Eine Übersicht über die seit 1. Januar 2010 in Kraft getretenen und zu späteren Zeitpunkten in Kraft tretenden Neuerungen sowie weitere gesetzliche Vorgaben
Vor einem Jahr (TREX 1/2009, S. 18) wurde an dieser Stelle über die geplanten, aktuellen und noch nicht in Kraft getretenen Neuerungen im Steuerrecht des Bundes geschrieben und es wurde auf die teilweise sehr langen Vorlaufzeiten zwischen Anschub einer Gesetzesänderung und deren Wirksamkeit hingewiesen. Jener Beitrag ist auch heute noch gültig und könnte fast wörtlich abgeschrieben werden, denn mit Bezug auf das Jahr 2010 gibt es nichts Neues, was nicht zu Beginn des Jahres 2009 bereits bestanden hätte. Der Schwerpunkt der Aktivitäten hat sich denn auch verlagert vom Gesetzgeber zur Verwaltung, die den Vollzug – und damit auch eine Art Gesetzgebung – in ihren Verwaltungsverordnungen organisiert.
Ein Kennzeichen der aktuellen Gesetzgebung oder dessen, was man dafür halten muss, ist die Vorstossflut. Haben wir vor einem Jahr in der Geschäftsdatenbank «Curia Vista» der eidg. Räte unter der Rubrik «Finanzwesen» noch 121 hängige Geschäfte (Parlamentarische Initiativen, Standesinitiativen, Motionen, Postulate, Vorlagen des Bundesrates) verzeichnet, sind es heute deren 204. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Output an gesetzgeberischen Neuerungen relativ gering ist und dass insbesondere die direkt ab 1.1.2010 anwendbaren Neuerungen bereits seit Längerem bekannt sind. Es sind dies (und hier wird auf die Ausführungen in TREX 2009, S. 18 ff., verwiesen)
- die Erhöhung des verrechnungssteuerfreien Zinsbetrages auf Kundengeldern von 50 Franken auf 200 Franken.1
- die Vereinfachung der Nachbesteuerung in Erbfällen und die Einführung der straflosen Selbstanzeige.2 Erben sollen bei Offenlegung der Steuerhinterziehung des Erblassers von einer tieferen Nachsteuer profitieren und bei erstmaliger Offenlegung eigener Steuerhinterziehung (Selbstanzeige) soll auf die Erhebung der Busse verzichtet werden, sodass nur die geschuldete Nachsteuer und der Verzugszins entrichtet werden müssen. Die Novelle ist nicht selbsterklärend formuliert, d.h. es werden sich in der Praxis viele Auslegungsfragen ergeben.3 Wichtig ist, dass die neuen Vorschriften auf jeden Fall erst auf Erbgänge Anwendung finden, die nach dem 31.12.2009 eröffnet werden.
- Die Abschaffung der sog. Dumont-Praxis auf Bundesebene4 und in zahlreichen, aber noch nicht allen Kantonen, da die Kantone nach StHG eine Einführungsfrist von zwei Jahren zugestanden erhalten haben. Neu ist in dieser Novelle, dass bei Liegenschaften im Privatvermögen neben den Unterhaltskosten insbesondere und ausdrücklich die «Kosten der Instandstellung von neu erworbenen Liegenschaften» abgezogen werden können. Im Ergebnis wird man damit wieder entgegen dem Bundesgericht zum technisch begründeten Unterhaltsbegriff zurückkommen. Die Freude der Immobilienkäufer über die vermeintliche Möglichkeit, eine vernachlässigte Ruine zu kaufen und zulasten der Einkommenssteuer hochrenovieren zu können, dürfte indessen von kurzer Dauer sein, denn der Gesetzgeber behält sich weiterhin ausdrücklich vor, dass die «Aufwendungen für die Anschaffung, Herstellung oder Wertvermehrung von Vermögensgegenständen» nicht abzugsfähig sein sollen.5
Nicht wie ursprünglich erwartet, erfolgt der Ausgleich der kalten Progression erst mit Wirkung für das Steuerjahr 2011.6
Grosse Hektik ist hingegen im Bereich der Mehrwertsteuer entstanden. Die zumindest im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens als Erleichterungen gedachten und empfundenen Neue-rungen sind durch Beschluss des Gesetzgebers auf den 1.1.2010 in Kraft gesetzt worden, ohne dass sichergestellt werden kann, dass in dieser komplexen Materie alle Ausführungsvorschriften und Praxisfestlegungen rechtzeitig vorliegen. Die Anforderungen an die Mehrwertsteuerpflichtigen und ihre Berater sind zumindest im ersten Jahr erheblich gestiegen und in vielen Bereichen ist man im Moment noch nicht ganz sicher, ob die Vereinfachung tatsächlich gelungen ist. Die Rechtsunsicherheit jedenfalls hat in der Tendenz eher zugenommen7 und mancher der KMU-Welt nahestehende Parlamentarier wird sich heute fragen müssen, ob es gescheit war, der Verwaltung den Takt mit dem forschen Inkraftsetzungstermin zu diktieren.8
Es macht Sinn, neben den aktuellen Neuerungen vor allem den Blick auf das Jahr 2011 zu richten, damit die Planung während des laufenden Jahres auf mögliche Änderungen ausgerichtet werden kann. Hier stehen neben der Unternehmenssteuerreform II die Neuerungen im Bereich der Familienbesteuerung im Vordergrund. Der auf den 1.1.2011 vorgesehene Ausgleich der kalten Progression dürfte weniger planungsrelevant sein.
Im Jahr 2011 tritt die Unternehmenssteuerreform in die entscheidende Phase. Seit wenigen Wochen sind die neuesten Kreisschreiben und Verordnungen publiziert.
Dieses Kreisschreiben regelt die Aufschubstatbestände bei der Überführung einer Liegenschaft des Anlagevermögens aus dem Geschäftsvermögen in das Privatvermögen nach Art. 18a DBG. Entscheidend ist, dass die Besteuerung der stillen Reserven (Differenz zwischen Anlagekosten und Einkommenssteuerwert) nur auf Antrag aufgeschoben wird und dass ein einmal erfolgter Aufschub nur bei Veräusserung und bei Zuteilung im Rahmen einer Erbteilung beendet wird. Eine freiwillige Versteuerung zu einem günstigeren Zeitpunkt ist also nicht möglich. Aufgeschoben wird im gleichen Umfang auch die AHV-Beitragserhebung, wobei auch diese im Falle einer Veräusserung oder einer Erbteilung nachgeholt wird.
Die vom Gesetzgeber wohl nicht so explizit beabsichtigte Betrachtung einer Erbteilung als Veräusserung, die den Aufschub beendet, ist zwar aus bezugstechnischen Gründen praktikabel; man weiss, wann man spätestens auf den stillen Reserven die Steuern erheben kann bzw. zahlen muss. Auf der anderen Seite ist die finanzielle Belastung für die Erben oft ebenso gross, wenn ohne Liquidität Steuern abgeführt werden müssen. Diese Ergänzung im Rahmen des Kreisschreibens macht den Gebrauch des Aufschubes vermutlich eher unattraktiv.
Wesentlich interessanter ist hingegen die im gleichen Kreisschreiben erwähnte, aber in einer separaten Verordnung geregelte Besteuerung der Liquidationsgewinne bei Aufgabe einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach Art. 37b DBG.9 Dem Selbstständigerwerbenden wird nach dieser neuen Vorschrift zugestanden, dass er Liquidationsgewinne, die er bei definitiver Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit nach Alter 55 oder infolge von Invalidität erzielt, privilegiert besteuern lassen kann. Gedanklich folgt man der Idee, dass die Liquidationsgewinne beim Selbstständigerwerbenden eine Art Surrogat für eine nicht oder ungenügend vorhandene berufliche Altersvorsorge darstellten. Deshalb werden solche Liquidationsgewinne separat und in Anlehnung an die Besteuerung von Kapitalleistungen aus beruflicher Vorsorge besteuert. Der Mechanismus der Besteuerung ist komplex und verlangt nach sorgfältiger Planung. Der Verordnungsentwurf und der erläuternde Bericht im Vernehmlassungsverfahren zeigen auf, wo und wie geplant bzw. aufgepasst werden muss. Offen ist noch die Umsetzung in vielen Kantonen.
In der Unternehmenssteuerreform II wurden mit der Revision von Art. 62 Abs. 4, Art. 69 und Art. 70 Abs. 4 lit. b DBG die Steuerermässigung auf Beteiligungserträgen von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften neu geregelt. Entscheidend ist, dass als für den Beteiligungsabzug qualifizierende Beteiligung inskünftig eine Beteiligung von 10% oder ein Verkehrswert von einer Million Franken ausreichen. Als Beteiligungserträge gelten nicht nur Ausschüttungen, sondern auch Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Beteiligungen, wobei die veräusserte Beteiligung mindestens 10% des Grund- und Stammkapitals ausmachen muss und während mindestens zwölf Monaten gehalten worden ist. Zu beachten ist aber auch, dass wiedereingebrachte Abschreibungen im Veräusserungsfall voll besteuert werden und nicht unter den Beteiligungsabzug fallen.
Mit dem Bundesgesetz vom 25. September 2009 über die steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern10 wird ein weiterer Stein in das schon recht unübersichtliche Puzzle der Familienbesteuerung eingefügt. Neben der Beeinflussung des steuerbaren Einkommens durch Abzüge verschiedenster Art wird neu in dieser Novelle auch ein Abzug vom Steuerbetrag vorgesehen. Nach dem neuen Art. 214 Abs. 2bis können Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben, sowie die Personen, die mit Kindern oder unterstützungsbedürftigen Personen im gleichen Haushalt zusammenleben und deren Unterhalt zur Hauptsache bestreiten, einen Abzug vom Steuerbetrag von 250 Franken pro Kind bzw. unterstützter Person geltend machen. Diese Abzüge werden kumuliert mit den Abzügen vom steuerbaren Einkommen für die berufs- oder ausbildungsbedingten Kosten der Drittbetreuung für jedes Kind unter 14 Jahren bis zu einem Maximalbetrag von 10 000 Franken (Art. 212 Abs. 2bis). Der ordentliche Kinderabzug wird auf 6100 Franken angehoben.
Die Kantone müssen nach den neuen Bestimmungen des Steuerharmonisierungsgesetzes einen Drittbetreuungskosten-Abzug definieren; im Bereich der tariflichen Massnahmen können sie hingegen ihre eigenen Wege gehen. Sie haben eine Anpassungsfrist bis 2013.
Mit der Änderung des DBG vom 25. September 200911 wird eine jährliche Anpassung der Tarifstufen und Abzüge an den Landesindex der Konsumentenpreise vorgesehen. Abgesehen von gewissen administrativen Vorgaben (rechtzeitige Berechnung Kommunikation durch die Verwaltung) dürfte diese Neuerung keine Probleme verursachen.
Mit dem Bundesgesetz über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an politische Parteien vom 12. Juni 200912 wurde die Rechtsgrundlage geschaffen, Parteispenden vom Einkommen in Abzug zu bringen, wie dies in verschiedenen Kantonen (harmonisierungswidrig) bereits zugelassen wird. Auch diese Novelle wird indessen erst per 1.1.2011 in Kraft treten und die Kantone können ihre Gesetzgebung innert zweier Jahre anpassen. Als Parteien gelten die im Parteienregister nach dem Bundesgesetz über die politischen Rechte eingetragenen Parteien, die Parteien, welche in einem kantonalen Parlament vertreten sind oder welche in einem Kanton bei den letzten Wahlen mindestens 3% der Stimmen erhalten haben.
Der Bundesrat beantragt den eidg. Räten, die beiden Initiativen zur Förderung des Bausparens abzulehnen, da nach seiner Ansicht keine zusätzlichen Anreize geschaffen werden müssen.13
Im Bereich der Eigenmietwertbesteuerung läuft zurzeit ein Vernehmlassungsverfahren über einen sog. indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» des Hauseigentümerverbandes.14 Der Bundesrat schlägt vor, den Eigenmietwert abzuschaffen, im Gegenzug aber auch nur noch einen zeitlich und betragsmässig limitierten Schuldzinsenabzug für Ersterwerber sowie einen Abzug für besonders wirkungsvolle Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen einzuführen. Es wird sich weisen, ob diese Lösung Erfolgschancen hat. Aus der Sicht der Steuerberatung stellt man jedenfalls fest, dass Steuerpflichtige, die ihre Liegenschaft aktiv bewirtschaften und unterhalten, mit der heutigen Lösung nicht schlecht fahren. Liegenschaftenunterhalt ist – und nach dem Fallen der Dumont-Praxis erst recht wieder – ein nach wie vor interessantes Steuerplanungsinstrument. Die Initiative zielt zugegebenermassen auf jene Bevölkerungsschichten ab, die keinen Liegenschaftenunterhalt (mehr) machen und die eine geringe Verschuldung aufweisen.
Die Diskussion wird weiterhin lebhaft geführt zur Frage des Steuerwettbewerbes durch «Dumping-Kantone» und zur Frage der Pauschalbesteuerung. Ergebnisse sind in diesem Bereich kaum absehbar; dem Betrachter und Steuerzahler bleibt indessen oft eine hilflose Frustration, weil der KMU-Unternehmer sein Unternehmen in der Nähe der Kunden und nicht in einer Steueroase in der Zentralschweiz platzieren muss und weil der wohlhabende Bürger sich eben trotz aller steuerlichen Anreize nicht als Steuerflüchtling im eigenen Land in einen Kleinkanton vertreiben lässt.
- Art. 5 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer (VStG, SR 642.21) in der Fassung gemäss Unternehmenssteuerreformgesetz II.
- AS 2008, 4453.
- Vgl. zum Ganzen und zu einigen Einzelfragen Marco Streuli, Vreni Grossmann, Vereinfachte Nachbesteuerung in Erbfällen und straflose Selbstanzeige, in: Der Schweizer Treuhänder, 2008, Nr. 9, S. 711 ff.
- Text in der Referendumsvorlage bei BBl 2008, 8247; Curia Vista Geschäft Nr. 04.457.
- Art. 34 lit. d DBG.
- Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG, SR 642.11), Änderung vom 25. September 2009, BBl 2009, 6665.
- Vgl. zu den Neuerungen die Informationsbroschüre 01.01 der Eidg. Steuerverwaltung sowie die zahlreichen Einzelpublikationen, z.B. im Schweizer Treuhänder, ST 2009/12, S. 961 ff. Von den 18 geplanten MWST-Infos sind derzeit deren zwei im Internet der ESTV aufgeschaltet; die MWST-Branchen-Infos sind zurzeit noch nicht verfügbar (vgl. www.estv.admin.ch>Publikationen).
- Die Unternehmenssteuerreform II hat deutlich gezeigt, dass ein vom Gesetzgeber erlassenes Projekt schon noch interpretations- und konkretisierungsbedürftig ist. Man ist über die lange Einführungsfrist unter diesem Aspekt nicht unglücklich. Ob das in der Mehrwertsteuer so ganz anders sein soll? Oder haben wir hier gewissermassen den Testflug mit zahlenden Fluggästen?
- Verordnung über die Besteuerung der Liquidationsgewinne bei definitiver Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit, als Entwurf. Der Text ist abrufbar über die Seite der Bundeskanzlei, www.admin.ch.
- BBl 2009, 6667, Inkrafttreten per 1.1.2011.
- BBl 2009, 6665, Inkrafttreten per 1.1.2011.
- BBl 2009, 4389.
- BBl 2009, 6975.
- Vgl. Medienmitteilung vom 4.11.2009 mit weiterführenden Hinweisen www.efd.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/00467/index.html?lang=de&msg-id=29910.