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Wenn selbständige Taxifahrer einer Zentrale angeschlossen sind, gelten sie als deren Angestellte. Das hat das Bundesgericht im Fall von vier Klägern entschieden. Damit sind sie in Zukunft sozial deutlich besser abgesichert. Für ihre Kunden aber könnte es teurer werden.

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Taxizentralen nehmen – vor allem in grösseren Städten – Aufträge von Kunden an und leiten diese an diejenigen Fahrer weiter, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Nähe befinden. Bisher galten diese Fahrer als Selbständigerwerbende, die lediglich durch einen sogenannten Anschlussvertrag mit der Zentrale verbunden waren. 2014 hatte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) diesen Taxifahrern erklärt, dass sie in Zukunft sozialversicherungsrechtlich als unselbständig Erwerbstätige eingestuft würden und die Zentrale entsprechend die Sozialbeiträge zu bezahlen habe. Dagegen hatten vier Fahrer und eine Taxizentrale geklagt. Bereits das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich aber gelangte zum Schluss, dass es zwischen der Zentrale und den Fahrern zahlreiche vertragliche Verpflichtungen gebe, was auf ein Unterordnungsverhältnis schliessen lasse. So seien die Fahrer verpflichtet, an Kursen zur Aus- und Weiterbildung teilzunehmen, für ihr Fahrzeug den Namen der Zentrale zu verwenden, und es gebe Vorschriften zum Auftreten und Verhalten gegenüber Kunden. Auch die Kündigungsfrist von drei Monaten spreche für eine unselbständige Stellung. Dazu komme, dass sich die Zentrale im Internet mit Angeboten für Private und Unternehmen präsentiere und Mitarbeiter beschäftige, die für die Akquisition zuständig seien. Auch das Inkasso der vermittelten Fahrten werde von der Gesellschaft übernommen. Abgesehen von der Anschaffung des Fahrzeugs hätten die Fahrer also keine wesentlichen Investitionen getätigt und beschäftigten auch kein Personal. Unter anderem diesen Punkt hatten die Kläger in ihrem Rekurs bemängelt: Sie hätten zwischen 35 000 und 50 000 Franken in den Kauf ihrer Fahrzeuge investiert. Das müsse als Unternehmerrisiko und damit als Anhaltspunkt für eine selbständige Erwerbstätigkeit gelten. In seinem Urteil stützt das Bundesgericht jedoch den Entscheid der Vorinstanz. Der Kauf und der Unterhalt eines Taxis bedeute noch kein Unternehmerrisiko. Denn die Taxifahrer könnten ihre Fahrzeuge auch ausserhalb der Arbeitszeiten uneingeschränkt für private oder für andere Zwecke nutzen. Und der Preis der Anschaffung entspreche den Kosten eines privaten Fahrzeuges. Da der Entscheid des Zürcher Sozialversicherungsgerichts keine Mängel aufweise und dem Bundesrecht nicht widerspreche, weise das Bundesgericht die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführer müssen für die Gerichtskosten von 2000 Franken aufkommen. Nach Ansicht von Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich, hat der Entscheid für Taxifahrer, die einer Zentrale angeschlossen sind, weitreichende Konsequenzen. Denn er bedeute, dass das bisherige Geschäftsmodell mit dieser Art von Entschädigungen so nicht mehr funktioniere. «Taxifahrer müssen jetzt angestellt beziehungsweise abgerechnet werden wie Angestellte», sagte Gächter in der SRF-Sendung «10vor10» vom 20. November 2017. Damit werde ihr Sozialschutz deutlich verbessert. «Neu werden sie in der Unfallversicherung versichert sein, in der Zweiten Säule und in der Arbeitslosenversicherung», sagte Gächter. Weil dadurch aber die Kosten der Taxizentrale stiegen, bedeute das für Konsumentinnen und Konsumenten wahrscheinlich teurere Taxifahrten. Gemäss Christoph Wieland, Präsident der Fachgruppe Taxi des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbands ASTAG (Taxi Suisse), sind schweizweit zwischen 1500 und 2000 Taxihalter einer Zentrale angeschlossen. Die Suva nahm das Urteil «mit Genugtuung zur Kenntnis», wie sie auf Anfrage mitteilte. Damit werde ihre «langjährige Praxis in dieser Frage einmal mehr bestätigt». Ob das Urteil auch Auswirkungen auf das US-Unternehmen Uber in der Schweiz haben könnte, wollte die Suva nicht kommentieren. Sie beurteilten keine Geschäftsmodelle, hiess es. In einem Einspracheentscheid gegen einen Uber-Fahrer war die Unfallversicherung Anfang Jahr jedoch zum Schluss gekommen, dass dieser als Angestellter zu behandeln sei und Uber als Arbeitgeber Sozialabgaben leisten müsse. Zwischen Uber und den Fahrern bestehe klar ein «Abhängigkeitsverhältnis», schrieb die Suva damals. Denn wenn der Fahrer keine schwerwiegenden negativen Konsequenzen tragen wolle, müsse er sämtliche Weisungen, Vorgaben, Hinweise und Empfehlungen von Uber beachten. Die Suva folgert daraus, dass Uber eine «umfassende Kontrolle» über den Fahrer ausübe. Zentral für eine Selbständigkeit wäre, dass ein Unternehmer den Preis und die Art der Zahlung der Dienstleistung selber bestimmen könne. Dies treffe in dem Fall eindeutig nicht zu. Die Suva folgert daraus, dass die Merkmale für eine unselbständige Erwerbstätigkeit «klar überwiegen».

Art. 10 ATSG; Art. 1a UVG; Art. 29 BV

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(BGer., 9.11.2017 {8C_571/2017}, Jusletter 27.11.2017)

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