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Der Anspruch des Auftraggebers auf Herausgabe von Retrozessionen, die dem Beauftragten von Dritten zugeflossen sind, unterliegt einer Verjährungsfrist von zehn Jahren. Die Verjährung beginnt für jede einzelne Retrozession an dem Tag zu laufen, an dem sie der Beauftragte erhalten hat.

Eine internationale Organisation hatte 1994 ein Unternehmen mit der Entwicklung und Organisation eines Versicherungskonzepts beauftragt. In der Folge schloss die Auftraggeberin über die Beauftragte Verträge mit verschiedenen Versicherungsgesellschaften ab. 2005 erlangte die Auftraggeberin Kenntnis davon, dass ein gewisser Prozentsatz der von ihr bezahlten Prämien von den Versicherungen an die Beauftragte zurückgeflossen war. Die Auftraggeberin löste das Auftragsverhältnis mit sofortiger Wirkung auf und forderte 2006 von der Beauftragten die Herausgabe dieser als sogenannte «Retrozessionen» geltenden Rückvergütungen. Diese stellte sich auf den Standpunkt, dass der Herausgabeanspruch des Auftraggebers einer Verjährungsfrist von nur fünf Jahren unterliege und somit für die vor 2001 erhaltenen Zahlungen verjährt sei. Das Genfer Obergericht entschied 2016, dass die Verjährungsfrist zehn Jahre betrage und erst bei Beendigung des Auftragsverhältnisses zu laufen beginne. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der beauftragten Unternehmung teilweise gut. Es erinnert in seinem Entscheid zunächst daran, dass (mangels anderslautender Vereinbarung) der Beauftragte verpflichtet ist, im Rahmen des Auftragsverhältnisses von Dritten erhaltene Retrozessionen an den Auftraggeber herauszugeben. Gemäss Obligationenrecht (OR) beträgt die ordentliche Verjährungsfrist für Forderungen zehn Jahre (Artikel 127 OR). Eine Verjährungsfrist von nur fünf Jahren gilt für periodische Leistungen wie Miet- und Kapitalzinsen (Artikel 128 Ziffer 1 OR). Der Anspruch auf Herausgabe von Retrozessionen stellt keine solche periodische Leistung aus einem Dauerschuldverhältnis dar. Vielmehr entsteht der Herausgabeanspruch des Auftraggebers aus der Tatsache, dass der Beauftragte die Retrozession von Dritten erhalten hat. Jede einzelne Herausgabeverpflichtung des Beauftragten beruht damit auf einer separaten Grundlage, weshalb bei Retrozessionen die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren zur Anwendung kommt. Zu laufen beginnt diese Frist entgegen der Ansicht der Vorinstanz jedoch nicht erst bei der Beendigung des Auftragsverhältnisses, sondern für jede einzelne Retrozession am Tag, an dem der Beauftragte sie erhalten hat. Dies ist der Zeitpunkt der Entstehung und damit der Fälligkeit der einzelnen Herausgabeansprüche.

Art. 60, Art. 67, Art. 75, Art. 127, Art. 128, Art. 130, Art. 142, Art. 398 und Art. 400 OR; Art. 9 und Art. 29 BV; Art. 2 ZGB; Art. 88, Art. 229 und Art. 317 ZPO

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(BGer., 16.06.17 {4A_508/2016}, Medienmitteilung des Bundesgerichts 3.07.17, www.bger.ch)

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