Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit in der Schweiz hat die Zuwanderung aus den EU-Ländern in die Schweiz deutlich zugenommen. Diese Zahlen haben kritische Diskussionen über die Personenfreizügigkeit hervorgerufen. Die Autoren zeigen in diesem Beitrag die Regelungen der Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen auf inklusive der seit 1. Mai 2012 gültigen Ventilklausel.
Das Personenfreizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und den «alten» EU-Mitgliedstaaten (EU-15) ist seit dem 1. Juni 2002 in Kraft. Als Folge der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 wurde das Abkommen durch ein Protokoll ergänzt. Dieses regelt die schrittweise Einführung mit den zehn neuen EU-Staaten. Für Malta und Zypern galten von Beginn an dieselben Regelungen wie für die «alten» 15 EU-Mitgliedstaaten. Daraus bildet sich die Gruppe der EU-17-Staaten. Am 8. Februar 2009 wurde die Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens (FZA) und das Protokoll II zur Ausdehnung des FZA auf Rumänien und Bulgarien (EU-2) vom Schweizer Volk gutgeheissen. Das Protokoll II trat am 1. Juni 2009 in Kraft.
Seit mehreren Jahren profitieren Staatsangehörige der «alten» EU-Staaten inkl. Zypern und Malta sowie die EFTA-Staaten von der Personenfreizügigkeit. Seit dem 1. Juni 2004 fallen die nationalen Beschränkungen wie Kontingente sowie der Inländervorrang für die erwähnten Mitgliedstaaten (EU-17) weg. Ab dem 1. Mai 2011 begann eine neue Phase der schrittweisen Einführung des freien Personenverkehrs. Zu diesem Zeitpunkt lief die Übergangsfrist gegenüber den EU-8-Staaten ab. Seit dem 1. Mai 2011 ist die Zuwanderung stark angestiegen. Der Bundesrat entschied daher, die Kontingentierung für Personen aus den EU-8-Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn) auf den 1. Mai 2012 wieder einzuführen. Dies gilt für Personen mit einem überjährigen oder unbefristeten Arbeitsvertrag für die Schweiz oder selbständig Erwerbstätige, die sich in der Schweiz niederlassen. Schweizweit können 2180 Bewilligungen für Personen aus den EU-8-Staaten erteilt werden. Der Arbeitsort ist massgebend und die Zuständigkeit liegt beim jeweiligen kantonalen Migrationsamt. Die Verlängerung einer bestehenden Bewilligung oder die Ausstellung einer Kurzaufenthalterbewilligung (Aufenthaltsdauer von weniger als 365 Tagen) sind davon nicht betroffen.
Seit der Einführung der Personenfreizügigkeit in der Schweiz (2002) hat die Zuwanderung aus den EU-Ländern in die Schweiz deutlich zugenommen. Mit einem Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung von 22% kommen auf 7,8 Mio. Einwohner 1,2 Mio. Personen aus den EU- und EFTA-Ländern. Dies stellt ca. 10% der europäischen Bevölkerung dar, welche im Ausland lebt und arbeitet. Ungefähr 260 000 Grenzgänger und Grenzgängerinnen kommen jeden Tag zur Arbeit in die Schweiz. Das entspricht etwa 25% aller Grenzgänger und Grenzgängerinnen innerhalb Europas. Auch die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung im Rahmen des FZA kennt seit seinem Inkrafttreten hohe Wachstumsraten. Die Anzahl Dienstleistungserbringer hat sich in diesem Zeitraum beinahe verdoppelt. 2011 betrug die Wachstumsrate im Vergleich zum Vorjahr 22%. Dies verdeutlicht, wie gut das Abkommen funktioniert und in welchem Ausmass die Personenfreizügigkeit mit der Schweiz auch der EU und ihren Mitgliedstaaten Vorteile bringt. Diese Zahlen haben in gewissen Kreisen in der Schweiz kritische Diskussionen über die Personenfreizügigkeit hervorgerufen. Themen wie Lohndruck, steigende Kosten für das Wohnen und überlastete Transportinfrastrukturen werden mit der Zuwanderung in Verbindung gebracht. Staatsangehörige aus den «alten» Mitgliedstaaten sind von allen Ausländergruppen am besten im Schweizer Arbeitsmarkt integriert. Sie sind überdurchschnittlich qualifiziert und weisen nach den Schweizer Arbeitskräften die niedrigste Arbeitslosenquote auf. Schliesslich blieb ein dämpfender Effekt auf die Löhne der ansässigen Erwerbsbevölkerung weitgehend aus.
Um zu verhindern, dass die Personenfreizügigkeit zu Lohndruck und Arbeitslosigkeit führt, wurden die flankierenden Massnahmen beschlossen. Der Grundsatz der Massnahmen ist: Wer in der Schweiz arbeitet, muss einen Schweizer Lohn erhalten und zu Schweizer Arbeitsbedingungen beschäftigt werden.
Mit diesen Massnahmen hat die Schweiz ein Instrument, mit dem die Zuwanderung von Erwerbstätigen kontrolliert werden kann. Mit einer konsequenten Umsetzung der flankierenden Massnahmen über Kontrollen sowie Einhaltung der Mindestlöhne und behördlichen Sanktionen können die Schweizer Saläre geschützt und ein Lohndumping soweit als möglich vermieden werden. Die Massnahmen stehen aus Schweizer Sicht im Einklang mit dem FZA. Sie tragen dazu bei, allfällige Missbräuche zu verhindern und die politische Nachhaltigkeit des Abkommens zu sichern. Sie sind nicht diskriminierend und stellen verhältnismässige Interventionen zum Schutz der inländischen Arbeitnehmenden dar. Verschiedene EU-Mitgliedstaaten haben ebenfalls Massnahmen auf der Basis der EU-Entsenderichtlinien eingeführt.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit bewährt haben. Die Anwendung dieser Massnahmen hat aber auch verschiedene Lücken in der Gesetzgebung aufgezeigt. Diese will der Bundesrat mit einer Änderung der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schliessen. Vorgesehen sind unter anderem neue Sanktionsmöglichkeiten bei Scheinselbständigkeit und bei Verstössen gegen zwingende Lohn- und Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig soll der Vollzug der Massnahmen effizienter werden. Entsprechende Massnahmen sind in Vorbereitung. Im Zentrum stehen eine Optimierung der strategischen und operativen Steuerung der flankierenden Massnahmen sowie eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren. Das hat der Bundesrat am 4. Juli 2012 gegenüber der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) bekräftigt. Die Zuwanderung der letzten Jahre wirkt sich in weiten Teilen positiv auf die Entwicklung der Schweiz aus: Sie deckt den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, unterstützt das wirtschaftliche Wachstum und fördert den Wohlstand. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht zu einer unkontrollierten Zuwanderung gekommen ist. Unter Abwägung aller Vor- und Nachteile kam der Bundesrat zum Schluss, dass sich das duale Zulassungssystem bewährt hat. Auch in den nächsten Jahren bietet es die besten Voraussetzungen, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein.
Drittstaatsangehörige sind Bürger aus Staaten ausserhalb der EU-27. Bei der Anstellung eines Non-EU-Staatsangehörigen muss der Schweizer Arbeitgeber nachweisen, dass er keine Arbeitskraft vom Schweizer und europäischen respektive EFTA-Arbeitsmarkt rekrutieren konnte, die sich zur Besetzung der Vakanz qualifiziert. Bewilligungen werden nur dann erteilt, wenn die Anstellung einem gesamtwirtschaftlichen Interesse dient, die Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden und die offene Stelle beim regionalen Arbeitsamt gemeldet wurde. Diese Bedingungen sollen die Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Arbeitnehmender sicherstellen. Arbeitsbewilligungen für Drittstaatsangehörige werden nur für Spezialisten und Spezialistinnen erteilt, d.h. nur für besonders qualifizierte Arbeitskräfte. All dies wird in einem dreistufigen Verfahren geprüft: durch die kantonalen Arbeitsmarktbehörden, das Bundesamt für Migration und die kantonalen Migrationsämter. In komplexen Fällen empfiehlt sich die Unterstützung durch einen Experten. Die Schweizer Unternehmen können 2012 insgesamt 8500 Spezialistinnen und Spezialisten aus Drittstaaten rekrutieren, konkret 3500 überjährige Aufenthaltsbewilligungen und 5000 Kurzaufenthaltsbewilligungen.
Vom Entsendegesetz (EntsG) erfasst werden Angestellte, die in der Schweiz entweder auf Rechnung und unter Leitung ihres Arbeitgebers im Ausland im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen ihm und dem Leistungsempfänger in der Schweiz eine Arbeitsleistung erbringen oder die in der Schweizer Niederlassung des ausländischen Arbeitgebers für eine befristete Zeit (z.B. in einem Projekt) arbeiten. Die Erwerbstätigkeit von Entsandten, die weiterhin im Rahmen eines ausländischen Arbeitsvertrages in der Schweiz tätig werden sollen, erfordert eine gültige Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung. Eine solche wird von den zuständigen Arbeitsmarkt- und Migrationsbehörden mit einem dreistufigen Bewilligungsverfahren erteilt.
Nicht dem EntsG unterstellt ist hingegen der Personalverleih vom Ausland in die Schweiz, weil dieser gemäss Arbeitsvermittlungsgesetz nicht gestattet ist. Das EntsG sowie die dazugehörige Verordnung regeln die minimalen Arbeits- und Lohnbedingungen, die den in die Schweiz entsandten Arbeitnehmenden gewährt werden müssen. Zu beachten sind Vorschriften über die minimale Entlöhnung, Arbeits- und Ruhezeiten, Mindestdauer der Ferien, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, Schutz von Schwangeren, Wöchnerinnen, Kindern und über die Nichtdiskriminierung. Diese Bestimmungen ergeben sich aus Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemein verbindlichen Gesamtarbeitsverträgen oder aus Normalarbeitsverträgen. Entsandte Angestellte haben zudem Anspruch auf eine Unterkunft zu einem bezüglich Hygiene und Komfort üblichen Standard. Im Weiteren regelt das EntsG das Meldeverfahren, welches bei Entsendungen bis 90 Tage aus einem Mitgliedstaat der EU-25 / EFTA das Bewilligungsverfahren abgelöst hat.
Am 1. Juni 2002 ist das Freizügigkeitsabkommen (FZA) formell in Kraft getreten. Seitdem haben Schweizer Bürgerinnen und Bürger bzw. EU-Bürgerinnen und -Bürger einen erleichterten Zugang zum EU- bzw. Schweizer Arbeitsmarkt und können sich jederzeit niederlassen. Ebenso vereinfacht das FZA die Dienstleistungserbringung, regelt die Koordination der Sozialversicherungssysteme und die Anerkennung von Berufsdiplomen. Die Schweiz zieht insgesamt eine positive Bilanz. Das Abkommen funktioniert gut und bringt der Schweizer Wirtschaft und dem Standort zahlreiche Vorteile. In Gegenzug zum erleichterten Zugang von EU- und EFTA-Angehörigen wurde die Erlangung einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung für Drittstaatsangehörige erschwert. Trotz dem steigenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften hat der Bundesrat die Bewilligungskontingente für Drittstaatsangehörige mit den Bilateralen I seit 2002 massiv gekürzt. Heute stehen gesamtschweizerisch noch 3500 Daueraufenthalts- und 5000 Kurzaufenthaltsbewilligungen zur Verfügung.