. 4 E-ZGB).41 Dabei müssen sich die Stockwerkeigentümer jedoch wiederum auf den Betrag der Abfindung einigen, was nichts anderes als ein Verkaufspreis ist. Falls sich die Stockwerkeigentümer nicht einigen, können sie den Wert der Abfindung gerichtlich feststellen lassen.42 Kommt der Verkauf dann doch nicht zustande, muss das Stockwerkeigentum aufgehoben und die Liegenschaft als Ganzes verkauft werden. Dann könnte eintreten, was der Gesetzgeber 1962 mit der Einführung des Stockwerkeigentums rechts­politisch verhindern wollte, nämlich dass mehrgeschossige Gebäude nur noch «von den über grosses Kapital verfügenden juristischen Personen und Gesellschaften»43 gekauft werden können.44 Falls das Gebäude dann abgerissen und neu aufgebaut wird, kann der neue Eigentümer wählen, ob er Mietflächen erstellen oder Stockwerkeigentum begründen will. Fällt die Entscheidung zugunsten von Stockwerkeigentum aus, beginnt der Kreislauf von Neuem.

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7. Zusammenfassung
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Ein Gebäude im Stockwerkeigentum erfährt nach seiner Erstellung aufgrund der nötigen Zustimmung der übrigen Stockwerkeigentümer zu baulichen Massnahmen kaum mehr Änderungen. Selbst notwendige bauliche Massnahmen werden in der Praxis unterbleiben, wenn die Mehrheit der Stockwerkeigentümer nicht zustimmt. Der einzelne Stockwerkeigentümer wird aufgrund der Kosten und des Prozessrisikos die Instandhaltungsarbeiten nicht gerichtlich gegen die übrigen Stockwerkeigentümer durch­setzen.

Das Gebäude altert ab dem Tag seiner Er­bauung und verliert ständig an Wert. Die Eigentumswohnung im Gebäude kann somit nur dann an Wert gewinnen, wenn der Preis für Wohnfläche um mehr ansteigt, als das Ge­bäude an Wert verliert. Damit ist der Wert der ­Eigentumswohnung wesentlich an die Entwicklung der Bodenpreise im betroffenen Gebiet gebunden. Der Kauf einer Eigentumswohnung in einem neu erstellten Gebäude ist ferner das geringere Risiko als der Kauf einer Wohnung in einem älteren Gebäude, an dem Renova­tionsbedarf besteht oder in Kürze bestehen wird.

Ein Interessent für den Kauf von Stockwerk­eigentum ist gut beraten, vor dem Kauf die Protokolle der letzten Stockwerkeigentümerversammlungen auf mögliche Konfliktpunkte über bauliche Massnahmen durchzusehen und den Verkäufer über das Konfliktpotenzial innerhalb der Stockwerkeigentümergemeinschaft zu befragen. Bei unrichtigen Angaben besteht die Möglichkeit, rechtlich gegen den Verkäufer vorzugehen und den Kauf allenfalls rückgängig zu machen. Der Ärger mit den Nachbarn und über den Kauf der Wohnung lässt sich damit aber nicht verhindern.

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Neuerungen ab 1.01.2012
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Nachdem die Referendumsfrist über die Revision des Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts am 1. April 2010 unbenutzt abgelaufen ist, treten die teilweise abgeänderten, teilweise neuen Bestimmungen des vierten Teils des ZGB am 1. Januar 2012 in Kraft. Neu wird ein papierloser Register-Schuldbrief eingeführt, der mit der Eintragung im Grundbuch entsteht, ohne dass ein Wertpapier ausgestellt werden muss. Der Register-Schuldbrief weist damit Parallelen zur Bucheffekte auf. Die Übertragung des Schuldbriefs erfolgt ebenfalls nur im Grundbuch, was das Kreditgeschäft erleichtert und einen physischen Verlust des Wertpapiers verunmöglicht. Die Grundbuchämter werden sich dafür mit Fragen der elektronischen Sicherheit und Datenaufbewahrung auseinandersetzen müssen. Vor dem Hintergrund der Möglichkeit einer Computerpanne und da der jetzige Schuldbrief in Papierform beibehalten wird, wird die eine oder andere Partei sich vielleicht auch künftig für den Papier-Schuldbrief entscheiden. Ferner umfasst die Teilrevision neben der Einführung des im obigen Aufsatz besprochenen zusätzlichen Aufhebungstatbestands für Stockwerkeigentum unter anderem den Ausbau des Grundbuchs in ein Bodeninformationssystem. Dieses soll die Publizitätsfunktion des Grundbuchs erleichtern, indem beispielsweise öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen, die ein bestimmtes Grundstück betreffen, neu im Grundbuch angemerkt werden. Eine gute Übersicht über die Revision bietet die Webseite des Bundesamts für Justiz (www.bj.admin.ch/) > Themen > Wirtschaft > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Teilrevision des Immobiliarsachen- und Grundbuchrechts.

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  1. Gelegenheit zum Kauf, in: NZZ am Sonntag vom 2. Januar 2011, S. 33; Die eigenen vier Wände gibt’s zum Discount-Preis, in: 20 Minuten Online vom 9. März 2011; Eigenheim: Jetzt kaufen!, in: BILANZ 9/2011 vom 6. Mai 2011, S. 78 f.; Ins eigene Heim, in: NZZ am Sonntag vom 15. Mai 2011, Beilage Immobilen, S. 1.
  2. Bundesgesetz über die Änderung des Vierten Teils des Zivilgesetzbuches (Miteigentum und Stockwerkeigentum) vom 19. Dezember 1963, AS 1964, S. 993.
  3. «Die Wohnung ist ein wertbeständiges kleines Vermögen, das sich mit der allmählichen Abtragung der für den Erwerb begründeten Pfandschulden erhöht und der Familie erhalten bleibt, während diese für die gleiche Wohnung als Mieterin einen ganz wesentlichen Teil der Aufwendungen, welche zum Erwerb des Eigentums ausreichen würden, für den Mietzins und für momentane Bedürfnisse ausgegeben hätte, ohne einen dauernden Gegenwert zu erzielen» (Botschaft vom 7. Dezember 1962, BBl 1962 II 1472 f.).
  4. Botschaft zum Bundesgesetz über die Abänderung des vierten Teils des Zivilgesetzbuches (Miteigentum ­und Stockwerkeigentum) vom 7. Dezember 1962, BBl 1962 II 1472; Peter Liver, Das Stockwerkeigentum – Umwandlung und Neubegründung, ZBGR 1954, S. 3.
  5. Eidgenössische Volkszählung 2000, Frohmut Gerheuser, Wohnversorgung und Wohnverhältnisse, Neuchâtel 2004, S. 26.
  6. Pressemitteilung des Bundesamts für Statistik vom 11. September 2003, S. 1, abrufbar im Internet unter dem statistischen Lexikon der Schweiz, www.bfs.admin.ch.
  7. Die Anzahl der Mietwohnungen stieg derzeit um 6%, die Anzahl der Einfamilienhäuser um 12% (Urs Rex, Dynamischer Zürcher Wohnungsmarkt, Wohnbautätigkeit und Leerstand 2009/2010, statistik.info 07/10 des statistischen Amts des Kantons Zürich, S. 7).
  8. Vor dem Inkrafttreten der Bestimmungen über das Stockwerkeigentum am 1. Januar 1965 existierte Stockwerkeigentum nur nach kantonalem Recht. Bei der Schaffung des ZGB im Jahr 1907 war die Neubegründung von Stockwerkeigentum sogar zunächst verboten und wurde erst durch die Novelle vom 19. Dezember 1963 wieder erlaubt (Arthur Meier-Hayoz / Heinz Rey, Berner Kommentar, Sachenrecht, Das Eigentum, Grundeigentum IV: Das Stockwerkeigentum, Art. 712a - 712t ZGB, Bern 1988, Vorbemerkungen zu den Art. 712a - 712t N 3 ff.; Heinrich Honsell / Nedim Peter Vogt / Thomas Geiser [Hrsg.], Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 3. Aufl., 2007, Bösch, Vor Art. 712a - t N 1 bis N 3).
  9. Liver (FN 4), ZBGR 1954, S. 74; Botschaft vom 7. Dezember 1962, BBl 1962 II 1481.
  10. Liver (FN 4), ZBGR 1954, S. 8; siehe dazu auch: Stockwerkeigentum: Drum prüfe, wer sich ewig bindet, in: Beobachter, Ausgabe 4/04 vom 19. Februar 2004, S. 67.
  11. Bernhard Trauffer, Aufhebung des Stockwerkeigentums, in: Festschrift 100 Jahre Verband bernerischer Notare, Langenthal 2003, S. 485.
  12. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Register-Schuldbrief und weitere Änderungen im Sachenrecht), BBl 2007 5309.
  13. Für Beispiele von zulässigen baulichen Massnahmen der Stockwerkeigentümer in der eigenen Wohnung siehe Amédéo Wermelinger, Zürcher Kommentar, Das Stockwerkeigentum, Art. 712a-712t ZGB, Zürich 2010, ZGB 712a N 31 (erlaubt sind etwa Veränderungen von Parkett, Tapete, Stuckatur; Verschieben von Trennwänden, sofern keine tragenden Mauern betroffen sind; Einbau von Sanitäranlagen wie Dusche und Bad oder Kücheneinrichtungen).
  14. Zur Gebäudedefinition siehe Art. 3 in der Verordnung über das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister vom 31. Mai 2000, SR 431.841.
  15. 45% aller Gebäude in der Schweiz sind vor 50 Jahren oder mehr gebaut worden (Bundesamt für Statistik, Gebäude- und Wohnungsstatistik 2009, Neuchâtel 2011, S. 10).
  16. SVKG und SEK / SVIT (Hrsg.), Das Schweizerische Schätzerhandbuch, Bewertung von Immobilien, Ausgabe 2005, S. 248, mit Berechnungsbeispiel; siehe dazu auch die Wertminderungstabelle auf S. 250.
  17. Das Schweizerische Schätzerhandbuch (FN 16), S. 248, wobei die Lebensdauern von der Qualität der verwendeten Materialien, von der Nutzung und vom Unterhalt abhängen.
  18. Jedes zehnte Gebäude in der Schweiz wird noch mit Einzelofen- oder Etagenheizung beheizt (Gebäude- und Wohnungsstatistik 2009 [FN 15], S. 11).
  19. Das Schweizerische Schätzerhandbuch (FN 16), S. 249, siehe die Wertminderungstabelle auf S. 250.
  20. BGE 130 III 441 Erw. 3.4.
  21. Die Beträge im Erneuerungsfonds reichen für die Renovationsarbeiten oft nicht aus (Hochschule für Wirtschaft Luzern, Vorstudie zur Einschätzung der Sanierungstätigkeit resp. eines allfälligen Sanierungsstaus im Bestand der Stockwerkeigentümer-Bauten vom 5. September 2007, S. 8).
  22. Botschaft vom 7. Dezember 1962, BBl 1962 II 1506.
  23. Arthur Meier-Hayoz, Berner Kommentar, Sachenrecht, Das Eigentum, Systematischer Teil und Allgemeine Bestimmungen, Art. 641-654 ZGB, Bern 1981, ZGB 647 N 77.
  24. Hans-Peter Friedrich, Das Stockwerkeigentum, Bern 1965, Rz. 3 zu Reglement § 24.
  25. BK-Meier-Hayoz / Rey [FN 8], ZGB 712m N 111; Heinz Rey / Lukas Maetzke, Schweizerisches Stockwerkeigentum, 3. Aufl., Zürich, Basel, Genf 2009, Rz. 326. Stimmenthaltungen wirken sich wie Nein-Stimmen aus (Rey / Maetzke, Rz. 327, Fussnote 308).
  26. Nützlichen baulichen Massnahmen muss die Mehrheit aller Stockwerkeigentümer zustimmen, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt (Art. 647d Abs. 1 ZGB). Luxuriöse bauliche Massnahmen dürfen nur mit Zustimmung aller Stockwerkeigentümer ausgeführt werden (Art. 647e Abs. 1 ZGB). Die Quoren sind dispositives Gesetzesrecht und können von der Stockwerkeigentümergemeinschaft verschärft oder gelockert werden (BK-Meier-Hayoz [FN 23], ZGB 647c N 29, ZGB 647d N 19 f., ZGB 647e N 5; BasK-Brunner / Wichtermann (FN 8), Art. 647 N 17; einschränkend Peter Liver, in: Arthur Meier-Hayoz, Schweizerisches Privatrecht V/I, Basel und Stuttgart 1977, S. 104).
  27. BGE 130 III 441 Erw. 3.3; BGE 5C.110/2001 Erw. 5.b; BK-Meier-Hayoz (FN 23), ZGB 647c N 22; BasK-Brunner / Wichtermann (FN 8), ZGB 647c N 7.
  28. Unterhaltsarbeiten wie die Erneuerung der Fassade oder des Dachs gelten nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als notwendige bauliche Massnahmen (BGE 130 III 441 Erw. 3.4; ebenso, wenn auch weniger konkret BGE 107 II 141 Erw. 2: «Immerhin sei festgehalten, dass die Behebung von Mängeln an gemeinschaftlichen Bauteilen in aller Regel zur Erhaltung des Wertes eines Hauses nötig und dass sie deshalb grundsätzlich als notwendige bauliche Massnahme im Sinne von Art. 647c ZGB zu betrachten ist.»). Beispiele für notwendige bauliche Massnahmen bei ZK-Wermelinger (FN 13), ZGB 712a N 150 f., für nützliche bauliche Massnahmen ZK-Wermelinger, ZGB 712a N 158, und für luxuriöse bauliche Massnahmen ZK-Wermelinger, ZGB 712a N 163.
  29. Illustrativ dazu BGE 5A_222/2007, in dessen Sachverhalt eine Stockwerkeigentümerversammlung einem ­Eigentümer erlaubt hat, seinen zur Wohnung gehörenden Sitzplatz umzubauen. Ein anderer Stockwerkeigentümer, der an der Versammlung nicht anwesend war, focht den Beschluss an, mit der Begründung, das Stockwerkeigentümerreglement sehe Einstimmigkeit vor. Er obsiegte und verhinderte den Umbau des Sitzplatzes des anderen Stockwerkeigentümers.
  30. Es besteht lediglich die – wohl wenig benützte – Möglichkeit der Übernahme des Kostenanteils des Eigentümers, der gegen die nützlichen oder luxuriösen baulichen Massnahmen ist, durch die übrigen Eigentümer (Art. 647d Abs. 3 und Art. 647e Abs. 2 ZGB).
  31. Liver (FN 4), ZBGR 1953, S. 76.
  32. Die Formulierung in Art. 647c ZGB, wonach Massnahmen, die für die Erhaltung des Werts des Gebäudes nötig sind, als notwendige Massnahmen gelten, ist insofern irreführend, als dass notwendige Massnahmen nur dann von jedem einzelnen Stockwerkeigentümer vorgenommen werden dürfen, wenn das Gebäude ohne diese Massnahmen Schaden nimmt.
  33. Siehe das Berechnungsbeispiel in für Mehrheiten in Rey / Maetzke (FN 25), Rz. 330.
  34. Die Quoren nach Art. 647d und 647e ZGB finden auch auf neue Bauten Anwendung (BGE 130 III 441 Erw. 3.3; BK-Meier-Hayoz [FN 23], ZGB 647c N 11).
  35. BasK-Bösch (FN 8), ZGB 712f N 1.
  36. BBl 2007 5283 ff.
  37. Botschaft vom 27. Juni 2007, BBl 2007 5309.
  38. Botschaft, ebd.
  39. Die Botschaft lässt offen, ob die Ursache für die unterlassenen Renovationen in den Streitereien unter den Stockwerkeigentümern zu suchen ist.
  40. Zum Ermessensbegriff Ernst A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., Bern, München, Wien 2005, S. 60 f.
  41. Rey / Maetzke (FN 25), Rz. 177.
  42. Nach herrschender Lehre ist für die Berechnung der Abfindung vom Verkehrswert des Stockwerkeigentumanteils auszugehen (BK-Meier-Hayoz / Rey [FN 8], ZGB 712f N 52; Rey / Maetzke [FN 25], Rz. 177; Trauffer [FN 11], S. 476 f.).
  43. Botschaft, BBl 1962 II 1471.
  44. Vgl. dazu Posner «There is no simple solution to the problem of divided ownership except single ownership (…)» (Richard A. Posner, Economic Analysis of Law, 7. Aufl., Austin et al., S. 73).
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