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A. erwarb im Jahr 2000 eine Liegenschaft, in der er im Jahr 2003 eine Hausarztpraxis eröffnete. Infolge eines im Jahr 2004 erlittenen Hirnschlags reduzierte er die selbständige Erwerbstätigkeit. Er wurde als 80% invalid eingestuft und erhielt eine volle IV-Rente. Im Rahmen der ärztlich attestierten Resterwerbsfähigkeit von 20% blieb er weiterhin selbständig erwerbstätig. Im Jahre 2012 stellte er im Alter von 52 Jahren die selbständige Erwerbstätigkeit ganz ein. Das Kantonale Steueramt Solothurn verweigerte in der Folge eine privilegierte Besteuerung nach Art. 37b DBG.

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Wird die selbständige Erwerbstätigkeit nach dem vollendeten 55. Altersjahr oder wegen Unfähigkeit zur Weiterführung infolge Invalidität definitiv aufgegeben, so ist die Summe der in den letzten zwei Geschäftsjahren realisierten stillen Reserven getrennt vom übrigen Einkommen zu besteuern (Art. 37b Abs. 1 erster Satz DBG).

Gemäss Bundesgericht ist die privilegierte Besteuerung von Liquidationsgewinnen bei Invalidität an vier kumulative Bedingungen zu knüpfen:

  • Eintritt einer Invalidität im Sinne von Art. 8 ATSG bzw. Art. 4 IVG;
  • definitive Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit;
  • Kausalzusammenhang zwischen Invalidität und Geschäftsaufgabe;
  • erstmalige Inanspruchnahme der privilegierten Besteuerung.

Das Kantonale Steueramt Solothurn machte geltend, dass eine privilegierte Besteuerung der selbständigen Erwerbstätigkeit unmittelbar nach dem Eintritt der Invalidität oder zumindest zeitnah erfolgen müsse. Eine Kausalität zwischen der definitiven Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit und bestehender Invalidität sei mit wachsender Dauer zwischen Eintritt der Invalidität und der definitiven Aufgabe der selbständigen Tätigkeit zu verneinen. Das Bundesgericht hielt demgegenüber in seinem Entscheid fest, dass beim Steuerpflichtigen alle vier Voraussetzungen erfüllt seien: Zwar müsse die Invalidität die Ausübung der bisherigen selbständigen Tätigkeit verunmöglichen; eine generelle Erwerbsunfähigkeit sei aber nicht erforderlich. Dem Gesetz lasse sich zudem nicht entnehmen, dass eine zeitliche Nähe zwischen Eintritt der Invalidität und definitiver Geschäftsaufgabe erforderlich ist. Es genüge, dass, wie vorliegend, die natürliche und adäquate Kausalität zwischen der Invalidität und der Geschäftsaufgabe erstellt sei.

Art. 37b DBG; Art. 8 ATSG bzw. Art. 4 IVG; Art. 1 LGBV

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(BGer., 5.10.2017 {2C_40/2017, 2C_41/2017}, Martin Byland, lic. iur. Rechtsanwalt, TBO Treuhand AG, Zürich)

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