Der Entscheid betraf den Gesellschafter einer GmbH, welcher zudem deren Geschäftsführer und einziger Angestellter war. Der Geschäftsführer bezog u.a. in den Jahren 2009 bis 2011 Jahreslöhne von 106 800 CHF (2009) sowie 110 000 CHF (2010 und 2011). Im gleichen Zeitraum schüttete die Gesellschaft Bruttodividenden von je 100 000 CHF aus. Das Bundesgericht ging von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen der Arbeitsleistung und dem bezogenen Lohn aus. Den branchenüblichen Lohn bestimmten die Vorinstanzen mittels des vom Bundesamt für Statistik erarbeiteten Lohnrechners «Salarium». Das Bundesgericht bestätigte den Entscheid der Vorinstanzen, wonach sich der branchenübliche Lohn auf 180 000 CHF belaufen würde und rechnete – nach Abzug einer Kapitalrendite von 10 % des Steuerwerts – den Restbetrag der Dividenden als Lohn auf (2009: 70 600 CHF; 2010: 57 200 CHF; 2011: 59 400 CHF). Die Gerichte folgten dabei der vom Bundesamt für Sozialversicherungen herausgegebenen Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML).
- Offensichtliches Missverhältnis: Bei der Festsetzung von Lohn und Dividende haben die Gesellschaften einen erheblichen Ermessensspielraum. Den Steuerbehörden steht es nicht zu, die Angemessenheit des Lohns bzw. der Dividende frei zu überprüfen. Von der durch die Gesellschaft gewählten Aufteilung ist nur dann abzuweichen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Lohn bzw. zwischen eingesetztem Vermögen und Dividende besteht.
- Kumulative Voraussetzung: Die Dividendenzahlung wird nur dann teilweise als massgebender Lohn betrachtet, wenn eine offensichtlich überhöhte Dividende und gleichzeitig kein oder ein unangemessen tiefer Lohn ausgerichtet wird.
- Feststellung des Missverhältnisses: Hinsichtlich der Frage, ob ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Lohn bzw. zwischen eingesetztem Vermögen und Dividende besteht, hat sich eine Praxis entwickelt, die laut BGE 134 V 297 in modifizierter Form bundesrechtskonform ist (sog. «Nidwaldner Praxis»). Demnach werden deklariertes AHV-Einkommen und branchenübliches Gehalt einerseits und Dividendenzahlung und Aktienwert andererseits zueinander in Beziehung gesetzt, um zu bestimmen, ob ein Teil der ausgeschütteten Dividende als beitragsrechtlich massgebendes Einkommen aufzurechnen ist. Vom Bundesgericht ist die genannte Praxis lediglich insofern korrigiert worden, als die Angemessenheit des (beitragsfreien) Vermögensertrags nicht in Relation zum Nennwert (Nominalwert), sondern zum effektiven wirtschaftlichen Wert der Aktien (Eigenkapital inklusive offene und stille Reserven) zu beurteilen ist.
- Branchenübliches Gehalt: Eine Aufrechnung kann höchstens bis zur Höhe eines branchenüblichen Gehalts erfolgen. Das Bundesgericht folgte den Vorinstanzen, wonach sich der branchenübliche Verdienst in erster Linie anhand des vom Bundesamt für Statistik erarbeiteten individuellen Lohnrechners «Salarium» ergebe. Das Resultat muss einem Drittvergleich standhalten, d.h. auch ein aussenstehender Dritter muss ein vergleichbares Salär erzielen. Dabei sind gemäss WML nebst dem zeitlichen Umfang des Arbeitspensums auch das Tragen von Verantwortung, das Einbringen von Know-how, besondere Erfahrungen und Branchenkenntnisse, die Art der Tätigkeit (z.B. operative Geschäftstätigkeit oder «blosses» Verwalten von Beteiligungen bei einer reinen Holdinggesellschaft) usw. zu berücksichtigen. Falls möglich, ist zudem ein Vergleich mit den an nicht mitarbeitende Inhaberinnen bzw. Inhaber von Beteiligungsrechten ausgeschütteten Gewinnanteilen oder mit den Löhnen von Arbeitnehmenden ohne gesellschaftliche Beteiligung anzustellen.
- Angemessenheit der Dividende: Die Angemessenheit der Dividende bemisst sich in Relation zum Vermögenssteuerwert der Wertpapiere. Dividenden, die einem Eigenkapitalertrag von 10 % oder mehr entsprechen, sind vermutungsweise überhöht (Rz. 2011.7 WML).
Kommentar
Der vorliegende Fall betraf den Kanton Obwalden. Dort trat im Jahr 2001 die privilegierte Dividendenbesteuerung in Kraft, wonach Dividenden aus Aktien nur im Umfang von 50 % steuerbar sind, wenn die steuerpflichtige Person eine Beteiligungsquote von mindestens 10 % hält. Diese Konstellation stellt einen Anreiz dar, die Dividende auf Kosten des Lohns zu erhöhen. Solange die Ausschüttung einer Dividende beschlossen wird, welche sich an die 10%-Regel hält, kann nichts passieren. Zu bedenken ist allerdings, dass ein tiefer Lohn entsprechend tiefere Versicherungsleistungen nach sich zieht und das Einkaufspotenzial in die Pensionskasse reduziert wird. Bemerkenswert ist auch, dass die Gerichte den Steuerpflichtigen quasi mit seinen eigenen Waffen schlugen, indem sie aufgrund des auf seiner Website publizierten Kompetenzprofils und der Auftragsbeschreibung, u.a. mit einem vereinbarten Stundenansatz von 250 CHF, seine Einwendungen widerlegen konnten.
Art. 4 und Art. 5 AHVG; Art. 7 lit. h und Art. 23 AHVV; Art. 22 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 3 StG OW; Art. 20 Abs. 1bis DBG
(BGer., 3.12.15 {9C_327/2015}, Martin Byland, lic. iur. Rechtsanwalt, TBO Treuhand AG, Zürich)