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Verschiedene arbeitsrechtliche Bestimmungen enthalten Sonderschutzvorschriften für die Beschäftigung von Schwangeren, Wöchnerinnen und Stillenden. Die Bestimmungen betreffen namentlich die Art und Weise der Beschäftigung, die Zulässigkeit von Arbeiten, die Gestaltung der Arbeitszeit sowie den Kündigungsschutz. Ein Überblick.

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1. Einleitung
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Die Sonderschutzvorschriften, die eine Arbeitgeberin bei der Beschäftigung von Schwangeren und Müttern beachten muss – viele Bestimmungen sind zwingender Natur –, sind verteilt über das Privatrecht, das öffentliche Recht und das Sozialversicherungsrecht. So finden sich beispielsweise im Obligationenrecht (OR) Bestimmungen über die Lohnfortzahlung und den Kündigungsschutz, im Arbeitsgesetz (ArG) und seinen Verordnungen solche über den Gesundheitsschutz und im Erwerbsersatzgesetz (EOG) die Mutterschaftsentschädigung. Die Regelungsbereiche greifen immer mehr ineinander und überschneiden sich. So sieht – obwohl Lohnfragen grundsätzlich vom Privatrecht geregelt werden – etwa vermehrt auch das öffentliche Recht Bestimmungen zu Lohn(fort)zahlungen vor. Neben den gesetzlichen Vorschriften sind gegebenenfalls zusätzlich Bestimmungen in Einzelarbeitsverträgen (EAV), Gesamtarbeitsverträgen (GAV), Normalarbeitsverträgen (NAV) oder im öffentlichen Dienstrecht zu beachten.

Die korrekte Umsetzung des Mutterschutzes in der Praxis wird nicht nur durch die Komplexität der Gesetzgebung erschwert, sondern auch durch mangelhaft koordinierte Bestimmungen sowie umstrittene und nicht gelöste Einzelfragen. Der Mutterschutz setzt sich aus zahlreichen, immer wieder ergänzten Einzelbestimmungen zusammen und kann nicht gerade als gesetzgeberische Meisterleistung bezeichnet werden. Trotzdem kommt eine Arbeitgeberin nicht umhin, sich mit den Sonderschutzvorschriften für Schwangere, Wöchnerinnen und Stillende auseinanderzusetzen. Der vorliegende Fachbeitrag soll einen Überblick über die anwendbaren Gesetzesbestimmungen verschaffen. Die detaillierte rechtliche Auseinandersetzung mit den einzelnen Vorschriften sprengte jedoch seinen Rahmen.

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2. Arbeitsvertragsrecht
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2.1 Einzelarbeitsvertrag und Gestaltungsspielraum
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Einzelarbeitsverträge basieren auf dem Obligationenrecht, auf Gesamt- oder Normalarbeitsverträgen oder auch auf öffentlichem Dienstrecht. Sie dürfen den dort geregelten zwingenden Mindestschutz nicht unterschreiten. Ein Ausbau des Sonderschutzes ist hingegen möglich.

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2.2 Zeitlicher Kündigungsschutz für Schwangere und Wöchnerinnen (Art. 336c Abs. 1 Bst. c OR)
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Nach Ablauf der Probezeit geniesst die Arbeitnehmerin während der gesamten Dauer der Schwangerschaft plus 16 Wochen nach der Geburt des Kindes einen zeitlichen Kündigungsschutz. Arbeitgeberkündigungen, die während dieser Sperrfrist ausgesprochen werden, sind nichtig, d. h. wie nicht erfolgt. Sie müssen gegebenenfalls nach Ablauf der Sperrfrist unter Einhaltung der Kündigungsfrist erneut ausgesprochen werden. Während der Probezeit ist die Arbeitnehmerin nur, aber immerhin, gegen missbräuchliche Kündigungen (sachlicher Kündigungsschutz) geschützt. Arbeitgeberkündigungen während der Probezeit, die ausschliesslich wegen der bestehenden Schwangerschaft der Arbeitnehmerin ausgesprochen werden, tragen ein erhöhtes Missbrauchsrisiko. Hat die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis bereits vor Beginn der Schwangerschaft gekündigt, wird die Kündigungsfrist während der gesamten Dauer der Sperrfrist unterbrochen und erst nach deren Ablauf um die restliche Dauer fortgesetzt.

Der zeitliche Kündigungsschutz gilt unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin oder die Arbeitnehmerin um die bestehende Schwangerschaft wissen. Die Arbeitnehmerin ist aus rechtlicher Sicht nicht verpflichtet, die Arbeitgeberin über eine Schwangerschaft zu informieren, ausser diese verunmögliche oder beeinflusse die Arbeit beziehungsweise Einsatzmöglichkeit der Arbeitnehmerin. Die Information der Arbeitgeberin liegt insbesondere im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz (s. dazu unten Punkt 3.2 Gesundheitsschutz) jedoch im Interesse der Arbeitnehmerin.

Der Kündigungsschutz von Schwangeren und Wöchnerinnen gilt nicht für gerechtfertigte fristlose Arbeitgeberkündigungen. Zudem kann die Arbeitnehmerin selber das Arbeitsverhältnis auch während der Sperrfrist unter Einhaltung von Kündigungsfrist und -termin auflösen. Ebenso können die Parteien das Arbeitsverhältnis jederzeit einvernehmlich auf einen beliebigen Zeitpunkt hin beenden. Dabei ist – wie bei jedem Aufhebungsvertrag – der gegenseitige Interessenausgleich zu beachten und abzubilden. Zudem ist es in der Regel empfehlenswert, als frühesten Beendigungszeitpunkt den Zeitpunkt der Niederkunft zu wählen, damit die Arbeitnehmerin ihren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung behält (s. unten Punkt 4.1 Anspruchsvoraussetzungen).

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2.3 Lohnfortzahlung bei schwangerschaftsbedingter Arbeitsunfähigkeit (Art. 324a OR)
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Dies zur Erinnerung vorneweg, weil es aufgrund der langen Kündigungssperrfrist gerade bei Schwangerschaft und Mutterschaft praxisrelevant ist: Die Dauer der Lohnfortzahlung deckt sich nicht zwingend mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses.

Schwangerschaftsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin löst die gleiche Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin aus wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amts. Der 100%ige Lohnfortzahlungsanspruch während einer vom Dienstalter abhängigen beschränkten Zeit (i. d. R. Basler, Berner oder Zürcher Skala) umfasst alle diese Verhinderungsgründe während eines Dienstjahres zusammen. Es gibt keine separate beziehungsweise zusätzliche Lohnfortzahlung für schwangerschaftsbedingte Arbeitsunfähigkeit.

Abweichungen von der gesetzlichen Lösung sind zulässig, wenn sie schriftlich oder in einem Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag erfolgen und für die Arbeitnehmerin mindestens gleichwertig sind. Eine häufige solche Abweichung ist der Abschluss einer kollektiven Krankentaggeldversicherung. Diesfalls richtet sich die Lohnfortzahlung bei schwangerschaftsbedingter Arbeitsunfähigkeit nach der abgeschlossenen Versicherung.

Nach der Niederkunft richtet sich der Entschädigungsanspruch der Mutter grundsätzlich nach dem Erwerbsersatzgesetz (s. unten Punkt 4 Mutterschaftsentschädigung). Nach nicht unbestrittener Meinung gilt für Mütter, die keinen Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung haben oder die den Leistungsbeginn aufschieben, die Lohnfortzahlungspflicht nach Artikel 324a des Obligationenrechts.

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2.4 Ferienkürzung bei schwangerschaftsbedingter Verhinderung an der Arbeitsleistung (Art. 329b Abs. 3 OR)
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Ist eine Schwangere mehr als drei volle Monate arbeitsunfähig, darf die Arbeitgeberin ihren Ferienanspruch um ein Zwölftel kürzen. Jeder weitere volle Monat Arbeitsunfähigkeit berechtigt jeweils zu einer Kürzung um ein weiteres Zwölftel. Dabei darf die Zeit, in der die Arbeitnehmerin Mutterschaftsentschädigung bezieht, nicht an die Arbeitsunfähigkeit angerechnet werden.

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2.5 14 Wochen Mutterschaftsurlaub (Art. 329f OR)
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Nach der Niederkunft hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen. Diese Bestimmung wurde mit der Schaffung der Mutterschaftsentschädigung eingeführt und ist zeitlich auf sie abgestimmt. Praktische Relevanz kommt dem obligationenrechtlichen Mutterschaftsurlaub dort zu, wo die Mutter gar nicht dem Arbeitsgesetz oder nur dessen Gesundheitsschutzbestimmungen unterstellt ist, da die Arbeitnehmerin nach Artikel 35a des Arbeitsgesetzes bis zur 16. Woche nach Niederkunft nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden darf.

Während des Mutterschaftsurlaubs bezieht die Arbeitnehmerin grundsätzlich die Mutterschaftsentschädigung ohne weitergehende Lohnansprüche gegenüber der Arbeitgeberin (s. dazu Punkt 4 Mutterschaftsentschädigung).

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2.6 Weitergeltung des abgeschlossenen Arbeitsvertrags
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Wird der Arbeitsvertrag nicht korrekt aufgelöst oder geändert, gilt er unverändert weiter. Die Arbeitnehmerin hat namentlich keinen Anspruch auf ein reduziertes Arbeitspensum nach der Geburt ihres Kindes. Sie ist grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeit nach Ablauf von 16 Wochen nach der Niederkunft wiederaufzunehmen. Eine (teilweise) Arbeitsverweigerung oder ein unentschuldigtes Nichterscheinen am Arbeitsplatz können Grund für eine Kündigung sein oder kann unter Umständen auch als fristlose Kündigung der Arbeitnehmerin gelten. Dazu ist jedoch in der Regel eine entsprechende Abmahnung durch die Arbeitgeberin nötig. Einvernehmliche Änderungen oder Aufhebungen des Arbeitsvertrags zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin sind jederzeit (auch während der Schwangerschaft und des Mutterschaftsurlaubs) möglich, falls die Arbeitnehmerin die Arbeit nicht mehr im vertraglich definierten Rahmen aufnehmen kann oder will. Aus Beweisgründen empfiehlt sich hier die Schriftform.

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3. Arbeitsgesetz
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3.1 Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes
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Das Arbeitsgesetz und damit seine Sonderschutzvorschriften für Schwangere, Wöchnerinnen und Stillende ist auf alle öffentlichen und privaten Betriebe anwendbar, sofern keine betriebliche oder persönliche Ausnahme vorliegt. Betriebliche Ausnahmen gelten im Wesentlichen für die öffentliche Verwaltung, Landwirtschafts-, Gärtnerei- und Fischereibetriebe sowie private Haushaltungen (Art. 2 ArG). Vom persönlichen Geltungsbereich ausgenommen sind insbesondere Arbeitnehmende mit höherer leitender, wissenschaftlicher oder selbständig künstlerischer Tätigkeit, Lehrer an Privatschulen und Handelsreisende (Art. 3 ArG).

Trotz der Ausnahme vom Anwendungsbereich des Arbeitsgesetzes sind die Vorschriften über den Gesundheitsschutz (Art. 6, 35, 36a ArG, s. unten Punkt 3.2 Gesundheitsschutz) jedoch anwendbar für Angestellte der öffentlichen Verwaltung, für Arbeitnehmende mit höherer leitender, wissenschaftlicher oder selbständig künstlerischer Tätigkeit sowie für Lehrer an Privatschulen, Lehrer, Fürsorger, Erzieher und Aufseher in Anstalten (Art. 3a ArG). Schutzvorschriften, die sich nicht auf den Gesundheitsschutz abstützen, sind nicht anwendbar.

Das bedeutet, dass es im Bereich des Arbeitsgesetzes drei Schutzkategorien von Schwangeren, Wöchnerinnen und Stillenden gibt:

  1. Solche, die keinerlei arbeitsgesetzlichen Schutz in Anspruch nehmen können, weil sie dem Arbeitsgesetz nicht unterstellt sind,
  2. solche, für die nur die Bestimmungen über den Gesundheitsschutz gelten und
  3. solche, bei denen sämtliche Sonderschutzvorschriften beachtet werden müssen.

Die Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes und seiner ausführenden Verordnungen ist daher immer im Einzelfall zu prüfen.

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3.2 Gesundheitsschutz
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3.2.1 Allgemeiner Gesundheitsschutz (Art. 35 ArG)
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Die Arbeitgeberin einer schwangeren oder stillenden Arbeitnehmerin ist grundsätzlich verpflichtet, diese so zu beschäftigen und ihre Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Gesundheit der Arbeitnehmerin und des Kindes nicht beeinträchtigt wird. In diesem Zusammenhang können gefährliche oder beschwerliche Arbeiten für diese Arbeitnehmerinnen per Verordnung verboten oder von Bedingungen abhängig gemacht werden. Diesfalls kann die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine gleichwertige Ersatzarbeit zum gleichen Lohn zuweisen, und die Arbeitnehmerin ist zur Leistung derselben verpflichtet. Sofern die Arbeitgeberin keine gleichwertige Ersatzarbeit zuweisen kann, hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf 80 Prozent des Lohns.

Welche Arbeiten als beschwerlich oder gefährlich gelten und daher nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen ausgeführt werden dürfen, wird hauptsächlich in der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (Art. 62 f. ArGV 1) und in der Mutterschutzverordnung ausgeführt (s. Punkt 3.2.3 Gefährliche und beschwerliche Arbeiten).

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3.2.2 Beschäftigungserleichterung bei stehender Tätigkeit (Art. 61 ArGV 1)
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Ab dem vierten Schwangerschaftsmonat haben Arbeitnehmerinnen, die hauptsächlich stehend arbeiten, Anspruch auf eine tägliche Ruhezeit von 12 Stunden plus alle zwei Stunden auf Kurzpausen von 10 Minuten zusätzlich zu den gesetzlichen Pausen nach Artikel 15 des Arbeitsgesetzes. Die gesetzlichen Pausen gelten – vorbehaltlich einer anderen vertraglichen Vereinbarung beziehungsweise Betriebsübung – grundsätzlich nicht als Arbeitszeit (ausser die Arbeitnehmerin dürfe den Arbeitsplatz nicht verlassen) und werden nicht bezahlt. Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat müssen die stehenden Tätigkeiten auf vier Stunden pro Tag beschränkt werden.

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3.2.3 Gefährliche und beschwerliche Arbeiten (Art. 62 ArGV 1)
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Als für Schwangere und Stillende gefährlich und beschwerlich gelten Arbeiten, die sich erfahrungsgemäss nachteilig auf die Gesundheit von Mutter und Kind auswirken. Darunter fallen allgemein und in nicht abschliessender Weise:

  • das Bewegen schwerer Lasten von Hand
  • Bewegungen und Körperhaltungen, die zu vorzeitiger Ermüdung führen
  • Stösse, Erschütterungen oder Vibrationen
  • Überdruck
  • Kälte, Hitze oder Nässe
  • schädliche Strahlen
  • Lärm
  • schädliche Stoffe und Mikroorganismen
  • Arbeitszeitsysteme, die erfahrungsgemäss zu einer starken Belastung führen

Betriebe mit solchen Arbeiten müssen eine Risikobeurteilung vornehmen lassen und deren Resultat schriftlich festhalten (Art. 63 ArGV 1). Die Risikobeurteilung erfolgt durch eine fachlich kompetente Person (Arbeitsarzt, Spezialist der Arbeitssicherheit, fachlich kompetente Person bei Mutterschaft). Zudem ist die Arbeitgeberin verpflichtet, Frauen mit gefährlichen oder beschwerlichen Arbeiten rechtzeitig, umfassend und angemessen zu informieren und gegebenenfalls anzuleiten.

Die Mutterschutzverordnung (MSV) regelt die Kriterien für die Risikobeurteilung und für gefährliche und beschwerliche Arbeiten. So wird eine Gefährdung in folgenden Fällen vermutet:

  • Lasten. Bis zum sechsten Schwangerschaftsmonat das regelmässige Bewegen von Lasten von mehr als 5 kg oder das gelegentliche Bewegen von mehr als 10 kg. Ab dem siebenten Schwangerschaftsmonat dürfen keine Lasten über 5 kg mehr bewegt werden (Art. 7 MSV).
  • Kälte, Hitze, Nässe. Während der Schwangerschaft Arbeiten in Innenräumen bei Temperaturen unter – 5 °C oder über 28 °C oder regelmässige Beschäftigung, die mit starker Nässe verbunden ist. Bei Temperaturen unter 15 °C muss die Arbeitgeberin warme Getränke bereitstellen. Bei solchen unter 10 °C der thermischen Situation und der Tätigkeit angepasste Kleidung (Art. 8 MSV).
  • Bewegung und Körperhaltung. Während der Schwangerschaft und bis zur 16. Woche nach der Niederkunft erhebliches Strecken oder Beugen, dauerndes Kauern oder Bücken, Halten oder Tätigkeiten mit fixierter Körperhaltung ohne Bewegungsmöglichkeit. Stösse, Vibrationen und Erschütterungen (Art. 9 MSV).
  • Mikroorganismen. Arbeitsverbot (ausser Nachweis der genügenden Immunisierung) für Schwangere und Stillende bei Arbeit mit Mikroorganismen der Gruppe 2 (geringes Risiko), wenn bekannt ist, dass sie fruchtschädigend wirken können (z. B. Rötelnvirus, Toxoplasma), der Gruppe 3 (mässiges Risiko) und 4 (hohes Risiko) nach Anhang 2.1 der Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Gefährdung durch Mikroorganismen (SAMV). Risikobeurteilung nötig bei den übrigen Mikroorganismen der Gruppe 2 (Art. 10 MSV).
  • Lärm. Arbeitsverbot für Schwangere bei einem Schalldruck von 85 dB(A) und mehr (Art. 11 MSV).
  • Strahlung. Für Schwangere darf die Äquivalenzdosis an der Oberfläche des Abdomens 2 mSv und die effektive Dosis 1 mSv nicht überschreiten. Sicherstellung, dass nichtionisierende Strahlung zu keiner Schädigung führt. Für Stillende Arbeitsverbot mit radioaktiven Stoffen, bei denen Inkorporations- oder Kontaminationsgefahr besteht (Art. 12 MSV).
  • Chemikalien. Einhalten der SUVA-Expositionsgrenzwertliste. Als besonders gefährlich gelten bestimmte Keimzellen, Karzinogene, Reproduktions- und Zielorgantoxizität, Quecksilber mit seinen Verbindungen, Mitosehemmstoffe und Kohlenmonoxid (Achtung bei Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen in Raucherräumen oder Raucherlokalen; Art. 13 MSV)
  • Arbeitszeitsysteme. Verbot der Nacht- und Schichtarbeit bei gleichzeitiger gefährlicher oder beschwerlicher Arbeit, bei Schichtsystem mit regelmässiger Rückwärtsrotation oder mit mehr als drei hintereinanderliegenden Nachtschichten (Art. 14 MSV) sowie bei Akkord- oder taktgebundener Arbeit ohne Beeinflussungsmöglichkeit der Arbeitnehmerin (Art. 15 MSV).
  • Weitere Beschäftigungsverbote. Für Schwangere unzulässig sind Arbeiten bei Überdruck (z. B. Druckkammern, Tauchen) sowie das Betreten von Räumen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre (Art. 16 MuSchG).

Diese Ausführungen geben nur einen Überblick. Betriebe mit gefährlichen oder beschwerlichen Arbeiten kommen nicht umhin, die nötigen Massnahmen im Einzelfall abzuklären.

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3.2.4 Ruhemöglichkeit (Art. 34 ArGV 3)
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Die Arbeitgeberin muss Schwangeren und Stillenden eine geeignete Ruhe- beziehungsweise Liegemöglichkeit anbieten.

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3.3 Weitere Vorschriften für die Beschäftigung von Schwangeren, Wöchnerinnen und Stillenden
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3.3.1 Einverständnis der Arbeitnehmerin (Art. 35a Abs. 1 ArG)
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Schwangere, Wöchnerinnen bis 16 Wochen nach der Niederkunft und Stillende dürfen nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden. Eine besondere Form des Einverständnisses ist nicht erforderlich, es kann auch stillschweigend erfolgen. Schwangere und Stillende, die nicht arbeiten wollen, haben keinen Anspruch auf Lohn.

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3.3.2 Fernbleiberecht auf Anzeige hin (Art. 35a Abs. 2 ArG)
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Die schwangere Arbeitnehmerin darf auf blosse Anzeige hin, auch ohne Vorlage eines Arztzeugnisses, von der Arbeit fernbleiben oder die Arbeit verlassen, ohne dass sie damit eine Vertragsverletzung begeht. Die Arbeitnehmerin trifft jedoch immerhin die Pflicht, die Arbeitgeberin über ihre Abwesenheit zu informieren. In den Fällen des Fernbleibens auf blosse Anzeige hin ohne Arbeitsverhinderung im Sinne von Artikel 324a des Obligationenrechts hat die Arbeitnehmerin keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung.

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3.3.3 Bezahlte Stillzeit (Art. 35a Abs. 2 ArG)
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Im ersten Lebensjahr des Kindes muss die Arbeitgeberin der Stillenden die für das Stillen oder Abpumpen von Milch erforderliche Zeit freigeben. Dabei gelten mindestens folgende Zeiten als bezahlte (!) Arbeitszeit (Art. 60 Abs. 2 ArGV 1):

  • 30 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von bis zu vier Stunden
  • 60 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als vier Stunden
  • 90 Minuten bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sieben Stunden.

Die frühere Unterscheidung zwischen Stillen im Betrieb und ausserhalb des Betriebs wird nicht mehr gemacht. Unbestritten steht das Recht nur stillenden Frauen und nur während maximal des ersten Lebensjahres des Kindes zu. Nicht restlos geklärt ist die Frage, was der Verordnungsgeber mit dem Wort «mindestens» meint. Soweit die Lehre die Frage überhaupt aufgreift, scheint sie momentan sinnvollerweise davon auszugehen, dass längere Zeiten, wenn nötig, zwar zu gewähren, aber nicht zu bezahlen und nicht an die Arbeitszeit anzurechnen sind.

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3.3.4 Arbeitsverbot (Art. 35a Abs. 3 ArG)
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Während acht Wochen nach der Niederkunft dürfen Wöchnerinnen nicht beschäftigt werden, von der neunten bis 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis (zur Lohnfortzahlung s. unten Punkt 4. Mutterschaftsentschädigung).

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3.3.5 Abend- und Nachtarbeitsverbot (Art. 35a Abs. 4 ArG)
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Für Schwangere gilt ab der achten Woche vor der Niederkunft ein Arbeitsverbot für die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr. Diese Grenzen entsprechen der gesetzlichen Definition der Abend- und Nachtarbeit. Sie sind aber fix, auch bei betrieblicher Verschiebung der Nachtarbeit um eine Stunde. Die Arbeitgeberin kann der Arbeitnehmerin eine gleichwertige Arbeit während des Tages zum gleichen Lohn (minus Zuschläge für Nachtarbeit u. ä., s. Art. 35b Abs. 2 ArG) anbieten.

Nimmt die Arbeitnehmerin die angebotene gleichwertige Ersatzarbeit nicht an, erlischt ihr Lohnanspruch. Kann hingegen die Arbeitgeberin keine gleichwertige Ersatzarbeit anbieten, bleibt sie zur Bezahlung von 80 Prozent des Lohns (minus Zuschlägen für Nachtarbeit u.ä.) verpflichtet (Art. 35b Abs. 2 ArG).

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3.3.6 Ersatzarbeit bei Abend- und Nachtarbeit (Art. 35b ArG)
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Auf Verlangen hin muss die Arbeitgeberin Schwangeren und Wöchnerinnen bis zur 16. Woche nach der Niederkunft (mit Ausnahme der acht Wochen Arbeitsverbot), die zwischen 20 Uhr und 6 Uhr arbeiten, eine gleichwertige Ersatzarbeit am Tag anbieten. Ist ihr dies nicht möglich, so hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf 80 Prozent des Lohns (minus Zuschläge für Nachtarbeit u. ä.). Verlangt die Arbeitnehmerin keine Ersatzarbeit, kann sie bis acht Wochen vor der Niederkunft zum vertraglich vereinbarten Lohn zwischen 20 Uhr und 6 Uhr arbeiten.

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3.3.7 Individuelle Arbeitsbefreiung und Versetzung (Art. 64 Abs. 1 ArGV 1)
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Sind die von der Schwangeren oder Stillenden zu verrichtenden Arbeiten für sie subjektiv beschwerlich, so kann sie auch ohne Arztzeugnis verlangen, von diesen befreit zu werden. Im Unterschied zu den objektiv gefährlichen und beschwerlichen Arbeiten hat die Arbeitnehmerin bei der individuellen Arbeitsbefreiung und Versetzung jedoch keinen Lohnanspruch, wenn die Arbeitgeberin ihr keine Ersatzarbeit anbieten kann. Ein Teil der Lehre belässt es dabei, ein Teil spricht der Arbeitnehmerin Lohnfortzahlungsansprüche nach Artikel 324a Absatz 3 des Obligationenrechts zu.

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3.3.8 Reduzierte Leistungsfähigkeit (Art. 64 Abs. 2 ArGV 1)
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Arbeitnehmerinnen, die in den ersten Monaten nach der Niederkunft nicht voll leistungsfähig sind, dürfen auf Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses nicht zu Arbeiten hinzugezogen werden, die ihre Leistungsfähigkeit übersteigen. Das Arztzeugnis muss Auskunft darüber geben, welche Arbeiten ausgeübt werden können und welche nicht. Auch hier ist, wie bei der individuellen Arbeitsbefreiung, die Frage der Lohnfortzahlung umstritten. Zudem ist nicht klar, wie lange der Zeithorizont der «ersten Monate nach der Entbindung» effektiv ist.

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3.3.9 Verbot von Überstunden und tägliche Höchstarbeitszeit (Art. 60 Abs. 1 ArGV 1)
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Schwangere und Stillende dürfen nicht über die vereinbarte tägliche Arbeitsdauer hinaus beschäftigt werden und in keinem Fall über neun Stunden pro Tag.

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4. Mutterschaftsentschädigung
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4.1 Anspruchsvoraussetzungen (Art. 16b EOG)
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Für die Anspruchsberechtigung müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Das Kind muss lebensfähig geboren werden oder die Schwangerschaft muss mindestens 23 Wochen gedauert haben.
  2. Die Frau muss während neun Monaten vor der Niederkunft obligatorisch AHV-versichert gewesen sein. Diese Versicherungsdauer wird verhältnismässig herabgesetzt, wenn die Schwangerschaft kürzer gedauert hat (auf acht Monate bei einer Niederkunft vor dem 9. Schwangerschaftsmonat, sieben Monate bei einer Niederkunft vor dem 8. Schwangerschaftsmonat und sechs Monate bei einer Niederkunft vor dem 7. Schwangerschaftsmonat).
  3. Die Frau muss in dieser Zeit während mindestens fünf Monaten eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben.
  4. Die Frau muss im Zeitpunkt der Niederkunft erwerbstätig sein (Arbeitnehmerin, Selbständigerwerbende oder Mitarbeitende im Betrieb des Ehemanns).
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4.2 Beginn, Dauer und Höhe (Art. 16c f. EOG)
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Der Entschädigungsanspruch entsteht am Tag der Niederkunft und dauert 98 Tage (14 Wochen). Er endet vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise vorher wieder aufnimmt oder wenn sie stirbt.

Die Mutterschaftsentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet und beträgt 80 % des durchschnittlichen früheren Erwerbseinkommens, maximal jedoch 196 Franken pro Tag. Mit einem Monatseinkommen von 7350 Franken wird also bereits das maximale Taggeld erreicht.

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4.3 Aufschub
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Bei längerem Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes (mindestens drei Wochen kurz nach der Geburt) kann die Mutter beantragen, dass die Mutterschaftsentschädigung erst ausgerichtet wird, wenn das Kind nach Hause kommt, und die 98 Tage erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen.

Umstritten ist, ob die Arbeitgeberin während der Zeit, in der auf Wunsch der Arbeitnehmerin keine Mutterschaftsentschädigung fliesst (namentlich während der acht Wochen Arbeitsverbot nach der Niederkunft) eine Lohnfortzahlungspflicht nach Artikel 324a des Obligationenrechts trifft oder nicht. Die Lehrmeinungen scheinen sich für die Dauer des Arbeitsverbots im Sinne von Artikel 35a Absatz 3 des Arbeitsgesetzes im Wesentlichen für eine Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin nach Artikel 324a des Obligationenrechts auszusprechen, so auch ein erstinstanzliches Berner Urteil.

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4.4 Geltendmachung
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Bei Arbeitnehmerinnen macht die Arbeitgeberin die Mutterschaftsentschädigung bei der zuständigen AHV-Ausgleichskasse geltend. Ist das Arbeitsverhältnis auf den Zeitpunkt der Niederkunft hin durch eine Aufhebungsvereinbarung aufgelöst, kann die Mutter den Anspruch bei der Ausgleichskasse selber geltend machen. Die Arbeitgeberin bescheinigt dazu die Dauer des Arbeitsverhältnisses und den massgebenden Lohn. Die Anmeldung für eine Mutterschaftsentschädigung wird durch ein entsprechendes Formular, das bei der AHV-Ausgleichskasse bezogen werden kann, erleichtert.

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Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen des Sonderschutzes für Schwangere, Wöchnerinnen und Stillende
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  • Obligationenrecht (OR), Arbeitsvertragsrecht (Art. 319 ff.)
  • Arbeitsgesetz (ArG) inkl. Verordnung 1 (ArGV 1) und Verordnung des WBF über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Mutterschutzverordnung, MSV)
  • Erwerbsersatzgesetz (EOG) und Erwerbsersatzverordnung (EOV), Mutterschaftsentschädigung
  • Gleichstellungsgesetz (GlG), Diskriminierungsverbot wegen Schwangerschaft
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