Bei der harmonisierungsrechtlich vorgeschriebenen Ersatzbeschaffung von selbstbewohntem Wohneigentum handelt es sich um eine in der heutigen Form vergleichsweise junge Regelung. Dementsprechend ist die Praxis noch nicht gefestigt. Mit einem Überblick über die aktuelle Rechtsprechung sollen die aktuellen Themen beleuchtet werden.
Der Steueraufschub durch Ersatzbeschaffung bedeutet lediglich einen momentanen Verzicht auf eine Besteuerung, weil der Gesetzgeber bei einer derartigen Veräusserung den Gewinn nicht als realisiert betrachtet. Die Besteuerung und damit die Steuerpflicht wird allerdings nicht aufgehoben, sondern nur bis zur späteren endgültigen Veräusserung aufgeschoben.
Voraussetzung für die Gewährung des Steueraufschubs ist, dass sowohl die bisherige wie auch die neu erworbene Liegenschaft vom Steuerpflichtigen dauernd und ausschliesslich selbstbewohnt werden. Es darf sich somit nicht um einen Zweitwohnsitz, eine Ferienwohnung oder unbebautes Land handeln.
Der Eigentümer eines selbstbewohnten Einfamilienhauses in Neuenburg zog im Jahr 2001 nach Hergiswil in eine Mietwohnung, ohne sein Haus zu verkaufen. 2007 kaufte er in Hergiswil ein zweites Haus und veräusserte seine Liegenschaft in Neuenburg, um damit den Hauskauf finanzieren zu können. Das Bundesgericht1 verweigerte den Steueraufschub mit der Begründung, es könne nicht mehr von einer «dauernd selbstgenutzten Liegenschaft» gesprochen werden, nachdem der Betroffene das früher bewohnte Haus zwar vorerst behalten, aber während Jahren nur noch als gelegentlichen Zweitwohnsitz genutzt hat.
Der Verkauf der bisherigen und der Kauf der neuen Liegenschaft muss innert «angemessener Frist» erfolgen, wobei auch die umgekehrte Reihenfolge anerkannt wird (Vorausbeschaffung). Als angemessen wird im Kanton Zürich und zahlreichen anderen Kantonen eine Frist von zwei Jahren angesehen, wobei unter Umständen auch eine längere Frist als zulässig erachtet wird. Bei einer Vorausbeschaffung wird diese Frist restriktiver gehandhabt. In beiden Fällen wird verlangt, dass zwischen Kauf und Verkauf ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Längere Fristen werden insbesondere dann anerkannt, wenn die Verzögerung nicht vom Steuerpflichtigen verursacht wurde (wie Bauverzögerung).
In einem vom Bundesgericht entschiedenen Fall2 hatten Steuerpflichtige im März 2000 eine Wohnung im Stockwerkeigentum erworben und Anfang Dezember 2001 bezogen. Ihre bisherige Wohnung in dem ihnen gehörenden Wohn- und Geschäftshaus vermieteten sie an Dritte. Erst im März 2004 verkauften sie das Wohn- und Geschäftshaus und machten Steueraufschub geltend. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Frist von vier Jahren zwischen Kauf und Verkauf nicht mehr angemessen sei. Die Steuerpflichtigen hätten es selber zu vertreten, dass Nutzen und Gefahr erst 15 Monate nach dem Erwerb der Ersatzliegenschaft auf sie übergingen und sodann weitere vier Monate vergingen, bis sie die Eigentumswohnung nach Abschluss der Umbauarbeiten selber beziehen konnten. In dieser Zeit hätten sie bereits mit dem Verkauf des bisher bewohnten Wohn- und Geschäftshaus beginnen können. Zwar sei ein kombiniertes Wohn- und Geschäftshaus schwieriger zu verkaufen als ein gewöhnliches Wohnhaus. Trotzdem genügten blosse Verkaufserschwernisse, auf welche der Steuerpflichtige namentlich durch die Preisgestaltung selber Einfluss nehmen könne, nicht, um eine Ausnahme von der zweijährigen Frist zu rechtfertigen. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Fristüberschreitung weitgehend vom Steuerpflichtigen selbst zu verantworten war. Auch sah es keine Gründe, die eine Anwendung der Ausnahmeregelung zwingend geboten hätten. Das Gericht hielt zudem fest, dass die Zweijahresfrist des Kantons Obwalden mit dem Steuerharmonisierungsgesetz im Einklang steht und nicht zu beanstanden ist.
Wird die im Rahmen einer Ersatzbeschaffung erworbene und selbstbewohnte Liegenschaft wieder veräussert und wird an deren Stelle ein selbstbewohntes Ersatzobjekt angeschafft, liegt eine sogenannte Kaskadenersatzbeschaffung vor. Nach bisheriger Rechtsprechung ist unbestritten, dass eine erneute steueraufschiebende Ersatzbeschaffung vorliegt, wenn die veräusserte Liegenschaft während mehr als fünf Jahren selbstbewohnt worden war. Erfolgte demgegenüber die weitere Ersatzbeschaffung innerhalb der Fünfjahresfrist (sog. kurzfristige Kaskadenersatzbeschaffung), verweigerte das Zürcher Steuerrekursgericht bisher einen erneuten Steueraufschub und unterwarf den Verkaufserlös aus der Ersatzliegenschaft der Besteuerung.3 Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Gesetzgeber kurzfristige Spekulationsgewinne infolge von Kaskadenersatzbeschaffungen verhindern wolle.
In einem kürzlich ergangenen Entscheid hat das Züricher Verwaltungsgericht diese Praxis mit der Begründung aufgehoben, es könne nicht allein massgebend sein, dass das erste Ersatzobjekt innert fünf Jahren veräussert worden ist, sondern der Steueraufschub könne lediglich dann verweigert werden, wenn Rechtsmissbrauch vorliege.4 Dies könne namentlich dann der Fall sein, wenn bereits von Anfang an geplant war, das erste Ersatzobjekt allein aus spekulativen Motiven zu erwerben, um nach einer kurzen Besitzdauer ein zweites Ersatzobjekt zu kaufen, um den Zwischengewinn abzuschöpfen. Werde hingegen ein Eigenheim auch bei einer Besitzdauer von weniger als fünf Jahren in dieser Zeit selbst bewohnt, daran den Bedürfnissen des Eigentümers entsprechende wertvermehrende Investitionen getätigt und der Erlös aus nachvollziehbaren Gründen nach dem Verkauf wieder in ein weiteres Ersatzobjekt investiert, so liege keine missbräuchliche Wertabschöpfung vor, die zu einer Verweigerung des Steueraufschubs führt. Andernfalls käme dies einer Beschränkung der Mobilität des Steuerpflichtigen gleich.
Wird im Rahmen der Ersatzbeschaffung nur ein Teil des Veräusserungserlöses in eine Ersatzliegenschaft investiert, erfolgt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung seit 2004 die Besteuerung des nicht reinvestierten Erlöses nach der absoluten Methode. Bei der absoluten Methode wird nur der reinvestierte Teil des Gewinns aufgeschoben, während der frei verfügbare Gewinn besteuert wird. Demgegenüber wird bei der relativen Methode die Besteuerung des Gewinns im Verhältnis der Reinvestition zum erzielten Erlös aufgeschoben. Dies führt dazu, dass auch ein Teil des frei verfügbaren Grundstückgewinns, welcher nicht reinvestiert wird, dem Steueraufschub unterliegt.
Mit einer im Juni 2004 eingereichten parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrat Hegetschweiler den Wechsel von der Besteuerung des Grundstückgewinns nach der absoluten Methode zur relativen Methode mit der Begründung, es sollten auch diejenigen Verkäufer von einem Steueraufschub profitieren, die in eine günstigere Wohnung umziehen. In den eidgenössischen Räten wurde die vom Bundesrat abgelehnte Gesetzesvorlage nur vom Nationalrat unterstützt. Nach mehrjährigem Hin und Her zwischen den Räten wurde sie am 9. Juni 2011 vom Ständerat definitiv abgelehnt. Ein wesentlicher Grund für die Ablehnung war die Opposition der Kantone, welche Steuerausfälle befürchteten. Damit bleibt es gesamtschweizerisch bei der vom Bundesgericht festgelegten, absoluten Methode.
Der Fiskus hat laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts6 ein berechtigtes Interesse daran, dass bei einer Ersatzbeschaffung von selbstgenutztem Wohneigentum die aufgeschobene Grundstückgewinnsteuer verbindlich festgesetzt wird. Der Steuerpflichtige anderseits hat ein Interesse daran, das Ergebnis der Berechnung gerichtlich anfechten zu können. Damit wird die im beurteilten Fall vom Verwaltungsgericht des Kantons Aargau vertretene Auffassung verworfen, wonach an einer sofortigen Festlegung des Gewinns kein Rechtsschutzinteresse bestehe, weil dieser vorderhand nicht besteuert werde.
Zur Berechnung des Steueraufschubs müssen vom Steueramt Rohgewinn, Anlagekosten und Reinvestition zahlenmässig festgelegt werden. Dann aber ergibt es laut einstimmig ergangenem Urteil des Bundesgerichts7 wenig Sinn, den aufgeschobenen Gewinn nicht auch verbindlich (und anfechtbar) festzulegen. Das gelte umso mehr, als sich der Betrag im Zeitpunkt des Wechsels des Eigenheims um einiges leichter beziffern lässt als nach Jahren oder Jahrzehnten beim Verkauf des zweiten Objekts. Hinzu komme, dass sich die «Probleme potenzieren, wenn nacheinander mehrere Ersatzbeschaffungen stattfinden». Schliesslich verursacht eine zeitnahe Berechnung aus Sicht des Bundesgerichts auch keinen unnötigen Aufwand.
Zwar ist die Erhebung einer Grundstückgewinnsteuer bundesrechtlich vorgeschrieben. Die Kantone haben jedoch einen grossen Gestaltungsspielraum, was zu unterschiedlichen Regelungen geführt hat. Das wirkt sich insbesondere seit dem 1. Januar 2001 negativ aus, weil seit diesem Datum die Ersatzbeschaffung in der ganzen Schweiz möglich ist, jedoch nicht einheitlich geregelt ist, welcher Kanton den Gewinn aus dem Verkauf der Ersatzliegenschaft besteuern darf. So gilt in einigen Kantonen, dass der Kanton, in welchem das ursprüngliche Objekt liegt, besteuern darf, während andere Kantone das Steuersubstrat demjenigen Kanton zuweisen, bei welchem keine steueraufschiebende Veräusserung mehr erfolgt. Das Bundesgericht äusserte sich bisher nicht zu dieser wichtigen Frage. Der Bundesrat strebte gleichzeitig mit der Gesetzesrevision zur Initiative Hegetschweiler eine gesamtschweizerische Regelung an. Diese sollte gleichzeitig die Besteuerungskompetenz der Kantone bei interkantonalen Ersatzbeschaffungen und die gegenseitige Meldepflicht der Kantone regeln. Mit der Ablehnung der Vorlage im Ständerat am 9. Juni 2011 ist dieses Vorhaben jedoch einstweilen vom Tisch.
Dem Konzept der Ersatzbeschaffung liegt die Vorstellung des Normalbürgers zugrunde, der sich einmal im Leben ein Haus kauft und dieses allenfalls aus beruflichen oder altersbedingten Gründen durch ein zweites Haus ersetzt. Die Realität ist viel komplexer, da die Bevölkerung viel mobiler geworden ist. Es kommt immer öfter vor, dass ein Steuerpflichtiger hintereinander eine ganze Anzahl von Häusern kauft und verkauft. Dazu kommen Scheidungen mit Ersatzbeschaffung, was wiederum neue Problemstellungen auslöst. Wer teure Überraschungen vermeiden will, ist gut beraten, vor einer Ersatzbeschaffung die Steuerfolgen abzuklären.
- Urteil 2C_497/2011 vom 15.3.2012.
- Urteil 2C_215/2008 vom 21. August 2007.
- RK ZH 25.3.2008, ZStP, 338; bestätigt durch VGr, 7. Juli 2010, SB 2009.50.
- VGr ZH, 14.3.2012, ZStP 2012, 184; gegen dieses Urteil ist eine Beschwerde vor dem Schweizerischen Bundesgericht (2C_460/2012) hängig.
- NZZ vom 22. November 2011.
- Urteil 6B_188/2011 vom 26.10.2011.
- Urteil 2C_480/2010 vom 20.9.2011.