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Das Obergericht des Kantons Zürich sprach mit Urteil vom 12. April 2010 einen Revisor im Berufungsverfahren der mehrfachen Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 320, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Hiergegen erhob der Revisor vergeblich Berufung an das Bundesgericht.

Der beschwerdeführende Revisor hatte im Zeitraum 1993 bis 2000 in seinen jährlichen Revisionsberichten bestätigt, dass die Buchhaltung der von ihm revidierten Aktiengesellschaft Gesetz und Statuten entspreche. Später stellte sich heraus, dass er während dieser Zeit eine (Über-)Prüfung von Bestand und Bonität der (Haupt-)Debitoren bzw. den Bestand der Kreditoren unterlassen hatte. Bei der Prüfung der Debitoren unterliess er die Kontrolle der Bonität gänzlich, währenddem er bezüglich deren Bestand (wie auch betreffend den Bestand der Kreditoren) auf das System der «indirekten Saldokontrollen» mittels Buchhaltungsfichen des Alleinaktionärs vertraute. In diesen Fichen war festgehalten, welche Beträge der Alleinaktionär wem schuldete und was ihm betragsmässig aus seiner Sicht zustand. Auf der Rückseite dieser Kontoauszüge war vermerkt, dass bei der Revisionsstelle reklamiert werden solle, wenn die aufgeführten Zahlen nicht korrekt waren. Der Revisor überprüfte jedoch nicht, ob den Kunden der Aktiengesellschaft diese Buchhaltungsfichen / Kontoauszüge tatsächlich zugestellt worden waren. Er vertraute diesbezüglich auf die Angaben, die ihm der Alleinaktionär machte. Stichprobenweise kontrollierte der Beschwerdeführer die vorerwähnten Kontoauszüge, wobei er bei dieser Überprüfung lediglich die Übereinstimmung des Saldos dieser Fichen mit der Buchhaltung untersuchte. Betreffend die Forderungsabtretungen verifizierte er nicht, ob die dafür notwendigen Zessionserklärungen vorhanden waren. Gemäss den Feststellungen des Bundesgerichtes erfuhr der Alleinaktionär als faktischer Beherrscher der AG durch das Verhalten des Beschwerdeführers insofern eine Besserstellung, als er weder die Rechtsfolgen gemäss Art. 729b aOR (Anzeigepflicht bei Überschuldung) noch in erheblichem Masse erklärungsbedürftige Vorbehalte in den jeweiligen Revisionsberichten zu gewärtigen hatte.

Vor Bundesgericht bestritt der Revisor, dass seine Bestätigungen in den Revisionsberichten ­unwahr gewesen seien. Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich der Urkundenfälschung bzw. der Falschbeurkundung schuldig, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt. Die Falschbeurkundung betrifft die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen. Sie erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge, welche nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur angenommen wird, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie u.a. in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften (z.B. die Bilanzvorschriften in Art. 958 ff. OR) liegen, die gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen.

Nach ständiger Rechtsprechung wird der kaufmännischen Buchführung und deren Bestandteilen bezüglich der in ihnen aufgezeichneten wirtschaftlichen Sachverhalte kraft Gesetzes (Art. 957 OR) Wahrheitsgarantie zuerkannt. Die Buchhaltung muss ein genaues und vollständiges Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Geschäfts vermitteln. Dabei hat die Bilanz die Vermögensverhältnisse eines Unternehmens auf einen bestimmten Stichtag hin korrekt auszuweisen. Eine falsche Buchung erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung,

  • wenn sie ein falsches Gesamtbild der Buchführung zeichnet und dabei Buchungsvorschriften und -grundsätze verletzt, die errichtet worden sind, um die Wahrheit der Erklärung und damit die erhöhte Glaubwürdigkeit der Buchführung zu gewährleisten.
  • Eine Buchung ist falsch, wenn Aktiven vollständig weggelassen oder betragsmässig falsch aufgenommen, oder wenn fiktive Passiven aufgezeichnet werden.

Zivilrechtliche Buchungsgrundsätze werden namentlich in den gesetzlichen Bestimmungen über die ordnungsgemässe Rechnungslegung des Aktienrechts in Art. 662a ff. OR und in den Bilanzvorschriften in Art. 958 ff. OR aufgestellt, die den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Dem Revisionsbericht wird im Rahmen der Falschbeurkundung in Bezug auf die inhaltliche Prüfung der Buchführung und Jahresrechnung unbestrittenermassen erhöhte Glaubwürdigkeit zuerkannt. Es kommt ihm deshalb besondere Bedeutung zu, weil die Revi­sionsstelle den Eigenkapitalgebern nicht zustehende Einsichts- und Kontrollrechte in finanziellen Belangen ersetzt. Die Rechnungsprüfung dient schliesslich auch dem Schutz der Gläubiger.

Ob ein Revisionsbericht wahr ist, entscheidet sich in erster Linie nach den zivilrechtlichen Regeln über die Berichterstattung. Für die Beurteilung der Pflichten des Revisors als Beschwerdeführer sind die im Zeitraum der inkriminierten Handlungen (Jahre 1995–2000) geltenden Bestimmungen massgebend. Die Revisionsstelle hat gemäss Art. 728 Abs. 1 aOR u.a. zu prüfen, ob die Buchführung und die Jahresrechnung Gesetz und Statuten entsprechen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Revisionsstelle im Rahmen der Buchprüfung verpflichtet, die ausgewiesenen Gesellschaftsaktiven auf ihren tatsächlichen Bestand zu untersuchen. Die Prüfung der Bilanzwahrheit erstreckt sich dabei nicht nur auf das Anlage- und Umlaufvermögen, sondern auch auf die Forderungen. Zum Prüfungsvorgehen selbst erwähnt das Gesetz nichts. Ein Nichtbefolgen der in den Grundsätzen zur Abschlussprüfung der Treuhand-Kammer (nachfolgend: GzA) und im Revisionshandbuch der Schweiz (Treuhand-Kammer, Zürich 1992, Band I und II; nachfolgend: RHB) bzw. Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (Treuhand-Kammer, Zürich 1998, Band 1 und 2; nachfolgend: HWP) wiedergegebenen Prüfungsmethoden und Vorgehensvorschläge wird jedoch in aller Regel eine Sorgfaltspflichtverletzung der Revisionsstelle darstellen. Der Grundsatz der Wesentlichkeit gilt auch bezüglich der Frage, wie detailliert eine Prüfung zu erfolgen hat (RHB I, S. 567; HWP Band 2, S. 133 und S. 207 ff.). Ob z.B. gewisse Rechnungsposten lückenlos oder nur stichprobenweise geprüft werden sollen, hängt von den Umständen ab, namentlich auch von der finanziellen Situation der Gesellschaft, der Qualität der internen Kontrolle, der Fehleranfälligkeit des entsprechenden Prüffeldes und der bisherigen Erfahrung der Revisionsstelle mit der zu untersuchenden Gesellschaft.

Gemäss dem RHB bzw. HPW und den GzA beinhaltet die Bestandsprüfung im Rahmen der Abschlussprüfung bei den Aktiven insbesondere die Feststellung des Vorhandenseins und des Eigentums sowie bei den Passiven vor allem die Vollständigkeit der Bilanzpositionen. Das Vorhandensein von nicht materiellen, körperlichen Aktiven wird mittels Saldobestätigungen, d.h. durch Bestätigungen von Dritten, festgestellt. Zu unterscheiden sind dabei zwei Methoden. Bei der positiven Methode bittet der Revisor den Adressaten zu bestätigen, dass der Saldo richtig ist. Bei der negativen Methode hingegen bittet der Revisor den Adressaten, Nachricht zu geben, wenn er mit dem Saldo nicht einverstanden ist. Den Saldobestätigungen kommt erst volle Aussagekraft zu, wenn der Prüfer sowohl die Auswahl der Adressaten selber trifft als auch die Saldobestätigungen selbst zum Versand bringt und sie wieder direkt an ihn gelangen (RHB I, S. 402 f.; HPW Band 2, S. 200 ff.; GzA 5). Die Einholung von Saldobestätigungen kann insbesondere notwendig werden, wenn die interne Kontrolle ungenügend ist, besondere Risiken vorliegen, die absolute oder relative Bedeutung der Salden dies verlangt oder aufgrund von Erkenntnissen aus der übrigen Prüfungs­tätigkeit (GaZ 5, N. 3.2).

Nach den Feststellungen der Vorinstanz holte der Revisor bei der Überprüfung der Bilanz­positionen «Debitoren» und «Kreditoren» der Aktiengesellschaft im Rahmen der Abschlussprüfung keine entsprechenden Saldobestätigungen ein. Stattdessen verliess er sich diesbezüglich auf die durch den faktischen Beherrscher der Aktiengesellschaft erstellten Buchhaltungsfichen / Kontoauszüge. Auch deren Zustellung an die jeweiligen Adressaten lag nicht in der Verantwortung des Revisors. Dieser ging vielmehr davon aus, dass der Alleinaktionär sie zustellte. Der Revisor hat damit nicht im Sinne der genannten Berufsregeln Saldobestätigungen eingeholt und ist entgegen seinem Vorbringen keineswegs nach der sog. negativen Methode verfahren. Er hat sich mithin nicht vergewissert, ob die in der Bilanz aufgeführten Aktiven auch tatsächlich bzw. im aufgezeichneten Betrag vorhanden waren. Insbesondere überprüfte er nicht einmal den Hauptdebitor der Aktiengesellschaft. Dass er auch bezüglich der Kreditoren dieses Vorgehen wählte und zudem die Bonität der Debitoren gänzlich ungeprüft liess, kommt erschwerend hinzu. Der Einwand des Revisors, es habe sich um die Anlage von ausländischem Schwarzgeld gehandelt, weshalb keine Bestätigungen erhältlich gewesen seien, rechtfertigt diese Pflichtverletzung keineswegs, sondern hätte vielmehr seine erhöhte Sorgfalt bei der Abschlussprüfung erforderlich gemacht. Zu Recht weist denn die Vorinstanz auch darauf hin, dass der Revisor trotz diesbezüglicher Möglichkeit nicht einmal versucht hat, die entsprechenden Saldobestätigungen erhältlich zu machen.

Dem Revisor ist dahingehend beizupflichten, dass im Sinne des Grundsatzes der Wesentlichkeit die konkreten Umstände bezüglich des anzuwendenden Prüfungsvorgehens grundsätzlich mitzuberücksichtigen sind. Es ist jedoch unter keinen Umständen gerechtfertigt, die Feststellung des Bestandes der Debitoren und Kreditoren vollständig zu unterlassen und auf ein ungenügendes System abzustellen. Daran ändern auch die vom Revisor angeführten weiteren Prüfungshandlungen betreffend die anderen Bilanzpositionen wie die Beteiligungen oder Wertschriftenbestände nichts. Zusammenfassend hält das Bundesgericht fest, dass die Revisonsbestätigungen als unwahre Urkunden zu qualifizieren sind.

In subjektiver Hinsicht verlangt der Tatbestand der Urkundenfälschung – neben der Schädigungs- oder Vorteilsabsicht – Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt oder wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt (Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein. Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich das Gericht – bei fehlendem Geständnis – nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählen namentlich die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser dieses Risiko ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 134 IV 26 E. 3.2.2 S. 28 f. mit Hinweisen).

Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe als langjähriger, erfahrener Revisor die für seine Tätigkeit geltenden Gesetzesvorschriften und Standesregeln gekannt. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass er im Laufe seiner Einvernahmen seine Fehler als solche anerkannt habe. Wenn er in den Revisionsberichten wahrheitswidrig bescheinigt habe, vorschriftsgemäs­se Prüfungen vorgenommen zu haben, so habe er ohne Zweifel wissentlich und willentlich gehandelt. Der Revisor sei sich bewusst gewesen, dass in einem «Ein-Mann-Betrieb» wie bei der von Alleinaktionär geführten Aktiengesellschaft keine internen Kontrollmechanismen bestünden. Deshalb sei es anerkanntermassen besonders angezeigt gewesen, die Revision gemäss Gesetz und Standesregeln vorzunehmen. Der Revisor habe in Bezug auf den Hauptdebitor «B.» von einem Klumpenrisiko gesprochen. Auch das hätte ihn zu sorgfältigeren Revisionen bewegen müssen. Indem der Revisor die schriftlichen Revisionsberichte zuhanden der Generalversammlungen im Wissen um den anschlies­senden Gebrauch durch die Aktiengesellschaft angefertigt habe, sei die Täuschungsabsicht ohne Weiteres erfüllt. Es sei nicht erforderlich, dass eine Täuschung tatsächlich gelinge, und der beabsichtigte Gebrauch der Urkunde zur Täuschung werde gemäss Rechtsprechung bereits bejaht, wenn die Urkunde voraussichtlich in den Rechtsverkehr gebracht werde. Der Einwand des Revisors, dass der Alleinaktionär die Revisionsberichte gegenüber Dritten gar nicht habe verwenden wollen, sei lebensfremd. Der Revisor habe durch sein Handeln mindestens in Kauf genommen, dass seine unwahren Revisionsberichte in täuschender Weise gegenüber Dritten eingesetzt werden könnten, womit die Täuschungsabsicht im Rechtsverkehr zu bejahen sei. Dadurch habe der Revisor auch zumindest in Kauf genommen, dass der faktische Beherrscher der Aktiengesellschaft insofern eine Besserstellung erfahren habe, als er weder allfällige Rechtsfolgen, z.B. Anzeigepflicht bei Überschuldung, habe gewärtigen müssen.

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Dieses Urteil hat auch Bedeutung im neuen Revisionsrecht. Da der Revisor gemäss neuem Recht haftungsrechtlich noch mehr exponiert ist, kommt der Anwendung der Prüfungsgrundsätze gemäss dem Standard der Eingeschränkten Revision bzw. dem Schweizer Prüfungsstandard hohe Bedeutung zu. Diese Regelungen sind quasi Softlaw und haben auch Gesetzescharakter. Das heisst, dass in einem Strafverfahren (wie auch in einem zivilrechtlichen Haftungsfall) diese Regelungen als gegebener Massstab für pflichtbewusstes und sorgfältiges Handeln herangezogen werden. Verstärkt wird dies durch den Umstand, dass Richter in der Regel nicht Fachexperten sind. Sie haben daher die Tendenz, sich strikt an die Branchenregelung zu halten, unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall adäquat ist oder nicht.

Der Umstand, dass bei eingeschränkten Revisionen keine Saldobestätigungen eingefordert werden müssen, macht die Sache nicht besser: In einem Fall wie dem vorliegenden, bei welchem von einem erhöhtem Risiko ausgegangen werden muss, ist der Revisor auch bei eingeschränkter Revision gezwungen, zusätzliche Prüfungshandlungen vorzunehmen, wobei die Saldobestätigung einzuholen eine mögliche Alternative ist. Unabdingbar ist, dass der Revisor in einer solchen Situation zusätzliche Detailprüfungen vornehmen muss (wie Bestandes- und Bewertungsprüfungen), ansonsten er Gefahr läuft, wie im vorliegenden Fall strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.

Art. 251 Ziff. 1 StGB

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(BGer., 15.11.10 {6B_684/2010}, Martin Byland, lic. iur. Rechtsanwalt, TBO Treuhand AG, Zürich)

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