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Die Rückerstattung der Verrechnungssteuer hat aufgrund von Praxisverschärfungen grundlegende Änderungen erfahren. Der Beitrag zeigt auf, unter welchen Voraussetzungen eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer gewährt wird, wenn die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte nachträglich deklariert werden.

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1. Gesetzliche Grundlagen
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Gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a VStG hat der Steuerpflichtige Anspruch auf Rückerstattung der ihm vom (Dividenden-)Schuldner abgezogenen Verrechnungssteuer, wenn er bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung das Recht zur Nutzung des den steuerbaren Ertrag abwerfenden Vermögenswerts besass und er bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung im Inland Wohnsitz hatte (Art. 22 Abs. 1 VStG). Laut Art. 23 VStG verwirkt der Steuerpflichtige den Rückerstattungsanspruch, wenn er mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte entgegen gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörden nicht angibt. Die Pflichten der ordnungsgemässen Deklaration stützen sich auf die Vorgaben von Art. 124 und Art. 125 DBG. Der Anspruch auf Rückerstattung erlischt gemäss Art. 32 Abs. 1 VStG, wenn der Antrag nicht innert drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die steuerbare Leistung fällig geworden ist, gestellt wird.

Der Wortlaut von Art. 23 VStG lässt einen gewissen Auslegungsspielraum offen. Nicht klar geregelt ist beispielsweise, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nachträgliche Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte zu einer Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs führt. Es stellt sich namentlich die Frage, ob dem Antragssteller im Zusammenhang mit einer nachträglichen Deklaration ein Verschulden vorgeworfen werden muss oder der Rückerstattungsanspruch generell zu versagen ist.

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2. Praxisentwicklung
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2.1 Verrechnungssteuergesetz
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3
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Art. 23 VStG ist am 1.1.1967 in Kraft getreten. Die Verrechnungssteuer wurde seinerzeit eingeführt, um einen Sicherungszweck zu erfüllen. Bezweckt wurde die Eindämmung der Hinterziehung von Kapitalertrag auf beweglichen Vermögen, Lotteriegewinnen und Versicherungsleistungen. Damals genügte es für den Rückerstattungsanspruch, wenn die Nachdeklaration der entsprechenden Einkünfte noch vor der Rechtskraft der betreffenden Veranlagung erfolgte. In der Regel wurden die Umstände, welche zur unterbliebenen Deklaration in der Steuererklärung führten, nicht geprüft.

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2.2 Bundesgerichtsentscheid vom 4.12.1996
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3
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Das Bundesgericht hatte sich im Jahre1996 mit einem Fall von geldwerten Leistungen zu befassen.1 Aktionäre hatten teilweise Einnahmen der Gesellschaft auf ein Konto fliessen lassen, welches in der Jahresrechnung der Gesellschaft nicht enthalten war. Ferner hatten die Aktionäre die Gelder dem Konto für private Zwecke entnommen. Im Rahmen einer Buchprüfung ist die Steuerbehörde auf diese geldwerten Leistungen gestossen und hat diese aufgerechnet. Ferner wurde auf diesen geldwerten Leistungen die Verrechnungssteuer erhoben. Ein Aktionär hat daraufhin die geldwerte Leistung im Rahmen eines korrigierten Verrechnungssteuerantrags deklariert und die Rückerstattung der Verrechnungssteuer beantragt. Das zuständige Steueramt hat die Rückerstattung mit der Begründung verweigert, dass die rechtzeitige Deklaration der Erträge in der Steuererklärung vorsätzlich oder gar in Betrugsabsicht unterblieben sei.

Das Bundesgericht hat festgehalten, dass der Hauptzweck der Verrechnungssteuer darin liegt, zur Deklaration der steuerbaren Erträge zu motivieren. Damit soll die Steuerhinterziehung verhindert werden. Wenn nun jemandem, der in Hinterziehungsabsicht die verrechnungssteuerbelasteten Erträge nicht deklariert, die Rückerstattung der Verrechnungssteuer gewährt wird, selbst wenn die nachträgliche Deklaration auf Intervention der Steuerbehörde erfolgt, würde der Steuerhinterziehung Tür und Tor geöffnet. Die steuerpflichtigen Personen könnten versucht sein, die Deklaration zu unterlassen und abzuwarten, ob die Steuerbehörden die Steuerhinterziehung entdecken. In diesem Fall könnte mit einer nachträglichen Deklaration dennoch die Verrechnungssteuer zurückgeholt werden. Weil dies nicht Sinn und Zweck der Verrechnungssteuerordnung sein kann, kann mit einer nachträglichen Deklaration keine Rückerstattung der Verrechnungssteuer erwirkt werden, falls die nicht rechtzeitige Deklaration der Erträge in der Steuererklärung vorsätzlich oder in Betrugsabsicht erfolgt ist. Damit schützte das Bundesgericht die damalige Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung.2

Mit diesem Urteil hat das Bundesgericht die Rückerstattungsmöglichkeiten bei einer nachträglichen Deklaration nur bei Steuerhinterziehungsfällen eingeschränkt. Eine Nachlässigkeit oder Unbeholfenheit führte noch nicht zur Verweigerung der Rückerstattung.

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2.3 Kreisschreiben Nr. 40
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3
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Das Bundesgericht hatte sich in zwei weiteren Urteilen3 erneut mit Art. 23 sowie den Voraussetzungen, welche zur Verweigerung des Verrechnungssteuerrückerstattungsanspruchs führen, beschäftigt. Darin hat das Bundesgericht die Ansicht vertreten, dass die Steuerbehörde von der Vorstellung ausgehen kann, dass der Steuerpflichtige seine Steuererklärung entsprechend seinen Deklarationspflichten richtig und vollständig ausgefüllt hat, und nur auf dieser Grundlage in den Genuss der Rückerstattung der Verrechnungssteuer kommen soll. Bis dato genügte es, dass der Steuerpflichtige verrechnungssteuerbelastete Einkünfte bis zur rechtskräftigen Veranlagung nachdeklarierte, wobei es keine Rolle spielte, ob der Steuerpflichtige die Nachdeklaration aus freien Stücken oder aufgrund einer Auflage des Steueramts vornahm.

Aufgrund dieser Entscheide hat die Eidgenössische Steuerverwaltung im Jahr 2014 die bisherigen Kreisschreiben Nr. 8 und Nr. 14 aus den Jahren 1978 und 1988 aufgehoben und durch ein neues Kreisschreiben Nr. 40 ersetzt, welches sich mit der Verwirkung des Anspruchs von natürlichen Personen auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer gemäss Art. 23 VStG beschäftigt.

Als ordnungsmässe Deklaration gilt gemäss Ziff. 3.1. des Kreisschreibens Nr. 40, wenn die entsprechenden Erträge in der ersten Steuererklärung, welche nach Fälligkeit der steuerbaren Leistung einzureichen ist, erfolgt.

Zur nicht ordnungsgemässen Deklaration und dadurch zu verweigernden Rückerstattung der Verrechnungssteuer hält das Kreisschreiben Nr. 40 in Ziff. 3.2. neu fest:

  • Die Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte erfolgt nach Eintritt der Rechtskraft der ordentlichen Veranlagung.
  • Die Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte erfolgt aufgrund einer Anfrage, Anordnung oder sonstigen Intervention der Steuerbehörde im Zusammenhang mit diesen Einkünften. Rein rechnerische Korrekturen von bereits deklarierten Erträgen durch die Steuerbehörde (Schreibfehler, Deklaration von Nettoerträgen, Anpassung von geschäftsmässig nicht begründeten privaten Unkostenanteilen der Beteiligungsinhaber, Bewertungsdifferenzen usw.) führen noch nicht zu einer Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs auf dem aufgerechneten Teilbetrag.
  • Die Deklaration der mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte durch die steuerpflichtige Person oder durch deren Erben erfolgt im Rahmen einer spontanen Selbstanzeige gemäss Art. 153a, Art. 175 Abs. 3 und 4 DBG sowie Art. 53a und Art. 56Abs. 1bis und 1ter des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14). Die Deklaration von mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünften nach Eintritt der Rechtskraft der ordentlichen Veranlagung gilt als nicht ordnungsgemässe Deklaration im Sinne vonArt. 23 VStG. Der Verzicht auf die Eröffnung eines Strafverfahrens im Bereich der direkten Steuern lässt den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht wieder aufleben.

Die beiden ersten Absätze beinhalten eine Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesgerichts. Dem Kreisschreiben ist im dritten Absatz indessen zu entnehmen, dass eine Selbstanzeige, die noch vor der Veranlagung eingereicht wird und vom Steueramt berücksichtigt werden kann, als gültige Deklaration behandelt wird. Die nachträgliche Deklarationsmöglichkeit wird folgendermassen eingeschränkt:

Diese Regel findet jedoch keine Anwendung, wenn die steuerpflichtige Person der Steuerbehörde Einkommens- oder Vermögensbestandteile vorsätzlich oder in Hinterziehungsabsicht nicht deklariert hat und dieser Umstand durch die Steuerbehörden entdeckt worden ist.

Eine Selbstanzeige, die nach Eintritt der Rechtskraft eingereicht wird, lässt den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht wieder aufleben.

In Ziffer 4 des Kreisschreibens wird neu festgelegt, dass die Gewährung des Meldeverfahrens durch die ESTV an eine verrechnungssteuerpflichtige Gesellschaft im Sinne von Art. 20 VStG und der Art. 24 ff. VStV die Leistungsempfängerin nicht von ihrer Pflicht entbindet, den Ertrag persönlich gemäss den Vorgaben des Kreisschreibens zu deklarieren. Es werden demnach die verschärften Rückerstattungsvoraussetzungen zur Grundlage des Meldeverfahrens statuiert.

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3. Bundesgerichtsentscheid vom 16.9.20154
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Dem Urteil des Bundesgerichts vom 16.9.2015 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Generalversammlung der X AG beschloss am 20.12.2011 die Ausschüttung einer Dividende von 374 000 CHF. A, der eine Beteiligung von 24% an der X AG hielt und im Verwaltungsrat der X AG Einsitz hatte, erhielt am 27.1.2012 eine Dividende von 89 760 CHF (24% der gesamten Dividende). A deklarierte diese im Januar 2012 ausbezahlte Dividende weder in der Steuererklärung 2011 noch in der Steuererklärung 2012. Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens gelangte die Steuerbehörde an A und forderte ihn auf, Angaben zu machen und Belege zur Dividende einzureichen, welche er am 27.1.2012 von der X AG erhielt. A teilte den Steuerbehörden mit, dass die Deklaration der infrage stehenden Dividende irrtümlich unterblieben sei und beantragte die Rückerstattung der auf der Dividende abgezogenen Verrechnungssteuer. Das Steueramt entschied, dass die Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht gewährt werden könne, weil A die Dividende nicht ordnungsgemäss in der Steuererklärung deklariert habe.

Das Bundesgericht berief sich in seinen Erwägungen auf seine konstante Rechtsprechung, wonach der Steuerpflichtige den Kapitalertrag, der mit der Verrechnungssteuer belastet wurde, sowie das Vermögen, aus dem er herrührt, in der ersten Steuererklärung nach der Fälligkeit des Ertrags anzugeben hat oder später ergänzende Auskünfte so rechtzeitig erteilen muss, dass sie vor der Rechtskraft der Veranlagung berücksichtigt werden können. Es rechtfertigte seine Rechtsprechung damit, dass die Steuerbehörde von der Vorstellung ausgehen kann, dass der Steuerpflichtige seine Steuererklärung entsprechend seinen Deklarationspflichten richtig und vollständig ausgefüllt hat.5

Gemäss dem Bundesgericht entfällt der Rückerstattungsanspruch, wenn die Nachdeklaration aufgrund einer Auflage des Steueramts erfolgt oder das Steueramt von Amts wegen korrigiert. Das Bundesgericht spricht vielmehr von «einer selbstständigen Nachdeklaration» durch den Steuerpflichtigen, die auf dessen Initiative zurückgehen muss. Es genügt also nicht mehr, der Steuerverwaltung erst im Nachhinein, wenn sie bereits Kenntnis z.B. einer Dividende erlangt hat, die entsprechenden ergänzenden Informationen über sein Vermögen zukommen zu lassen. Eine solche Situation schliesst die Rückerstattung der Verrechnungssteuer nach der Rechtsprechung aus.6

Das Bundesgericht hatte bisher die Frage nicht definitiv entschieden, ob ein dem Steuerpflichtigen vorwerfbares Verhalten erforderlich sei, um den Rückforderungsanspruch untergehen zu lassen. In verschiedenen Fällen hatte es aber bereits festgehalten, dass – wenn also ein Verschulden erforderlich sein sollte –, eine einfache Fahrlässigkeit genügen würde. Das Bundesgericht hielt nun in diesem Entscheid ausdrücklich fest, dass kein «Defraudationswille» erforderlich sei, damit Rückforderungsansprüche der Verrechnungssteuern verwirken. A habe das Protokoll der Generalversammlung unterzeichnet und die Dividende dann in zwei aufeinander folgenden Steuererklärungen nicht deklariert. Ein solches Verhalten stellt eine erhebliche Sorgfaltsverletzung dar. Selbst in Fallkonstellationen, wo eine Hinterziehungsabsicht wohl ausgeschlossen werden könne, werde der Anspruch auf Rückforderung der Verrechnungssteuer verwirkt, wenn keine korrekte Deklaration erfolgt.7

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4. Beurteilung
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Das Bundesgericht schützt die Verweigerung der Rückerstattung der Verrechnungssteuer, wenn eine Nachdeklaration erst auf eine Anfrage der Steuerbehörden erfolgt. Ob diesbezüglich eine Hinterziehungsabsicht vorauszusetzen ist, hat das Bundesgericht klar verneint. Die Frage des vorwerfbaren Verhaltens ist bedeutungslos geworden. Andernfalls hätte das Bundesgericht der Verschuldensfrage ein anderes Gewicht beigemessen.

Weiter ist zu bemerken, dass das Bundesgericht die Sorgfaltspflichtverletzung einerseits mit der Protokollunterzeichnung von A sowie der unterbliebenen Deklaration der Dividende in den Steuererklärungen begründet. Sofern die fehlende Deklaration in Zukunft reichen sollte, um eine Sorgfaltspflichtverletzung nachzuweisen, so wird es selbst bei Nachlässigkeiten, Unbeholfenheit oder Irrtum nicht mehr möglich sein, eine Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei einer nachträglichen Deklaration zu erreichen.

Das Bundesgericht rechtfertigt seine Rechtsprechung mit den Bedürfnissen der Massenverwaltung, welche gebieten, dass sich die Steuerbehörden an die Steuererklärung mit den Beilagen und eine allfällige Erklärung halten können, die der Steuerpflichtige den Steuerbehörden nachträglich hat zukommen lassen, um die Steuererklärung zu vervollständigen oder zu korrigieren. Das trifft immer dann nicht zu, wenn das Steueramt aufgrund bereits vorhandener Informationen oder auch aufgrund einer Rückfrage einerseits die Steuerfaktoren auf Vermögensertrag bei der Veranlagung der direkten Steuern korrigiert, anderseits den damit verbundenen Rückerstattungsanspruch verweigert. Die Verweigerung der Rückerstattung in solchen Fällen ist im System der gemischten Veranlagung bzw. aufgrund der Kooperationsmaxime nicht zu verstehen.

Der Wortlaut von Art. 23 VStG scheint der Steuerverwaltung und dem Bundesgericht Recht zu geben: die Rückerstattung wird an die Deklaration geknüpft. Die Sanktion der Bestimmung ist aber aussergewöhnlich hart: Wer mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte oder Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, entgegen gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörde nicht «angibt», verwirkt den Anspruch auf Rückerstattung. Mit der Einführung der Verrechnungssteuer wurde seinerzeit die Eindämmung der Hinterziehung von Kapitalertrag auf beweglichem Vermögen, Lotteriegewinnen und Versicherungsleistungen bezweckt. Es darf also auch heute noch zwischen Versehen und effektiver Hinterziehung unterschieden werden. Eine Verwirkungsfolge bei effektiver Hinterziehung entspricht dem Gesetz, eine versehentliche Nichtdeklaration sollte die Rückerstattung wenigstens bis Eintritt der Rechtskraft erlauben.

Das blosse Versehen bzw. die amtliche Entdeckung noch vor der spontanen Deklaration führt nach dem Verrechnungssteuergesetz auch sonst nicht einfach zur Verwirkung. Insbesondere die amtliche Entdeckung einer unvollständigen Deklaration ist nach dem Verrechnungssteuergesetz in nachstehenden Konstellationen unerheblich, das Verrechnungssteuerrecht gestattet diesfalls dennoch die Rückerstattung:

  • Wird die Verrechnungssteuer erst aufgrund einer Beanstandung der Eidgenössischen Steuerverwaltung entrichtet und überwälzt und ist die Frist gemäss Art. 32 Abs. 1 VStG bereits abgelaufen (oder verbleiben von der Entrichtung der Steuer bis zu ihrem Ablauf nicht mindestens 60 Tage), so beginnt mit der Entrichtung der Steuer eine neue Frist von 60 Tagen zur Einreichung eines Antrags (Art. 32 Abs. 1 VStG).
  • Art. 24 Abs. 1 lit. a VStV erlaubt der Gesellschaft oder Genossenschaft die Erfüllung der Steuerpflicht durch blosse Meldung, wenn die anlässlich einer amtlichen Kontrolle oder Buchprüfung geltend gemachte Steuer eine Leistung betrifft, die in einem Vorjahr fällig geworden ist.

Das Verrechnungssteuergesetz wurde – wie erwähnt – als Sicherungssteuer geschaffen, nicht aber als Instrument gegen das versehentliche Nichtdeklarieren. Die gesetzliche Vorschrift, wonach der Steuerpflichtige den Rückerstattungsanspruch verwirkt, wenn er mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte entgegen gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörden nicht angibt (Art. 23 VStG), ist in ihrer auffälligen Schärfe gegen die Steuerhinterziehung gerichtet. Der Anspruch auf Rückerstattung erlischt ohnehin, wenn der Antrag nicht innert drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die steuerbare Leistung fällig geworden ist, gestellt wird (Art. 32 Abs. 1 VStG). Diese zweite, hohe Schwelle ist nur dann notwendig, wenn auch das versehentliche Nichtdeklarieren letztlich eine Sanktion erfahren soll und wäre gar nicht mehr notwendig, wenn bereits das versehentliche Nichtdeklarieren zum Untergang des Rückerstattungsanspruchs führen würde. Die vom Kreisschreiben getroffenen Unterscheidungen stehen im Widerspruch zu dem vom Verrechnungssteuergesetz geschaffenen System der gestaffelten Verwirkung.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist nicht so konstant, wie das höchste Gericht geltend macht. In BGE 113 Ib 128 bestätigte das Bundesgericht den Rückerstattungsanspruch gegenüber einem Steuerpflichtigen, der wegen Nichteinreichens der Steuererklärung nach Ermessen eingeschätzt wurde, und seine Verrechnungssteuern erst nach Rechtskraft der Veranlagung zurückforderte, soweit bei der amtlichen Einschätzung in entsprechendem Umfang Wertschriftenvermögen und daraus fliessender Ertrag berücksichtigt wurden. Die Rückerstattung blieb aber auch gemäss diesem Entscheid ausgeschlossen, wenn dem Pflichtigen Verheimlichungsabsicht vorzuwerfen war. Bemerkenswert an diesem Entscheid ist die Tatsache, dass der Steuerpflichtige seine Deklarationspflicht vollumfänglich verletzt und dass er den Rückerstattungsanspruch sogar nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung geltend gemacht hatte. Zwar spricht das Bundesgericht zu seiner Rechtfertigung von einem «Spezialfall», dadurch wird seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs jedoch nicht kohärent. Vielmehr hatte das Bundesgericht seinerzeit die Rückerstattungsvoraussetzungen über den gesetzlichen Wortlaut hinaus erweitert, während es mit seiner neuen Rechtsprechung eine Einengung gutheisst, die nicht nötig gewesen wäre. Weil das Bundesgericht von einer konstanten Rechtsprechung ausgeht, hat es auch nicht darauf hingewiesen, dass es damit eine Praxisänderung vollzogen hat.

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5. Fazit
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Die Verrechnungssteuer wurde eingeführt, um einen Sicherungszweck zu erfüllen. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die heutige Praxis dieser Ursprungsidee noch nachkommt. Hinzu kommt, dass bei der Deklaration von Beteiligungsrechten die Steuerbehörden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln leicht prüfen können, ob die Gesellschaft eine Dividende ausgeschüttet hat. Das Bundesgericht hat zwar in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass sich die Steuerbehörden in erster Linie auf die Deklaration in der Steuererklärung verlassen können. Infolge des Massenverwaltungsverfahrens ist es nicht die Aufgabe der Steuerbehörden, sämtliche zur Verfügung stehenden Informationen von sich aus zu prüfen. Tatsache ist jedoch, wie die Praxisfälle zeigen, dass dies gemacht wird und eine blosses «Vergessen» der Deklaration zu Verlust der Verrechnungssteuer führt, wenn die Nachdeklaration nicht aus eigenem Antrieb erfolgt. Mit der geänderten Rechtsprechung wurde die Praxis zum ausreichend strengen Konzept des Verrechnungssteuergesetzes verschärft, ohne dass sich dafür eine zwingende Begründung finden lässt.

Die Änderung der Rechtsprechung ist (selbstverständlich) zu beachten. Bei der Vorbereitung einer Steuererklärung wird die Prüfung des Rückerstattungsanspruchs zur Chefsache. Werden allfällige Dividenden und Vermögenserträge seriös abgeklärt, dann lassen sich die Folgen der Praxisverschärfung auch in der Praxis handhaben. Ebenso ist immer die Eventualität einer Selbstanzeige zu prüfen.

Es steht eine Revision der Verrechnungssteuerordnung an. Es wird mit Interesse zu beobachten sein, ob die bisherige Praxis Bestand haben wird, oder ob der Gesetzgeber Korrekturen anbringt.

De lege ferenda ist eine Ergänzung von Art. 23 VStG zu prüfen. Die Rückerstattungsvoraussetzungen sind entsprechend dem System der gemischten Veranlagung bzw. der Kooperationsmaxime anzupassen. Keine Verwirkungsfolge sollte eintreten, wenn die Steuererklärung noch vor Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung korrigiert werden kann und der Tatbestand der Hinterziehung nicht erfüllt oder im Falle einer Steuerhinterziehung eine Selbstanzeige gültig erstattet worden ist.

Nach Eintritt der Rechtskraft der Veranlagung entfällt ein Rückerstattungsanspruch. Diesean sich harte Konsequenz ist schon mit Blick auf die kurze Verwirkungsfrist von Art. 32 Abs. 1 VStG zu akzeptieren.

Text
  1. ASA 66, 166 ff.
  2. Kreisschreiben Nr. 8 vom 8.12.1978
  3. BGE 2C_95/2011 vom 11.10.2011 sowie BGE 2C_80/2012 vom 16.1.2013
  4. BGE 2C_85/2015 vom 16.9.2015
  5. BGE 2C_95/2011 vom 11.10.2011, Erw. 2.1.
  6. BGE 2C_95/2011 vom 11.10.2011, Erw. 3.4.
  7. BGE 2C_95/2011 vom 11.10.2011, Erw. 3.4 mit weiteren Hinweisen.
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