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Die Plafonierung der AHV-Renten für Ehepaare verstösst laut Bundesgericht nicht gegen das Diskriminierungsverbot. Nach Ansicht des Gerichts kommen verheiratete Paare im Vergleich zu unverheirateten bei den Sozial­versicherungen insgesamt kaum zu kurz. Bei Ehepaaren darf die Summe der beiden AHV-Einzelrenten höchstens 150 % einer Maximalrente betragen. Wird dieser Höchstbetrag überschritten, werden die Einzelrenten entsprechend gekürzt. Keine solche Plafonierung findet bei Konkubinatspaaren statt. Ein 75 Jahre alter verheirateter Mann hatte vor Bundesgericht nun geltend gemacht, die Bestimmung zur Plafonierung der Ehepaarrenten von Artikel 35 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) verletze das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerte Diskriminierungsverbot. Laut den Richtern der II. sozialrechtlichen Abteilung in Luzern ist dies nicht der Fall. Zwar stehe ausser Frage, dass die Plafonierung Ehegatten schlechter stelle als unver­heiratet zusammenlebende Paare. Insgesamt liege im Sozialversicherungsbereich eine Übervorteilung oder Diskriminierung von Ehepaaren allerdings nicht auf der Hand. Vielmehr würden bei einer Gesamtbetrachtung sogar Solidaritätsflüsse von den unverheirateten zu den verheirateten Paaren stattfinden. Für eine so­zialversicherungsrechtliche Absicherung von Konkubinatspartnern bestehe bis anhin überhaupt keine spezielle gesetzliche Grundlage. So hätten sie etwa keinen Anspruch auf eine Hinterlassenenrente. Auch bei der beruflichen Vorsorge oder der Unfallversicherung würden Ehepaare speziell geschützt. Im Weiteren könnten auch nur verheiratete Paare beziehungsweise eingetragene Partnerschaften von einer AHV-Beitragsbefreiung oder Betreuungsgutschriften profitieren. Der Gesetzgeber habe jüngst im Zusammenhang mit der Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» darauf hingewiesen, dass das aktuelle System der Sozialversicherung insgesamt austariert sei. Die Ungleichheiten liessen sich laut Gericht mit einer Aufhebung der Plafonierung nicht einfach aus der Welt schaffen. Eine umfassende Neuregelung dieses Systems müsste vielmehr unter Berücksichtigung des komplexen Zusammenspiels von Vor- und Nachteilen für die jeweilige Lebensform erfolgen, wobei dann allerdings auch bestehende Sonderregelungen abzuschwächen oder aufzuheben wären, welche Eheleute heute privilegieren. Zu beachten sei im Übrigen, dass eine Aufhebung der Plafonierung nur für mittlere oder hohe Einkommen Verbesserungen bringen würde. Schliesslich kann laut Gericht in der Rentenplafonierung auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR nicht von einer unzulässigen Diskriminierung gesprochen werden.

Art. 3, Art. 23, Art. 29septies, Art. 35 und Art. 35bis AHVG; Art. 8, Art. 9, Art. 14 und Art. 190 BV; Art. 19 und Art. 19a BVG; Art. 1, Art. 8, Art. 12 und Art. 14 EMRK; Art. 159, Art. 163 und Art. 462 ZGB

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(BGer., 6.12.13 {9C_383/2013}, Jusletter 6.01.14)

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