Wer sich für die Opferrolle entschieden hat, ist immer von Tätern umgeben. Diese Menschen klagen auch über das Gute, weil es nicht gut genug oder verdächtig ist. Wie gehen wir mit ihnen um?
Wer sich als Opfer sieht, hat immer einen Grund zum Klagen. Das kann ganz schön nerven. Lesen Sie drei mögliche Wege, damit umzugehen.
Wir überhören das Klagen über das Hauptthema und beleuchten ein Teilthema so, dass wir eine konstruktive Kurve im Dialog erwischen.
Beispiel Jugendklage:
Opferrollensatz: «Die Jungen können ja gar nicht mehr reden und zuhören … die glotzen immer auf ihr Handy!»
Unsere Antwort: «Ah – apropos Junge: Wie viele Lernende beschäftigen Sie aktuell?»
Wir konzentrieren uns auf unser Teilthema und steuern es durch unsere Frage in die positive Richtung.
Bei nahestehenden Personen mit tiefsitzender Opferrolle empfiehlt es sich, mitzugehen. Wir nehmen die Klage an und helfen mit, ihr noch dramatischere Dimensionen abzugewinnen.
Opferrollensatz: «Die Jungen können ja gar nicht mehr reden und zuhören … die glotzen immer auf ihr Handy!»
Unsere Antwort: «Ja, das ist echt schlimm. Die nächste Generation wird zum geistig und beziehungsmässig verarmten Spielball der Mächtigen werden.»
Was folgt, ist ein gegenseitiges Übertreffen mit gemeinsamem Absinken. Die grösste Schwierigkeit daran ist, dass das Opfer unseren Zynismus durchschaut. Wenn das geschieht, kann der Opfergaul mit ihm durchgehen und wir haben keine Kontrolle mehr.
Ist es für unsere Beziehung von entscheidender Bedeutung, dass unser Gegenüber die Opferrolle wenigstens phasenweise bewusst ablegt, ist Gegensteuer angesagt.
Opferrollensatz: «Die Jungen können ja gar nicht mehr reden und zuhören … die glotzen immer auf ihr Handy!»
Unsere Antwort: «Ja, das ist eine Herausforderung! Wir sind aufgefordert, da Gegensteuer zu geben! Wie tun Sie das bei Ihren eigenen Kindern?»
Wir nehmen das Thema auf und lenken es vom unbeeinflussbaren Gesellschaftlichen aufs beeinflussbare Individuelle. So können wir durch gegenseitige Anregung gemeinsam lösungsorientiert aufsteigen.
Für Menschen in Opferrollen sind Sie ein Täter. Das können Sie nicht verhindern. Aber Sie können so auf das Opferthema eingehen, dass Sie zum Wohltäter werden.
Thomas Rychiger