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Liebe Leserin, lieber Leser

An einem regnerischen Herbstabend bietet sich die Gelegenheit, die sonnigen Momente des vergangenen Sommers nochmals Revue passieren zu lassen. Mit sonnigen Momenten meine ich nicht nur die schönen Tage, sondern auch die wertvollen und unerwarteten Begegnungen, die kleinen Gaumenfreuden, die zu den kulinarischen Höhepunkten des Sommers zählten, neu entdeckte Gegenden, Konzerte, die uns durch ihre künstlerische Qualität beeindruckten oder uns einfach nur in unsere wilden Jugendjahre zurückversetzten, Romane oder Essays, die uns mit ihrer Leichtigkeit oder ihren gehaltvollen Denkanstössen bereicherten, die Artikel in der Tagespresse, die uns wieder auf den Boden der Realität als Weltenbürger, als Schweizerbürger aus den verschiedenen Landesteilen, zurückbrachten. Vor dem Hintergrund sinkender Werbeeinnahmen und Leserzahlen sorgt in diesem Spätsommer ein Thema neben vielen anderen wieder für Schlagzeilen: die Zukunft der qualitativ hochwertigen Printmedien.

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Die Qualitätspresse als Statussymbol.
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Da fragte ich mich: Weshalb tragen viele von uns Schuhe international renommierter Designer und kaufen Markenkleider, schlemmen in Sternerestaurants und gönnen sich teure Weine, zahlen astronomische Preise für Konzerttickets, nutzen Hightech-Smartphones, fahren standesgemässe Autos, leisten sich ein schönes Wochenende hier, zwei Wochen in guten Hotels da, aber lesen Gratiszeitungen? Das ist, als wenn man einen kleinen, leichten Rotwein trinken, einen Kebab oder Hamburger im Schnellrestaurant essen oder im Fünferpack erstandene T-Shirts oder Socken tragen würde. Auf den ersten Blick mag es einem richtig erscheinen, auf den zweiten stellt man jedoch fest: Da passt etwas ganz und gar nicht zusammen. Etwa so wie weisse Socken zu einem schwarzen Anzug. Und weshalb das alles? Vielleicht, weil die Presse noch keine Werbung mit schönen Frauen und eleganten Männern, welche die «Le Temps» oder die «NZZ» lesen, gemacht hat. Weil sich die Qualitätspresse noch nicht als ein mit einer Markenuhr oder einem Schmuckstück vergleichbares Statussymbol verkauft. Muss sie so weit gehen? Nein. Doch die hochwertige Presse muss ihre Zielleserschaft besser pflegen, damit Frau und Mann sich besser mit ihr identifizieren können. Eine Qualitätszeitung zu abonnieren sagt genauso viel über einen Menschen aus wie andere Statussymbole.

Pascal Montavon

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