Facebook Switzerland Sàrl (Facebook Schweiz) kann von der Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt nicht zur Herausgabe von Daten zu einem mutmasslich in der Schweiz eröffneten Facebook-Konto verpflichtet werden. Facebook Schweiz ist nicht Inhaberin der fraglichen Daten und hat diese auch nicht unter ihrer Kontrolle. Um an die Daten zu gelangen, müssten diese auf dem Weg der Rechtshilfe bei Facebook Ireland Ltd (Facebook Irland) herausgefordert werden. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden von Facebook Schweiz und deren beiden Geschäftsführern gut.
2015 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt auf Anzeige eines belgischen Journalisten ein Strafverfahren wegen Verleumdung, übler Nachrede und Beschimpfung gegen Unbekannt. Der Anzeiger machte geltend, dass jemand auf einem mutmasslich in der Schweiz eröffneten Facebook-Konto unter einem Pseudonym antisemitische Äusserungen gegen ihn gepostet habe. Die Staatsanwaltschaft verfügte daraufhin gegen Facebook Schweiz und die beiden Geschäftsführer der Gesellschaft unter anderem die Herausgabe der Identität, der Zugangsdaten sowie der IP-Adresse des fraglichen Kontoinhabers. Gegen die Herausgabeverfügung erhoben Facebook Schweiz und die beiden Geschäftsführer Beschwerden beim Kantonsgericht des Kantons Waadt. Sie machten geltend, dass sie die Facebook-Website nicht selber verwalten würden. Die Anordnung müsse an Facebook Irland erfolgen, da die geforderten Informationen in deren Händen seien, was von Facebook Irland bestätigt wurde. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde 2016 ab. Dagegen erhoben Facebook Schweiz sowie die beiden Geschäftsführer Beschwerden an das Bundesgericht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut und hebt das Urteil des Kantonsgerichts sowie die Herausgabeverfügung der Staatsanwaltschaft auf. Aus Artikel 265 der Schweizerischen Strafprozessordnung und Artikel 18 des internationalen Übereinkommens über die Cyberkriminalität ergibt sich, dass sich die Herausgabeverfügung nur gegen jemanden richten kann, der Inhaber oder Besitzer der Daten ist, oder der eine faktische und rechtliche Kontrolle darüber ausübt. Keines der Dokumente, auf die sich das Kantonsgericht bei seinem Entscheid gestützt hat, lässt den Schluss zu, dass Facebook Schweiz Inhaberin der geforderten Daten wäre oder direkten Zugang zu den Daten der Nutzer hätte. Vielmehr ergibt sich, dass Facebook Irland Vertragspartner von Facebook-Nutzern ausserhalb der USA und Kanada ist und die Kontrolle über die entsprechenden Personendaten ausübt. Der Geschäftszweck von Facebook Schweiz beschränkt sich auf das Support-Marketing, den Verkauf von Werbeflächen sowie auf Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation. Facebook Schweiz handelt auch nicht in Vertretung von Facebook Irland. Die Daten können somit von Facebook Schweiz nicht herausverlangt werden. Um an die gewünschten Daten zu gelangen, müsste die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt ein Rechtshilfeersuchen in Strafsachen an Irland stellen.
Art. 265 StPO; Art. 18 Übereinkommen über die Cyberkriminalität
(BGer., 16.11.16 {1B_185/2016, 1B_186/2016 und 1B_188/2016}, Medienmitteilungen des Schweizerischen Bundesgerichts, 12.12.16, www.bger.ch)