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Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag soll einer Totalrevision unterzogen werden. Ein Entwurf wurde im letzten Jahr den interessierten Kreisen zur Vernehmlassung unterbreitet. Darin ist eine Bestimmung enthalten, welche an BGE 132 III 460 zu den Retrozessionszahlungen anknüpft: Der Makler soll zwingend vom Kunden entschädigt werden und Gelder, die er vom Versicherungsunternehmen erhält, dem Kunden herausgeben müssen. Der Gesetzgeber scheint einen Paradigmenwechsel vom auf der Bezahlung von Courtagen basierenden Modell hin zur Honorarberatung erzwingen zu wollen und tritt damit eine Reise in zunehmende Rechtsaufsplitterung an.

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1. Spielt BGE 132 III 460 bzw. Art. 400 Abs. 1 OR für Versicherungsmakler überhaupt eine Rolle?
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1.1 Ablieferungspflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR
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Nach Art. 400 Abs. 1 OR hat der Beauftragte dem Auftraggeber alles, was ihm infolge des Auftrags zugekommen ist, zu erstatten. In BGE 132 III 460 hatte das Bundesgericht entschieden, dass der Beauftragte bspw. Rabatte und Provisionen dem Auftraggeber herausgeben müsse. Retrozessionen unterliegen ebenfalls dieser Ablieferungspflicht (vgl. Art. 400 Abs. 1 OR). Der Vermögensverwalter, der von einer Bank Retrozessionen erhält, hat diese somit dem Kunden herauszugeben.

Im Bankgeschäft spricht man von Retro­­zessionen, wenn eine Bank eine für ihre Tätigkeit vereinnahmte Kommission, insbesondere Courtagen, dem externen Vermögensverwalter weitergibt. Auch in der Assekuranz sind ähnliche Vergütungsmodelle für Broker verbreitet: Der Versicherungsnehmer bezahlt dem Versicherer eine Prämie, von welcher der Versicherer einen Teil an den Makler als Courtage weiterleitet.1 Fraglich ist, ob der Makler/Broker diese Gelder eigentlich an den Kunden weiterleiten müsste.

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1.2 Kommt die Ablieferungspflicht von Art. 400 OR überhaupt zum Tragen?
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Ein Versicherungsbroker erbringt Beratungsdienstleistungen und schliesst dabei u.a. für den Kunden Versicherungen ab.2 Der Broker ist im Interesse des Versicherungsnehmers tätig und deshalb verpflichtet, dessen Interessen zu wahren. Seine eigenen Interessen muss er ­zugunsten des Versicherungsnehmers zurückstellen.3

Der Vertrag zwischen Broker und Versicherungsnehmer wird als sogenannter Innominatvertrag qualifiziert, der Elemente des Werkvertrags, des Auftrages und des Mäklervertrages enthält.4 In der Lehre wird argumentiert, dass für die durch den Broker zu beachtende Sorgfalt die Vorschriften über den einfachen Auftrag und insbesondere Art. 398 und 400 OR Anwendung finden.5

Der Vertrag zwischen dem Kunden und dem Makler weist somit auftragstypische Elemente auf – allerdings auch andere Elemente. Dies unterscheidet die Situation des Versicherungsmaklers von jener des externen Vermö­gensverwalters. Der Vermögensverwaltungsvertrag qualifiziert sich als Auftrag – der Versicherungsmaklervertrag nicht zwingend. Steht bei einem konkreten Vertrag mit einem Versicherungs­broker ein zu erreichender Erfolg im Vordergrund, so treten werkvertragliche Komponenten hervor. In solchen Fällen ist fraglich, ob Art. 400 OR greift. Wenn aber das auftragsrechtliche Element überwiegt, kann Art. 400 OR und damit die Ablieferungspflicht durchschlagen.

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1.3 Sinn und Zweck der Regelung von Art. 400 OR
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Die Ablieferungspflicht bezweckt u.a. die Unterbindung von Interessenskonflikten: Wenn der Beauftragte weiss, dass er alles, was er von Dritten erhält, dem Auftraggeber überlassen muss, wird sichergestellt, dass sich der Beauftragte nicht von eigenen Gewinninteressen leiten lässt. Im Prinzip gilt: Gefahr des Interessenskonflikts führt zur Ablieferungspflicht.

Interessenskonflikte können auch beim Broker vorliegen: Wird der Broker im Rahmen eines Incentive-orientierten Courtagesystems durch den Versicherer entschädigt, so wird ein finanzieller Anreiz geschaffen, der zu einem möglichen Interessenskonflikt zwischen Broker und Kunde führen kann.6 «Es besteht die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer als Klient des Brokers unfair behandelt wird, d.h. dass die aus der Brokervereinbarung erwachsenden Pflichten verletzt werden könnten.»7

Dieser Grund spricht – wenn man die Ablie­ferungspflicht als Regulativ zur Unterbindung von Interessenskonflikten auffasst – dafür, dass Art. 400 OR auch beim Broker zur Anwendung gelangen soll, damit Konflikte unterbunden ­werden.

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1.4 Verzicht des Kunden oder Ablieferung?
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Aufgrund dieser Überlegungen kann gesagt werden, dass die in BGE 132 III 460 entwickelten Grundsätze wohl auch für den Broker «eine Rolle» spielen.

In der Lehre wird dies aber bezweifelt und es wird angeführt, dass BGE 132 III 460 für den Fall des Versicherungsbrokers keine Bedeutung habe:8 Im Gegensatz zum Versicherungsbroker werde der unabhängige Vermögensverwalter von seinem Vertragspartner bzw. Auftraggeber, dem Anlagekunden, direkt entschädigt. In BGE 132 III 460 ff. sei ausschliesslich die Frage, wem die Zusatzentschädigungen gehören, mit denen die Depotbank den unabhängigen Vermögensverwalter für das ihr zugeführte ­Anlagevolumen zusätzlich entschädige, zur ­Diskussion gestanden.

In BGE 134 III 460 hatte das Bundesgericht über die Herausgabe von sogenannten Finder’s Fees entschieden. Finder’s Fees werden von der Depotbank ausgerichtet, wenn der Ver­mögensverwalter der Bank Neugeld, mithin zusätzliches Anlagevolumen, zuführt. Die Gelder unterliegen gemäss Bundesgericht der Ablieferungspflicht.

Im genannten Entscheid hat das Bundesgericht aber v.a. entschieden, dass Retrozessio­nen an den Kunden abzuliefern sind. Retrozessionen fallen bei vom Vermögensverwalter aufgegebenen Börsenaufträgen sowie bei Devisengeschäften9 an. Typischerweise werden solche Retrozessionen zulasten des Ertragskontos der Bank ausgerichtet. Die Bank überlässt bei der Retrozession dem Vermögensverwalter einen Teil des von der Bank erzielten Kommissionsertrags aus den vom Vermögensverwalter für den Kunden getätigten Börsengeschäften. Die Bank gibt dem Vermögensverwalter einen Teil des generierten Ertrags weiter: Der Kunde zahlt eine Courtage an die Bank (Ertrag); einen Teil des Ertrags gibt die Bank dem Vermögensverwalter. Wirtschaftlich betrachtet erhält der Vermögensverwalter dieses «zusätzliche» Entgelt vom Kunden.

In BGE 124 III 481 wurde im Zusammenhang mit der Entschädigung des Versicherungs­maklers festgestellt: «Ausserdem dürfte den Parteien bekannt sein, dass die Vergütung wirtschaftlich vom Versicherungsnehmer stammt, wenn […] die geschuldete Maklerentschädigung im Verhältnis zur Höhe der Prämien­einnahmen festgelegt wird […]. Der Versicherungsmakler übt seine Tätigkeit somit keineswegs unentgeltlich aus, sondern handelt in der Erwartung, dass ihm die Versicherung, mit der er das für seinen Mandanten günstigste Angebot aushandeln soll, eine Beteiligung an den Prämieneinnahmen (Cour­tage) verspricht, mit deren Ausrichtung sich der Versicherungsnehmer einverstanden erklärt.»

Nach der hier vertretenen Auffassung liegen Retrozessionen und an Broker bezahlte Courtagen wirtschaftlich betrachtet nahe beieinander, sodass die in BGE 134 III 460 entwickelten Grundsätze – wenn im Vertrag zwischen Broker und Kunde Art. 400 OR zur Anwendung gelangt – eigentlich greifen müssen. Richtig ist, dass der Vermögensverwalter vom Kunden in der ­Regel direkt ein Entgelt erhält. Die Ablieferungspflicht steht damit aber nicht im Zusammenhang. Die Ablieferungspflicht ergibt sich aus Art. 400 OR und findet unabhängig, ob nun ein Honorar im Sinne von Art. 394 Abs. 3 OR vereinbart wurde oder nicht, Anwendung. Auf den Umstand, ob eine direkte oder indirekte Zahlung erfolgt, kann es nicht ankommen.

Festzustellen ist, dass der Kunde des Vermögensverwalters auf die Herausgabe von Retrozessionen verzichten kann. Damit hat er es ­faktisch in der Hand, das Honorar des Vermögensverwalters zu erhöhen. Dies kann auch der Kunde des Brokers tun: Verzichtet der Versicherungsnehmer auf die Ablieferung, so überlässt er dem Broker die Gelder, die dieser von der Versicherung im Zusammenhang mit dem Auftrag erhält. Notwendig hierzu ist aber – wie dies das Bundesgericht festgestellt hat – das Einverständnis des Kunden. Welche Anforderungen an diese Einverständniserklärung zu stellen sind (genügt bspw. auch Stillschweigen?), ist offen.

Es liegt daher nahe, die in BGE 132 III 460 entwickelten Grundsätze auch auf den Versicherungsmakler anzuwenden. Davon scheint letztlich auch der Gesetzgeber auszugehen, der mit Art. 68 VE-VVG eine Norm zwecks Umsetzung der Grundsätze von BGE 132 III 460 vorgeschlagen hat.

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2. Wie geht es nun weiter?
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2.1 Eingriff in die Privatautonomie
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Der Entwurf für das neue VVG sieht in Art. 68 ­VE-VVG vor, dass Versicherungsnehmer den Broker zwingend zu entschädigen haben. Der Broker hat ihm vom Versicherer zugekommene Provisionen, die mit dem vermittelten Vertrag zusammenhängen, an Kunden abzuführen. Der Kunde kann aber auf die Herausgabe verzichten, soweit die Leistung an die Entschädigung, die der Kunde dem Broker zu bezahlen hat, anzurechnen ist. Der Verzicht hat schriftlich zu erfolgen.

Nicht geregelt wird die Frage, was mit vom Broker vereinnahmten Geldern zu geschehen hat, die nicht an die Entschädigung anzurechnen sind. Solange diese Frage nicht zwingend ge­regelt wird, würde möglicherweise die Ablieferungspflicht von Art. 400 Abs. 1 OR greifen. Nach dem Erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage sollen diese Gelder aber beim Broker bleiben.10

Mit der Regelung wird normiert, dass der Broker immer zu entschädigen ist. Der Kunde kann somit nicht argumentieren, dass die Ablieferungspflicht im Sinne von Art. 400 Abs. 1 OR greift, und gleichzeitig geltend machen, dass in Ermangelung einer Abrede im Sinne von Art. 394 Abs. 3 OR ein unentgeltlicher Auftrag vorliege. Gleichzeitig verpflichtet die Bestimmung zur Transparenz, muss doch ein schriftlicher Verzicht abgegeben werden.

Anderseits schränkt die Regelung die Parteien eines privatrechtlichen Vertrags ein: Einerseits wird ein Formerfordernis (Schriftlichkeit) aufgestellt, und andererseits wird den in das Dreiecksverhältnis involvierten Parteien (Kunde, Broker, Versicherer) ein Entschädigungsmodell aufoktroyiert. Dies wird in der Lehre bemängelt und als Eingriff in die verfassungsmässig geschützte Wirtschaftsfreiheit und die Privatautonomie gewertet.11

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2.2 Schaffung von Sonderrecht
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2.2.1 Umfassende Regelung des ­Obliga­tionenrechts
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Das schweizerische Privatrecht ist massgebend im ZGB normiert. Dieses regelt im fünften Teil, dem OR, die Vertragsverhältnisse. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und der Lehre bildet das OR ein umfassendes, (mehrheitlich) in sich stimmiges, ausgewogenes System und bewahrt die Privatautonomie.

Im OR findet sich auch Art. 400 Abs. 1. Dieser Artikel regelt die Rechenschafts- und Ablieferungspflicht. Die Ablieferungspflicht ist dispositiver Natur. Wie und wann der Auftraggeber auf die Ablieferung verzichten kann, wie und wann Rechenschaft abzulegen ist, bleibt den Parteien überlassen oder ist aufgrund von Bestimmungen des Allgemeinen Teils des OR (bspw. stillschweigende Annahme, Formvorschriften, Auslegung und Inhalt von Verträgen usw.) zu ermitteln.

Im Bereich des Privatrechts gilt das OR grundsätzlich für alle Rechtssubjekte in gleicher Weise.

Nun ist festzustellen, dass der Gesetzgeber und die Exekutive (!) vermehrt Regelungen erlassen, die sich mit der im Art. 400 Abs. 1 OR geregelten Rechenschafts- und Ablieferungspflicht direkt oder indirekt befassen und nur bestimmte Branchen betreffen.

Im Versicherungsbereich findet sich bspw. in BVV 2, also einer Verordnung, eine Bestimmung (Art. 48g), wonach Vermögensverwalter, die Vorsorgevermögen verwalten, schriftlich zu erklären haben, ob sie Retrozessionen eingenommen haben. Der Vermögensverwalter wird somit verpflichtet, in einer bestimmten Form Rechenschaft abzulegen. Die Finma hat ein Rundschreiben «Eckwerte zur Vermögensverwaltung» erlassen. Die dortigen Randziffern 27–31 («Entschädigung des Vermögensverwalters») enthalten letztlich eine Art. 400 Abs. 1 OR ergänzende bzw. gar abweichende Regelung. In Art. 21 KAG wird festgehalten, dass Retrozessionen der kollektiven Kapitalanlage zuzuschreiben sind. Die dispositive Bestimmung von Art. 400 Abs. 1 OR, die auch eine andere Lösung zuliesse, wird übersteuert. Ferner kennt das KAG den Grundsatz der Gleichbehandlung der Anleger. Eine Herausgabe von Retrozes­sionen an Anleger, die über einen Ablieferungsanspruch verfügen, scheint diesem Grundsatz zu widersprechen, solange andere Anleger, die – infolge Fehlens eines Vermögensverwaltungsauftrages – keinen solchen Anspruch geltend machen können. Das KAG scheint somit ein vom OR abweichendes Sonderprivatrecht zu normieren, das nur auf bestimmte Rechtssubjekte Anwendung findet.

Diese Erlasse greifen in das im OR durch Art. 400 OR normierte Regulativ ein. Für einzelne Wirtschaftsbereiche wird ein Sonder­privatrecht bzw. ein Sonderverwaltungsrecht geschaffen.

Der Entwurf des VVG geht in die gleiche Richtung: Eigentlich ist die Angelegenheit in Art. 400 OR geregelt. Nun soll ein Sonderprivatrecht geschaffen werden, welches Broker, Versicherungsnehmer und Versicherer vom Anwendungs­bereich des OR «ausnimmt». Staatspolitisch scheint es nicht unbedenklich, einzelne Personen bzw. ganze Branchen einem Sonderrecht zu unterstellen, während für andere ein anderes, «normales» Recht gilt. Diese Problematik wird noch verstärkt, wenn zunehmend von der Exekutive erlassene Regelungen das Privatrecht verdrängen.

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2.2.2 Warum überhaupt eine Sonder­regelung?
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Fraglich ist zudem, warum Retrozessionen und Provision in besonderen Erlassen geregelt werden müssen: Für die Regulierung von Interessenskonflikten besteht heute das durch Art. 400 OR normierte System. Weshalb es eine zusätzliche Regelung braucht, ist unklar.

Art. 400 OR sieht zur Unterbindung von Inte­ressenskonflikten die Ablieferungspflicht vor. Der Kunde kann aber auf die Ablieferung ­verzichten. In der Praxis bedeutet dies etwa ­Folgendes:

Der Broker, der für seine Bemühungen entschädigt werden will und sein Geld vom Versicherer erhält, wird mit dem Kunden vereinbaren, dass der Kunde auf die Ablieferungspflicht verzichtet. Sonst riskiert er, dass er seinen Lohn verliert. Der Broker, der keine Transparenz will und nichts vereinbart, trägt das Risiko, dass ihm der Kunde das Geld, gestützt auf Art. 400 OR, wegnimmt. Misst man der unzulässigen Ein­behaltung solcher Gelder noch eine strafrechtliche Komponente bei12, so hat er noch ein anderes Risiko. Der «normale» Broker wird die Angelegenheit daher vertraglich transparent regeln.

Es fragt sich daher, ob überhaupt noch eine weitere Regelung der Angelegenheit nötig ist.

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2.3 Änderung des Auftragsrechts anstelle von Korrekturen mittels Sonderrecht
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Letztlich gewinnt man anhand der Entwicklung im Finanz- und Versicherungsbereich den Eindruck, dass das in Art. 400 OR vorgesehene ­Regulativ zur Vermeidung von Interessenskonflikten speziell für diese Branchen nicht mehr passt und man bestrebt ist, eine Lösung zu finden, die anstelle der Ablieferung auf Trans­parenz als Regulativ setzt:

Bis heute scheint ungelöst, welche Gelder oder Zuwendungen der Ablieferungspflicht nun genau unterliegen. In der Theorie unterliegt der Ablieferungspflicht «alles, was [dem Beauftragten] infolge [des Auftrages] aus irgendeinem Grunde zugekommen ist». Diese Formel ist in der heutigen Zeit kaum mehr tauglich. Die Wirtschaft ist geprägt von zunehmender Arbeits­teilung und vom Massengeschäft. Dies führt häufig dazu, dass ein Beauftragter «von zwei Seiten» entschädigt wird. In der Finanzbranche ist es zudem kaum möglich, Gelder, die z.B. im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Fondsanteilen ausgerichtet werden, einem bestimmten Kundenauftrag zuzuordnen. Auch in der Versicherungsbranche dürfte es im Massen­geschäft kaum möglich sein, Leistungen, die einem Broker «indirekt» zukommen, abschlies­send einem bestimmten Auftrag (und somit der Ablieferungspflicht an den bestimmten Kunden) zuzuordnen. Noch schwieriger wird die Abgrenzung in Bezug auf Zuwendungen, die nicht (nur) finanzieller Natur sind, wie bspw. das Zurverfügungstellen von Softwareprogrammen oder von Weiterbildungsangeboten usw. Hier scheint die Ablieferungspflicht als Regulativ ­gar zu versagen.

Anstelle des Erlasses von Vorschriften würde sich deshalb eine Revision des Auftragsrechts aufdrängen. Möglicherweise wäre eine allgemeine Pflicht des Beauftragten zur Transparenz, d.h. den Auftraggeber unaufgefordert über mögliche Interessenskonflikte aufzu­klären, die bessere Lösung als die heutige ­Ablieferungspflicht mit den «unscharfen» Abgrenzungskriterien.

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3. Ausblick: Entschädigungsmodelle, Interessenskonflikte und Transparenz
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Betrachtet man die Entwicklung über die letzten Jahre, so ist ein klarer Trend zur Transparenz festzustellen. Jeder Beauftragte, sei es nun der Treuhänder, der Broker, der Vermögensverwalter, der Anwalt oder der Wirtschaftsberater, ist gut bedient, wenn er transparente Verhältnisse schafft. Entschädigungsmodelle sind – soweit möglich – transparent offenzulegen, um Probleme zu verhindern.

Weiter ist auch ein Trend zu erkennen, dass von Aufsichtsbehörden wie auch vom Gesetzgeber vermehrt auf die Beseitigung oder Kontrolle von Interessenskonflikten gedrängt wird. Auch hier ist der Beauftragte gut bedient, wenn er organisatorische Massnahmen trifft, um derartige Konflikte zu unterbinden. Ist das nicht möglich, so soll er die möglichen Konflikte transparent machen.

Ob die auf Provisionen und Courtagen basierenden Modelle in der Zukunft von der reinen Honorarberatung abgelöst werden, ist schwer zu sagen. Solange die Ablieferungspflicht als Lösung von Interessenskonflikten ein Regulativ bildet, sind Entschädigungsmodelle, die nicht auf Direktzahlung durch den Kunden basieren, mit Rechtsunsicherheiten und Risiken behaftet. Ansätze, wonach der Gesetzgeber das Auftragsrecht revidiert und in eine zeitgemässe Regelung überführt, sind nicht zu erkennen. Stattdessen scheint er zunehmend Speziallösungen für gewisse Branchen anzustreben. Dies ist ­jedoch ein Schritt in eine ungewisse, problematische Richtung.

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  1. Vgl. dazu Stephan Fuhrer, Anmerkungen zum Urteil 4C.434/2005, in: HAVE 2006 S. 357 ff.
  2. Vgl. dazu Berufsbild der Swiss Insurance Brokers ­Association, available at www.siba.ch/pdf/SIBA_Berufsbild_D.pdf.
  3. Vgl. Markus Müller-Chen/Felix Uhlmann, Zusammenarbeitsverträge zwischen Versicherern und Brokern, in: HAVE 2005 S. 224.
  4. Vgl. Markus Müller-Chen/Felix Uhlmann, a.a.O., S. 225; vgl. zum Ganzen auch Helmut Studer, Die Rechtsstellung des Versicherungsbrokers.
  5. Vgl. Markus Müller-Chen/Felix Uhlmann, a.a.O., S. 225.
  6. Vgl. Markus Müller-Chen/Felix Uhlmann, a.a.O., S. 228 ff.
  7. Vgl. Markus Müller-Chen/Felix Uhlmann, a.a.O., S. 229.
  8. Vgl. Moritz W. Kuhn, Die Entschädigung des ungebundenen Versicherungsvermittlers bzw. Versicherungsbrokers im schweizerischen Recht, in: Gedanken zur Freiheit, FS Hans Giger zum 80. Geburtstag, hrsg. von Walter Barfuss et al.
  9. Vgl. Werner De Capitani, Retrozessionen an externe Vermögensverwalter, in: FS Chapuis, hrsg. von Margelisch et al., S. 26.
  10. Vgl. Revision des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) – Erläuternder Bericht zur Ver-nehmlassungsvorlage S. 64.
  11. Vgl. Moritz W. Kuhn, a.a.O., S. 442.
  12. Vgl. Marc Engler, Retrozessionen aus strafrechtlicher Sicht, in: Der Schweizerische Treuhänder, 3/2010, S. 137.
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