Ist das Nachschieben von Gründen nach einer erfolgten fristlosen Kündigung zulässig? Ein aktuelles Bundesgerichtsurteil bezieht Stellung.
Ein COO einer AG kündigte nach 17 Monaten Anstellung das Arbeitsverhältnis ordentlich. Einen Monat später entliess ihn die AG fristlos. Als Grund für diese fristlose Entlassung gab die AG zunächst eine E-Mail des COO an, in der sich dieser u.a. abschätzig über den Vater des Verwaltungsratspräsidenten der AG geäussert hatte. Erst im Laufe des Verfahrens wurde dann noch ein zweiter Grund (unerlaubtes Kopieren einer Festplatte) geltend gemacht und somit nachgeschoben.
Gemäss Art. 337 Abs. 1 OR können Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen. Dabei gilt als wichtiger Grund jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Partei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (Abs. 2). Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet der Richter grundsätzlich nach seinem Ermessen (Abs. 3).
Eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber ist nach der Rechtsprechung zu Art. 337 OR nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers zulässig. Sie müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsvertrags nicht mehr zuzumuten ist, und anderseits tatsächlich auch dazu geführt haben. Sind die konkreten Verfehlungen weniger gravierend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein.
Als wichtiger Grund kommt prinzipiell nur ein Ereignis infrage, welches sich vor der fristlosen Kündigung abgespielt hat. Nur wenn dem Kündigenden dieser Umstand weder bekannt war noch bekannt sein konnte, kann er sich nachträglich noch darauf berufen. In dem Fall ist zu fragen, ob dieser Umstand derart ist, dass er – wenn der Kündigende ihn gekannt hätte – zu einem Vertrauensbruch hätte führen können und somit zur fristlosen Vertragsauflösung berechtigt hätte. Insofern ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts das Nachschieben von Kündigungsgründen zulässig. Allerdings müssen die nachgeschobenen Gründe von gleicher Art sein wie die anderen, die Anlass zur fristlosen Auflösung gegeben haben.
Im konkreten Fall wusste die AG bereits im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung vom betreffenden Umstand (unerlaubtes Kopieren einer Festplatte), hatte diesen aber aus irgendwelchen Gründen nicht in der Kündigungsbegründung genannt. Das Bundesgericht hat hier daher das Nachschieben von Gründen als unzulässig taxiert.
Als Kündigungsgründe können nur Umstände nachgeschoben werden, die sich vor der fristlosen Kündigung abgespielt haben und im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung weder bekannt waren noch bekannt sein konnten. Entscheidend ist, ob der nachgeschobene Grund einen hinreichenden Vertrauensverlust hätte bewirken können.
Art. 337 OR
(BGer., 11.08.16 {4A_109/2016}, Orlando Meyer, lic. iur. Rechtsanwalt, advokatur für arbeitsrecht und datenschutz, Basel, www.orlandomeyer.ch)