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Als Voraussetzung zur Anfechtung des Anfangsmietzinses genügt der Nachweis, dass im örtlichen Markt Wohnungsnot herrscht. Nicht notwendig ist, dass die Mieter darüber hinaus beweisen, sich beim Abschluss des Vertrages in einer Not- oder Zwangslage befunden zu haben. Das Bundesgericht präzisiert seine Rechtsprechung und hebt ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich auf.

Zwei Personen hatten 2013 einen Mietvertrag über eine 3,5-Zimmer-Wohnung in der Stadt Zürich abgeschlossen. Der Mietzins beträgt monatlich netto 3900 Franken. Nach Vertragsabschluss verlangten die Mieter eine Herabsetzung des nach ihrer Auffassung missbräuchlichen Anfangsmietzinses um 1100 Franken. Das Zürcher Obergericht wies ihre Berufung 2015 ab. Es begründete dies damit, dass es zur Anfechtung des Anfangsmietzinses nicht ausreiche, wenn die Mieterschaft eine Wohnungsnot nachweise; zusätzlich müssten die Mieter beweisen, sich aus diesem Grund in einer Notlage befunden und keine vernünftige Alternative gehabt zu haben, was durch entsprechende Suchbemühungen zu belegen sei. Eine solche Zwangslage sei hier nicht nachgewiesen, weshalb die Betroffenen zur Anfechtung nicht zuzulassen seien. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Mieter gut und weist die Sache zur Neubeurteilung ans Obergericht zurück. Artikel 270 des Obligationenrechts hält die Voraussetzungen fest, die zu einer Anfechtung des Anfangsmietzinses berechtigen. Eine Anfechtung ist unter anderem dann möglich, wenn sich der Mieter «wegen einer persönlichen oder familiären Notlage oder wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gezwungen sah». Das Bundesgericht kommt in Präzisierung seiner Rechtsprechung zum Schluss, dass es als Voraussetzung zur Anfechtung des Anfangsmietzinses ausreicht, wenn das Bestehen einer Wohnungsnot nachgewiesen ist. Nicht erforderlich ist, dass die betroffenen Mieter darüber hinaus beweisen, aufgrund ihrer persönlichen Situation keine zumutbare Alternative zum Abschluss eines anderen Mietvertrages gehabt und sich deshalb in einer Zwangslage befunden zu haben. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass für Mieter allein aufgrund einer entsprechenden Marktlage ein Zwang zum Abschluss des Vertrages zu missbräuchlichen Bedingungen bestehen kann. Vorliegend steht aufgrund der amtlichen statistischen Angaben fest, dass der Leerwohnungsbestand in der Stadt Zürich im Juli 2013 0,11 Prozent betragen hat. Die Wohnungsknappheit kann damit im massgebenden Zeitpunkt als ausgewiesen gelten. Das Obergericht wird nun prüfen müssen, ob die Höhe des anfänglichen Mietzinses als missbräuchlich zu erachten ist.

Art. 270 Abs. 1 lit. a OR

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(BGer., 18.05.16 {4A_691/2015}, Medienmitteilungen des Schweizerischen Bundesgerichts, 3.06.16 www.bger.ch)

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