Das neue Rechnungslegungsrecht, welches das Parlament in der Schlussabstimmung vom 23. Dezember 2011 (BBl 2012 63 ff.) verabschiedet hat, tritt auf den 1. Januar 2013 in Kraft. In der soeben verabschiedeten Verordnung hat der Bundesrat die anerkannten Standards zur Rechnungslegung bezeichnet. Diese Verordnung muss zusammen mit dem neuen Rechnungslegungsrecht in Kraft gesetzt werden.
Der Bundesrat hat das neue Rechnungslegungsrecht auf den 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt. Mit der Abkoppelung des Rechnungslegungsteils aus der Aktienrechtsreform und damit der Abkoppelung vom ungewissen Schicksal der verbleibenden Vorlage des Aktienrechts ist es sinnvoll, das Gesetz in Kraft zu setzen. Zumal es durchaus möglich erscheint, dass die Aktienrechtsreform im Zusammenhang mit der Abzocker-Initiative scheitern könnte. Die Baustelle Rechnungslegungsrecht wurde im Jahr 1993 eröffnet und kann nun mit dem Inkrafttreten des Rechnungslegungsrechts, welches als 32. Titel des Obligationenrechtes daherkommt, zu einem Abschluss finden. Die Neuordnung sieht grosszügige Übergangsfristen vor, d.h. spätestens am 1. Januar 2015 – zwei Jahre nach Inkrafttreten – ist das Gesetz anzuwenden. Für die konzernrechnungspflichtigen Unternehmen bleiben noch drei Jahre, d.h. der 1. Januar 2016 gilt als Stichtag für die Erstanwendung. Damit haben die Unternehmen und Konzerne ausreichend Zeit, sich mit der neuen Materie auseinanderzusetzen. Die Treuhandkammer wird zur Umsetzung bis Ende 2012 entsprechende Arbeitsanweisungen und Umsetzungsempfehlungen veröffentlichen, welche die Einführung der Neuerungen erleichtern sollen. Es stellt sich dabei die Frage, ob eine «early adoption», d.h. z.B. eine Anwendung und Implementierung der Neuerungen bereits ab 1. Januar 2013, nichts im Wege steht. Dies könnte für KMU / Kleinkonzerne durchaus interessant sein, um einer Fortführung der Konsolidierungspflicht zu entgehen. So gelten im neuen Gesetz höhere Schwellenwerte für die Konsolidierungspflicht; diese werden nämlich auf die Schwellenwerte der ordentlichen Revisionspflicht angehoben (konsolidierte Bilanzsumme 20 Mio. Franken, konsolidierter Umsatz 40 Mio. Franken und 250 Vollzeitstellen). Für Kleinkonzerne ergeben sich beim Wegfall der Konsolidierungspflicht noch weitere Erleichterungen; die Mutterholding als Einzelgesellschaft kann auf eine ordentliche Revision verzichten und sich mit der eingeschränkten Revision begnügen. Somit kann vor diesem Hintergrund bereits ein positives Fazit für die KMU-Verträglichkeit gezogen werden; das neue Gesetz bringt für Kleingruppen Erleichterungen, falls diese unter den neuen Schwellenwerten bleiben. Zu beachten ist dabei, dass für die Berechnung der Schwellenwerte die konsolidierten Werte herangezogen werden und nicht mehr wie im bisherigen Recht nur auf die Addition der Bilanzsumme und des Umsatzes abgestellt wird. Damit orientiert man sich an den internationalen Gepflogenheiten.
Die Botschaft zum neuen Rechnungslegungsgesetz hat für die Konzernrechnung vorgesehen, dass eine Konzernrechnung immer nach einem anerkannten Standard zu erstellen ist. Die soeben verabschiedete Verordnung des Bundesrates hat die anerkannten Standards definiert; so sollen Kern-FER, Swiss GAAP FER sowie IFRS und IFRS für KMU als anerkannte Standards anwendbar sein. Bemerkenswert und wiederum KMU-freundlich ist die Zulassung der Kern-FER für eine konsolidierte Jahresrechnung. Der Aufwand bliebe damit für die KMU-Konzerne, welche konsolidierungspflichtig sind, in einem vernünftigen Rahmen. Swiss GAAP FER sieht heute allerdings noch nicht vor, dass die Kern-FER für grosse Unternehmen anwendbar sind. Kern-FER sind nur für Unternehmen anwendbar, welche die alten Schwellenwerte Bilanzsumme 10 Mio. Franken, 20 Mio. Franken Umsatz sowie 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Die FER-Kommission hat über eine allfällige Anhebung der Schwellenwerte noch nicht beraten. Die Kern-FER käme im Sinne der Verordnung des Bundesrates nur zur Anwendung, wenn Schwellenwerte für die Anwendung der Kern-FER ebenfalls auf die gesetzlichen Grössenkriterien angehoben würden. Gegenüber der ursprünglichen Botschaft hat das Parlament unter dem Deckmantel der KMU-Verträglichkeit die Konsolidierungspflicht weiter aufgeweicht; d.h., ein KMU-Konzern kann die Konzernrechnung gemäss neuem Gesetz nach den Grundsätzen ordnungsgemässer Rechnungslegung (GoR) erstellen und braucht keinen anerkannten Standard wie Swiss GAAP FER oder IFRS anzuwenden. Eine Erleichterung? Aus Sicht der Rechnungslegung ist es jedenfalls bedauerlich, dass man sich nicht auf einen Standard hat einigen können. Die Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit der Konzernrechnungen aufgrund von GoR sind nicht ausreichend sichergestellt, und damit stellt sich die Frage der Aussagekraft der Konzernrechnung im Grundsatz. Der freie Ermessensspielraum ist gross, womit die Konzernrechnung nach Schweizer Rechnungslegungsrecht weiterhin wenig Nutzen bringt. Je nach Anwender und Umsetzung ist es das Papier nicht wert. Dabei hätten sich die Kern-FER bestens als Mindeststandard geeignet. Es bleibt ein schwacher Trost, dass Minderheiten1 eine Konzernrechnung verlangen können. Mit dem Verzicht, einen Mindeststandard festzulegen, entfernt sich der Gesetzgeber vom Grundprinzip des «true and fair view».
In der Botschaft hat der Bundesrat das Prinzip der tatsächlichen Darstellung der Vermögens-, Finanzierungs- und Ertragslage des Unternehmens («true & fair view») als wichtige Grundlage erhoben. Dieses Prinzip ist als Grundlage der Buchführung im Art. 957a OR verankert worden. Allerdings wird es mit verschiedenen Bestimmungen wieder verwässert bzw. aus den Angeln gehoben:
- Zur Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens dürfen Rückstellungen nach Art. 960e OR gebildet werden sowie nicht mehr benötigte Rückstellungen stehen gelassen werden (Art. 960e Abs. 4 OR).
- Art. 960a Abs. 4 OR enthält die Generalvollmacht für die stille Reservenbildung; es können zusätzliche Abschreibungen und Wertberichtigungen gebildet werden, sofern dies für die Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens sinnvoll ist.
Die beiden Bestimmungen sind im Einklang mit dem Vorsichtsprinzip, welches nach wie vor gilt und in Art. 960 Abs. 2 OR stipuliert wird. Das Vorsichtsprinzip steht in Konkurrenz zum Grundsatz «true & fair view» und damit zur Darstellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, wie es im Grundsatz der Buchführung des neuen Gesetzes in Art. 957a OR festgehalten wird. Andererseits wissen wir aus der Praxis bzw. aus dem Steuerrecht, dass den Rückstellungen und der willkürlichen Bildung von stillen Reserven durch die Steuergesetze engere Grenzen gesetzt werden. Die Massgeblichkeit des Handelsrechts ist wohl intakt, aber bekanntermassen hat die Steuergesetzgebung schon lange in diversen Rechnungslegungsfragen ihre eigenen Regeln und Schranken gebildet. In der Praxis werden die handelsrechtlichen Abschlüsse meist im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des Steuergesetzes erstellt, womit das Rechnungslegungsrecht nur einen Teil der nötigen Bestimmungen zur Erstellung eines handelsrechts- und steuerrechtskonformen Abschlusses enthält. Zusammenfassend ist zu bemerken, dass es richtig war, dass die Botschaft das Zulassen von stillen Reserven gewährte und von früheren Ideen, diese nicht mehr zuzulassen, abgekommen ist. Das Vorsichtsprinzip ist stark verankert und ist Teil der urschweizerischen Tugend!
Das Parlament hat durchaus auch sinnvolle Anpassungen gegenüber der Botschaft vorgenommen; so ist es richtig, dass grosse Unternehmen, welche die neuen Schwellenwerte übernehmen, keinen zusätzlichen Abschluss nach anerkanntem Abschluss zu erstellen haben, wie dies ursprünglich vom Bundesrat in der Botschaft gefordert war. Die neue Regelung sieht dies nur noch vor, wenn dies eine qualifizierte Minderheit will oder wenn die Bestimmungen von Art. 962 OR erfüllt werden. Dies ist sicherlich vernünftig, da grössere Unternehmen auch so zusätzlichen Offenlegungen unterliegen; sie müssen zusätzliche Angaben im Anhang der Jahresrechnung machen sowie eine Geldflussrechnung erstellen und einen Lagebericht verfassen. Im Lagebericht wird auch die Risikobeurteilung enthalten sein, welche nicht mehr Bestandteil des Anhangs ist; eine Erleichterung für die KMU, welche nicht nach dem dritten Abschnitt des 32. Titels des Obligationenrechts zu rapportieren haben.
Eine wahre Erleichterung gibt es für Einzelunternehmen und Personengesellschaften, welche sich auf eine sogenannte Milchbüchleinrechnung (d.h. eine reine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) abstützen können, wenn diese weniger Umsatz als 500 000 Franken erwirtschaften. Wenn dann eine Unternehmung nicht mal die 100 000-Franken-Umsatzgrenze erreicht, kann auch auf die zeitlichen und sachlichen Abgrenzungen verzichtet werden (Art. 958b OR), dies gilt auch für Kapitalgesellschaften. Inwieweit diese Erleichterungen in der Praxis von Relevanz sind, ist fraglich; so sind Unternehmen, welche der MWST-Pflicht unterliegen, zur Buchführung nach diesem Gesetz verpflichtet.2 Insofern sind die Erleichterungen für nicht MWST-pflichtige Unternehmen und solche, welche sich nicht im Handelsregister eintragen müssen, eher von Relevanz.
Das neue Rechnungslegungsgesetz hat noch weitere Besonderheiten bereit. Art. 960 OR regelt bei den Grundsätzen, dass neu in der Regel die Einzelbewertung anzuwenden sei, wobei gleichartige Positionen immer noch zusammengefasst als Gruppe bewertet werden können. Das Gesetz wurde gegenüber dem ursprünglichen Entwurf weiter abgeschwächt, indem man von «in der Regel ist die Einzelbewertung anzuwenden» spricht. Die Botschaft enthielt die bestimmte Formulierung, dass «Aktiven und Passiven einzeln bewertet werden müssen».
Allerdings weist die Botschaft auch darauf hin, dass bei Forderungen und Warenvorräten die Einzelbewertung keine grosse Rolle spielt und diese als Einheit zu betrachten sind. Hingegen schliesst der Grundsatz der Einzelbewertung aus, dass im Anlagevermögen Mehr- und Minderwerte auf einzelne Beteiligungen an anderen Unternehmen oder auf verschiedenen Renditeliegenschaften verrechnet werden.3 Die schwammigere Formulierung des verabschiedeten Rechnungslegungsgesetzes öffnet den Raum für Interpretationen bei der Anwendung, was einer einheitlichen Anwendung des Gesetzes nicht förderlich ist. Interessant ist der neue Art. 960b OR, wonach Aktiven mit beobachtbaren Marktpreisen zum Kurs- oder Marktpreis bewertet werden dürfen. Im Anhang ist auf diese Bewertung hinzuweisen; zusätzlich können Wertschwankungsreserven gebildet werden, soweit der Anschaffungswert bzw. der tiefere Kurswert nicht unterschritten wird. In der Botschaft wurde diese Marktbewertung auf Aktiven mit Börsenkurs4 eingegrenzt; die Endfassung lässt auch eine Marktbewertung zu, wenn Aktiven einen beobachtbaren Marktpreis haben. Doch was versteht man darunter? Ein beobachtbarer Marktpreis bildet sich an spezifischen Märkten, welche in Form einer Börse organisiert sind. Damit ein Marktpreis entsteht, braucht es einen aktiven Markt, d.h. ein angemessenes Handelsvolumen von gleichartigen Produkten ist nötig. Liegenschaften fallen nicht darunter, da die Gleichartigkeit fehlt und das Handelsvolumen pro Liegenschaft nicht hoch ist. Zudem fehlt die Transparenz. Liegenschaftsbewertungen sind noch keine beobachtbaren Marktpreise, sondern nur kalkulierte Werte. Diese können für eine Bewertung unter diesem Artikel nicht herangezogen werden. Es bleiben damit die Finanzanlagen, welche unter diesem Titel zu Marktwerten bewertet werden können. Der Gesetzgeber wollte wohl mit dieser Bestimmung dem Prinzip «true & fair view» mehr Gewicht geben. Ebenfalls ein Novum ist die Möglichkeit, Schwankungsreserven für Aktiven zum Marktwert als Passivum zu bilden. Schwankungsreserven kennen wir aus FER 26 und 41, welche die Rechnungslegung der Personalvorsorgeeinrichtungen sowie Gebäude- und Krankenversicherer regeln. Kritisch ist dabei zu bemerken, warum der Gesetzgeber eine Bewertung zu Marktwerten zulässt und gleichzeitig diese wieder mittels einer Schwankungsreserve quasi aufhebt. Ein weiteres Beispiel, dass sich der Gesetzgeber mit dem Prinzip «true & fair view» einerseits und dem Vorsichtsprinzip andererseits schwertat. Das neue Rechnungslegungsgesetz verbietet beispielsweise die Aktivierung von Gründungs- und Organisationskosten, hingegen besteht die Möglichkeit, immaterielle Werte zu aktivieren. Gewisse Aufbau- oder Anlaufkosten, z.B. der Aufbau eines Vertriebsnetzes, sind durchaus aktivierbar, sofern diese die Kriterien der Aktivierungsfähigkeit erfüllen; Art. 959 Abs. 2 OR definiert, was ein Aktivum ist. Verfügbarkeit, Mittelzufluss und verlässliche Schätzungen des Wertes sind Voraussetzungen für die Aktivierung.
Das neue Rechnungslegungsgesetz definiert die wichtigen Begriffe und gibt eine Mindeststruktur für die Darstellung der Bilanz und Erfolgsrechnung sowie Anhang vor. Der Gesetzgeber hat sich dabei an den bestehenden Rechnungslegungsstandards wie Swiss GAAP FER oder IFRS orientiert und das Rad nicht neu erfunden. In Art. 959a OR wird die Mindestgliederung der Bilanz definiert. Vorräte und nicht fakturierte Dienstleistungen sind nach dem Gesetz zwingend auszuweisen. Die Botschaft weist verschiedentlich auf die Offenlegung und Bilanzierung der nicht fakturierten Leistungen hin, was bedeutet, dass eine Bilanzierung von angefangenen Arbeiten neu zwingend ist. Das Eigenkapital gliedert sich, neben dem Grundkapital, neu in gesetzliche Kapitalreserven sowie gesetzliche Gewinnreserven, freiwillige Gewinnreserven und eigene Kapitalanteile als Minusposten. Demnach werden die eigenen Anteile neu als Abzugsposten im Eigenkapital gezeigt, was den heutigen Gepflogenheiten der internationalen Standards entspricht. Da mit dem neuen Rechnungslegungsgesetz nur ein Teil des neuen Aktienrechts in Kraft tritt, fehlen die neuen Bestimmungen zu den gesetzlichen Reserven, welche in Art. 671 OR geregelt wurden. Diese Artikel treten erst mit dem neuen Aktienrecht in Kraft, sofern es überhaupt so weit kommt. Somit haben wir diesbezüglich Inkonsistenzen zum neuen Rechnungslegungsgesetz; es gelten immer noch die alten Art. 670 OR ff., welche die Reservezuweisung regeln wie auch die Bildung von Reserven für eigene Aktien (Art. 671a OR). Sachlogisch macht es wenig Sinn, die eigenen Aktien als Minusposten im Eigenkapital zu zeigen und gleichzeitig eine Reserve für eigene Aktien zu bilden. Es ist davon auszugehen, dass diese Inkonsistenz noch aufgehoben wird. So ist auch die Aufwertung bei Kapitalverlust gemäss Art. 670 OR noch im Aktienrecht enthalten, obwohl die Streichung dieses Artikels im Aktienrechtsentwurf vorgesehen ist. Hingegen ist im neuen Anhang keine Offenlegung mehr gefordert, falls eine Aufwertung nach Art. 670 OR erfolgt. Es ist allerdings im Sinne der Transparenz zu empfehlen, diese Offenlegung weiterhin vorzunehmen, solange dieser Artikel noch in Kraft ist. Damit diese Inkonsistenzen zwischen Aktienrecht und neuem Rechnungslegungsgesetz eliminiert werden können, bleibt zu hoffen, dass das neue Aktienrecht als gesamtes Werk bald in Kraft treten kann.
Die Neuordnung des Anhangs der Jahresrechnung (Art. 959c OR) enthält ein paar zusätzliche Angaben, die sinnvoll sind. So ist der Restbetrag von Verbindlichkeiten aus kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften und anderen Leasingverpflichtungen, die nicht innert zwölf Monaten auslaufen oder gekündigt werden, offenzulegen. Diese «erweiterte» Offenlegung ist sinnvoll und trägt zur Transparenz bei.
Neu ist zudem, dass Beteiligungsrechte oder Optionen für Leitungs- und Verwaltungsorgane sowie für Mitarbeitende offenzulegen sind. Neu sind im Anhang Ereignisse nach dem Bilanzstichtag offenzulegen. Die neuen Offenlegungspflichten sind massvoll und tragen zu einer Verbesserung der Transparenz bei.
Einzelunternehmen und Personengesellschaften können auf den Anhang verzichten, sofern diese nicht zu den Unternehmen gehören, welche unter den dritten Abschnitt fallen. Dieser regelt die Rechnungslegung für grössere Unternehmen. Grössere Unternehmen sind solche, welche eine ordentliche Revision durchführen müssen. Diese sind verpflichtet, eine Geldflussrechnung zu erstellen und einen Lagebericht zu verfassen. Zudem sind im Anhang zusätzliche Angaben zu den langfristig verzinslichen Verbindlichkeiten aufzuführen und das Honorar der Revisionsstelle offenzulegen. Die zusätzliche Offenlegung der verzinslichen Verbindlichkeiten mag noch einen Sinn ergeben; was die Offenlegung der Revisionshonorare im KMU-Bereich nutzen soll, ist eher fraglich. Dabei sind nicht nur Revisionshonorare, sondern auch andere Dienstleistungshonorare der Revisionsstelle gemäss Art. 961a OR offenzulegen. Etwas aufwendiger ist die Erstellung des Lageberichtes. Darin ist neu die Risikobeurteilung enthalten; zusätzlich sind Angaben zu Bestellungs- und Auftragslage, zu Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, zu aussergewöhnlichen Ereignissen sowie zu den Zukunftsaussichten zu machen. Art. 961c Abs. 3 stellt klar, dass der Lagebericht und die Jahresrechnung sich nicht widersprechen dürfen. Der Lagebericht ist nicht Prüfungsgegenstand, dennoch hat die Botschaft zum neuen Rechnungslegungsrecht festgehalten, dass die Revisionsstelle im Rahmen der ordentlichen Revision die obersten Leitungsorgane der Gesellschaft im umfassenden Bericht auf allfällige Widersprüche zwischen Lagebericht und Jahresrechnung hinzuweisen hat. Dies führt quasi zu einer erweiterten Prüfungspflicht der Revisionsstelle. Wie soll die Revisionsstelle zu den Zukunftsaussichten im Lagebericht Stellung beziehen bzw. diese prüfen? Aus Sicht der Revisionsstelle ein heikler Punkt.
Gesamthaft ist das neue Rechnungslegungsgesetz gelungen. Es findet dadurch im Rechnungslegungsrecht keine Revolution statt; das neue Gesetz orientiert sich ansatzweise an den Entwicklungen moderner Rechnungslegungsstandards wie Swiss GAAP FER oder IFRS.
Trotzdem werden die schweizerischen Spezialitäten des Obligationenrechts beibehalten, wie die Möglichkeit stille Reserven zu bilden oder die Konzernrechnung nach den GoR sowie weitere schwammige Regelungen. Wie Böckli5 in einer früheren Würdigung des Entwurfs zum neuen Rechnungslegungsgesetz richtig vermerkt hat, ist vieles im Gesetz «alter Wein in neuen Schläuchen». Sauer stösst vor allem der fehlende Mindeststandard für eine moderne Konzernrechnung auf. Man hätte hier durchaus mutiger sein können und die Swiss GAAP FER als Mindeststandard etablieren können. Dabei wäre die Möglichkeit, die Konzernrechnung mit den Kern-FER zu erstellen, eine Option geblieben. In jedem Fall ist das ursprüngliche Ziel, eine Rechnungslegung nach dem «true & fair view»-Prinzip zu gestalten, verfehlt worden. Trotzdem ist es richtig, dass der Gesetzgeber die stillen Reserven beibehalten hat und dem Vorsichtsprinzip mehr Gewicht gibt. Dies hat mit dem Massgeblichkeitsprinzip des Handelsrechts für die Steuern zu tun. Andererseits haben die teilweise überbordenden Entwicklungen bei den internationalen Standards in den vergangenen Jahren gezeigt, dass eine zu hohe Regelungsdichte und Verkomplizierung der Regelungen eher eine Abkehr vom «true & fair view» bedeutet und das eigentliche Ziel einer transparenten, vergleichbaren Rechnungslegung verfehlt wird.
- Gesellschafter mit mind. 20% des Grundkapitals oder 10% der Genossenschafter oder 20% der Vereinsmitglieder.
- MWST Info 16, Ziff. 1.2.
- Botschaft zum neuen Gesetz vom 21.12.2007 (BBl 2008 1589 ff.); Art. 960, Seite 1710.
- Botschaft Art. 960b, Seite 1712.
- Vgl. Böckli, Das neue OR Rechnungslegungsrecht, Schweizer Treuhänder 2010/4.