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Die Beendigung von Mandaten kann verschiedentlich zu Problemen führen. Der Autor stellt anhand zweier Fälle aus der Standeskommission von TREUHAND|SUISSE mögliche Problemfelder dar. In beiden Fällen bejahte die Standeskommission zwar eine Verletzung von Standespflichten, verzichtete aber aus unterschiedlichen Gründen auf eine Bestrafung.

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Title
Entscheid vom 28. März 2014
Level
2
Text

Bei Beendigung eines Mandats kommt es gelegentlich zu Problemen. Der nachfolgend wiedergegebene Fall betrifft das Erlöschen eines Mandats zufolge Hinschieds des (langjährigen) Auftraggebers. Weil dessen Sohn, der das Geschäft des Vaters weiterführte, verschiedentlich mit Auskunftsbegehren an dessen Treuhänder gelangte – ohne dass damit ein Auftrag erklärt wurde – sah sich das Mitglied berechtigt, für diese Leistungen eine Rechnung zu stellen. Vorher noch bat das Mitglied den Sohn, ob es wie schon beim Vater, eine Weinbestellung zu Vorzugsbedingungen aufgeben könne, was Letzterer auch akzeptierte und ausführte. Die Rechnungsstellung ist vorliegend in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Die Standeskommission hatte auf die Anzeige des Kunden einzutreten. Es hat schliesslich das Verfahren als Bagatellverfahren abgeschlossen und mit dieser gemäss Verfahrensreglement zulässigen Begründung auf einen Verweis verzichtet.

Das Mitglied hat dem Anzeigeerstatter Rechnung für seine Dienstleistungen gestellt. Indem es diese Rechnung gestellt hat, bejahte das Mitglied das Bestehen eines Auftragsverhältnisses. Der Anzeigeerstatter bestreitet demgegenüber das Bestehen eines Auftragsverhältnisses. Wäre er Dritter, wäre seine Anzeige in der vorliegenden Angelegenheit nicht zu behandeln, weil es der Anzeige an dem in Art. 5 Abs. 2 des Verfahrensreglements vorausgesetzten Gewichts ermangeln würde. Nachdem das Mitglied (und nicht der Anzeigeerstatter) das Bestehen eines Klientschaftsverhältnisses bejaht, ist auf die Anzeige einzutreten.

Der Anzeigeerstatter stört sich daran, dass er, nachdem er dem Mitglied eine Gefälligkeit erwiesen – Bestellung von Wein zu ihm möglichen Vergünstigungen – und dafür Rechnung gestellt hatte, postwendend dessen Rechnung für angeblich vom Mitglied erbrachte Dienstleistungen erhielt und das Mitglied seine Zahlung für die Weinlieferung verrechnungsweise um den Betrag der eigenen Rechnung kürzte. Er erachtet die Rechnung, weil von ihm nie ein Auftrag erteilt wurde, als ungerechfertigt und erblickt darin auch eine unzulässige Verrechnung. Das Mitglied hält dem entgegen, dass es bereits in einer Mandatsbeziehung mit dem kurz zuvor verstorbenen Vater des Anzeigeerstatters gestanden hatte und – in Fortsetzung der geleisteten Arbeiten – auch dem Anzeigeerstatter auf dessen Ersuchen Dienstleistungen erbracht hatte, die in Zusammenhang mit dem früheren Auftragsverhältnis standen. Ebenso habe es sich als befugt erachtet, wie schon früher mit dem Vater des Anzeigeerstatters mit den Weinbestellungen zu vorteilhaften Bedingungen fortfahren zu dürfen.

Die Meinungsverschiedenheit der Parteien lässt sich auf die Grundsatzfrage zurückführen, wie gegenüber den Erben eines verstorbenen Klienten zu verfahren ist. Auch wenn zu diesem ein Mandatsverhältnis bestand (und allfällig offene Rechnungen kraft Sukzession von den Erben zu begleichen sind), so folgt daraus nicht ohne Weiteres, dass das Mandatsverhältnis gegenüber den Erben seine Fortsetzung findet.

Der Anzeigeerstatter durfte sich nach dem Ableben seines Vaters zweifelsohne an das Mitglied wenden und es um Hilfe bitten, soweit er Fragen hatte, welche die vom Mitglied betreute Buchhaltung des Vaters betrafen. Diese das frühere Mandat abschliessende Dienstleistung gehört grundsätzlich zur Rechenschaftspflicht, ohne dass dafür separat Rechnung gestellt werden darf, und es darf aus der Anfrage auch noch nicht auf einen Auftrag geschlossen werden. Selbstverständlich ist es dem Treuhänder freigestellt, die Frage neuer Mandatierung oder auch nur Honorierung gegenüber den Erben aufzuwerfen, und es steht ihm diesbezüglich auch ein weites Ermessen zu, wann dafür der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Vorliegend hat das Mitglied den Anzeigeerstatter zu keinem Zeitpunkt darüber ins Bild gesetzt, dass es Letzteren als Kunden betrachte. Anlass dazu hätte beispielsweise bestanden, als das Mitglied vom Anzeigeerstatter um die Suche und Zusammenstellung von Dokumenten angegangen wurde, zumindest hätte verlangt werden dürfen, dass diese Dienstleistung gegen Entschädigung erfolge. Spätestens wäre eine Klarstellung des Mandatschaftsverhältnisses angezeigt gewesen, als das Mitglied den Anzeigeerstatter darum bat, ob es die vorteilhaften Weinbestellungen, von denen es zu Lebzeiten des Vaters bereits profitiert hatte, fortsetzen dürfe. Diese Art von Vorteilsverschaffung ist in einem Mandatsverhältnis nicht untypisch, bei Dritten hingegen gerade nicht denkbar. Das Mitglied – es hatte um die Gefälligkeit ersucht – hätte den Anzeigeerstatter wenigstens aus diesem Anlass informieren müssen, dass es ihn als Kunden betrachte und für seine Dienstleistungen Rechnung stellen wolle. Das Mitglied hat sich nicht um Klarstellung des Auftragsverhältnisses bemüht – auch nicht als es den Anzeigeerstatter um die Gefälligkeit ersuchte –, sondern später einfach Rechnung gestellt; insofern hat es gegen die Wohlverhaltenspflicht verstossen.

Die Standeskommission verzichtet, weil es sich standesrechtlich um eine Bagatelle handelt, auf Weiterungen.

Title
Entscheid vom 18. September 2014
Level
2
Text

Nicht nur das Mandat sollte sorgfältig betreut werden, auch dessen Beendigung verlangt Sorgfalt und vor allem gleich von Beginn an auch Konsequenz. Das vorliegende Beispiel zeigt auf, wohin fehlende Konsequenz führt – zuletzt zu einer Kurzschlusshandlung. Der nachfolgend wiedergegebene Fall betrifft den Entzug eines Mandats durch die Auftraggeberin infolge Meinungsverschiedenheiten über die (Höhe der) Rechnung.

Die Anzeigeerstatterin macht geltend, dass das Mitglied für sie die Steuererklärungen 2009, 2010 und 2011 erstellt habe. Sie habe erstmals am 1. März 2013 eine Rechnung im Gesamtbetrag von 2400 CHF für diese drei Steuererklärungen erhalten. Sie habe das Mitglied am 15. März 2013 aufgefordert, den im Vergleich zur Steuererklärung 2008 erheblichen Mehrbedarf an Stunden erklärt zu bekommen. Am 31. März 2013 habe sie das Mitglied per E-Mail aufgefordert, die Steuerunterlagen 2012 herauszugeben. Da sie ohne Antwort geblieben sei, habe sie am 1. August 2013 erneut nachgefragt, zugleich wieder die Steuerunterlagen 2012 zurückgefordert. Weitere Nachfragen seien per E-Mail am 1. September 2013 und telefonisch Anfang Oktober 2013 erfolgt. Am 10. Oktober 2013 habe das Mitglied der Anzeigeerstatterin ohne Gründe zu nennen angeboten, den Rechnungsbetrag auf 1950 CHF zu reduzieren. Am 12. Oktober 2013 habe sie die Steuerunterlagen für das Jahr 2012 zurückerhalten. Am 31. Oktober 2012 habe sie dem Mitglied 550 CHF überwiesen, um ihre Zahlungswilligkeit und Verhandlungsbereitschaft zu untermauern; es handle sich dabei um den Preis für die Steuererklärungen 2009, 2010 und 2011, welchen sie durch Vergleich zur Steuererklärung 2008 ermittelt habe. Im anschliessenden E-Mail-Verkehr seien seitens des Mitglieds zwar Antworten ergangen, die von ihr gestellten Fragen seien unbeantwortet geblieben. Das Mitglied habe ihr am 1. Dezember 2013 per E-Mail mitgeteilt, dass es keine Zeit mehr für diesen Fall aufwende. Am 31. Dezember 2013 habe sie den vom Mitglied geforderten Differenzbetrag von 1400 CHF zum reduzierten Rechnungsbetrag von 1950 CHF einbezahlt. Die Anzeigeerstatterin habe am 1. Februar 2014 einen Zahlungsbefehl für 450 CHF, demnach die Differenz zum ursprünglichen Rechnungsbetrag von 2400 CHF erhalten.

Das Mitglied antwortete, dass die von der Anzeigeerstatterin zum Vergleich beigelegte Rechnung für das Jahr 2008 eines Dritten zeige, dass weniger Leistungen erbracht worden seien. Es finde sich kein Vermerk auf spätere Korrespondenz mit der Steuerverwaltung oder dass die Steuerrechnung kontrolliert worden sei. Seine eigenen Leistungen hätten sich nicht auf die Erstellung der Steuererklärungen beschränkt, sondern hätten die Prüfung der Steuerrechnungen, Korrespondenz mit dem Steueramt und eine Sitzung mit der Anzeigeerstatterin umfasst. Jedenfalls entspreche der Umfang der verrechneten Leistungen den erbrachten Leistungen; die Anzeigeerstatterin habe auch nie eine Rechnung oder einen Kostenvoranschlag gefordert. Die Rechnung sei der Anzeigeerstatterin am 24. März 2013 anhand der Aufzeichnungen detailliert vorgelegt worden (wofür sie sich noch bedankt habe). Die Reduktion der Rechnung sei der Anzeigeerstatterin vorgeschlagen worden, um die Auseinandersetzung zu einem Ende zu bringen. Jedenfalls sei das nicht als Eingeständnis einer überhöhten Rechnung zu verstehen. Es sei erstaunlich, dass die Anzeigeerstatterin sich nun auch noch beklage, keine Begründung der Reduktion erhalten zu haben. Das Mitglied anerkennt, dass die Anzeigeerstatterin die Unterlagen für die Steuererklärung 2012 am 31. März 2013 zurückgefordert habe. Ebenfalls anerkennt das Mitglied, dass die Anzeigeerstatterin sich diesbezüglich wiederholt an das Mitglied gewandt habe. Das Mitglied legt Wert auf die Feststellung, dass es die Steuerunterlagen 2012 nicht bewusst, vielmehr versehentlich zurückgehalten habe, wofür es sich entschuldige; jedenfalls gehe aus der Korrespondenz keine solche Absicht hervor. Auch habe der Aufwand, der Anzeigeerstatterin die Honorarnote zu erläutern, einen beachtlichen Umfang angenommen, weshalb am 1. Dezember 2013 der Kontakt abgebrochen worden sei. Es sei auch richtig, dass nach Eingang der Zahlung von 1400 CHF Anfang 2014, womit die reduzierte Rechnung vollständig beglichen worden sei, ein weiteres E-Mail vom 13. Januar 2014 nicht mehr beantwortet worden sei. Das Mitglied anerkennt, dass die Anzeigeerstatterin durch ein internes Versehen betrieben worden sei. Das Mitglied habe Anfang April 2014 die Betreibung zurückgezogen und sich bei der Anzeigeerstatterin schriftlich entschuldigt.

Für die Beurteilung erheblich sind nur folgende Vorgänge:

  • Hat sich das Mitglied einer Standespflichtverletzung schuldig gemacht, indem es die von ihm erbrachten Leistungen für die Steuererklärungen 2009 bis 2011 nicht kontinuierlich, sondern erstmals am 1. März 2013 in Rechnung gestellt hat?
  • Hat sich das Mitglied einer Standespflichtverletzung schuldig gemacht, indem es die von der Kundin am 24. März 2013 geforderten Unterlagen für die Steuererklärung 2012 erst am 12. Oktober zurückgesandt hat?
  • Hat sich das Mitglied einer Standespflichtverletzung schuldig gemacht, indem es am 1. Februar 2014 beim Betreibungsamt eine Betreibung für den Betrag von 450 CHF verlangt hat?

Es ist tatsächlich ungewöhnlich, dass das Mitglied die von ihm erbrachten Leistungen für die Steuererklärungen 2009 bis 2011 erstmals am 1. März 2013 in Rechnung gestellt hat. Von einer angemessenen Frist, wie sie Art. 7 Abs. 3 der Standesregeln vorsieht, kann nicht die Rede sein. Mit der raschen Detaillierung der Rechnung hat das Mitglied seinen diesbezüglichen Standespflichten dagegen genügt. Nicht von der Standeskommission zu beurteilen sind dagegen die Höhe der Rechnung bzw. der dahinterstehende Umfang der Leistungen. In konstanter Praxis verzichtet die Standeskommission darauf – aussergewöhnliche Fälle vorbehalten –, sich mit dem Umfang der Rechnung zu beschäftigen. Dazu besteht vorliegend auch schon deshalb kein Anlass, weil die – reduzierte – Rechnung bezahlt wurde. Zudem eignet sich der von der Anzeigeerstatterin angestrebte Vergleich mit Rechnungen anderer Treuhandgesellschaften nicht für eine Beurteilung, weil sich der Leistungsumfang nicht vergleichen lässt.

Der von der Anzeigeerstatterin gemachte Vorwurf betreffend Zurückbehalten der Steuerunterlagen 2012 trifft teilweise zu. Das Mitglied kann die lange Zeitdauer des Zurückhaltens – rund 7 ½ Monate – objektiv nicht ganz überzeugend erklären; auch der Hinweis, aus der Korrespondenz gehe keine solche Absicht hervor, entlastet das Mitglied nicht. Dem Mitglied ist dagegen zugute zu halten, dass die Mitteilung des Mandatsentzugs vom 31. März 2013 per E-Mail erfolgte. Ein E-Mail hat nicht den gleichen Stellenwert wie ein Brief und ist für eine Kündigung des Auftrags bzw. Rückforderung von Unterlagen sicher nicht das Angemessene, abgesehen davon, dass E-Mails bekanntlich beim Sachbearbeiter leicht untergehen können. Auf die zwei weiteren späteren Mitteilungen – wiederum E-Mails – vom 1. August 2013 und 1. September 2013 reagierte das Mitglied zwar ebenfalls mit einer gewissen Verspätung, schliesslich aber am 10. Oktober 2013 brieflich unter Rückgabe der Steuerunterlagen 2012. Mit der gleichzeitigen Herabsetzung der Rechnung auf 1950 CHF hat das Mitglied auf eine solche Situation angemessen reagiert. Insgesamt ist dem Mitglied hieraus kein Vorwurf zu machen. Aus dem gleichen Grund, weil die Kommunikation ausschliesslich per E-Mail erfolgte, kann dem Mitglied aus dem – aus Sicht der Anzeigeerstatterin – wenig befriedigenden Verlauf der Kommunikation und Korrespondenz zwischen März 2013 bis Anfang Dezember 2013 kein Vorwurf gemacht werden.

Unannehmbar ist dagegen die im Februar 2014 eingeleitete Betreibung auf den Betrag von 450 CHF. Das Mitglied behauptet nicht, die Anzeigeerstatterin habe die von ihm gesetzte Zahlungsfrist für den reduzierten Betrag überwartet, sondern macht einen Irrtum geltend. Der Einwand ist jedoch pauschal begründet, der Irrtum wird nicht erläutert und erscheint auch nicht glaubhaft. Zahlungsbefehle gegen einen (auch ehemaligen) Klienten sind in einer Treuhandgesellschaft zwingend Chefsache; auch die lange Zeitdauer bis die Betreibung zurückgezogen und die Entschuldigung ausgesprochen wurde, spricht gegen einen Irrtum bei der Einleitung.

Zusammengefasst hat das Mitglied zweifach gegen die Standesregeln verstossen, bei der verspäteten Rechnungsstellung und als es dem ehemaligen Klienten den Zahlungsbefehl zustellen liess. Nicht zu vertreten hat das Mitglied die Verzögerung bei der Aktenrückgabe. Der Verzicht auf eine briefliche Mitteilung der Kündigung und die sich mit Unterbrüchen fortsetzende Kommunikation lassen das Verhalten als erklärbar erscheinen. Selbst wenn sich bei der Beendigung des Mandats eine in solchen Fällen gelegentlich auftretende Eigendynamik entwickelte, so kann man das Verhalten des Mitglieds beim Ausstellen des Zahlungsbefehls vor diesem Hintergrund zwar teilweise verstehen, nicht aber entschuldigen. Das Mitglied ist des Verstosses gegen die Rechenschaftspflicht und des Verstosses gegen Treu und Glauben schuldig zu sprechen.

Die Standeskommission verzichtet gleichwohl auf eine Sanktionierung. Beim Verzicht stellt sie auf die erwähnte Eigendynamik ab, die in diesem Verfahren besonders deutlich wird. Statt auf eine sachliche Beendigung hinzuarbeiten, wurde die Auseinandersetzung – überflüssigerweise – immer wieder von Neuem belebt, wechselseitig durch das Mitglied oder die Anzeigeerstatterin. Das Standesrecht ist nicht dazu geschaffen, in Fällen einer «pari turpitudine» einseitig das Mitglied zu bestrafen. Dies entspricht Art. 10 Abs. 1 lit. c des Verfahrensreglements, gemäss welchem das Verfahren einzustellen ist, wenn die Anzeige nicht mit Treu und Glauben zu vereinbaren ist.

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