Die Nettorendite hat Vorrang gegenüber der Ortsüblichkeit, solange das Mietobjekt noch nicht mehrere Jahrzehnte im Eigentum steht bzw. der Kaufpreis nicht offensichtlich übersetzt ist. Da der Mietzins von monatlich netto Fr. 1500 auf einer über 250% übersetzten Rendite beruhte, wurde er auf monatlich netto Fr. 410.50 reduziert. Es ist Sache des Vermieters, Unterlagen zu den Anlagekosten des Mietobjekts beizubringen.
Eine Mieterin zog am 1. Juli 2004 in eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Genf mit einer Fläche von 48 m2 ein. Anlässlich des Mieterwechsels wurde der Mietzins nach Neuanstrich von Wohn- und Schlafzimmer von monatlich netto Fr. 1400 auf Fr. 1500 angehoben. Die Erhöhung wurde auf der Formularanzeige Anfangsmietzins mit der Anpassung an die Ortsüblichkeit begründet. Die Mieterin focht den Anfangsmietzins an. Angesichts der Wohnungsnot in Genf lagen die Voraussetzungen für diese Anfechtung vor. Nach einem sehr langen Verfahren mit Rückweisungen präsentierte sich dem Bundesgericht der folgende Sachverhalt: Die Wohnung lag in einer älteren Liegenschaft, welche zwischen 1921 und 1946 gebaut worden ist. Die ganze Liegenschaft gehörte einer Immobiliengesellschaft, welche die einzelnen Wohnungen am 12. Juli 1984 in Stockwerkeigentum umwandelte. Der heutige Eigentümer der Wohnung erwarb im Juni 1988 27 Aktien dieser Immobiliengesellschaft und zahlte dafür Fr. 79 500. 1997 wurde die Immobiliengesellschaft aufgelöst und die Wohnung auf den Namen des Vermieters im Grundbuch eingetragen. Für das Bundesgericht war klar, dass sich der höchstzulässige Mietzins dieser Wohnung aufgrund der Nettorendite bemisst, denn das Mietobjekt wurde 1997 erworben. Es verwies dazu auf seine feststehende Rechtsprechnung seit BGE 124 III 310, zuletzt bestätigt in BGer. 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011. Ein ortsüblicher Mietzins, der zu einer missbräuchlichen Nettorendite führt, ist daher unzulässig. Nur bei Mietobjekten, die schon seit mehreren Jahrzehnten keine wirtschaftliche Handänderung mehr erfahren haben oder im Falle eines offensichtlich übersetzten Kaufpreises, kann die Ortsüblichkeit anstelle der Nettorendite treten. Schliesslich kann der Vermieter bei einer Schenkung oder einer gemischten Schenkung die ihm gewährte Vergünstigung zu den Anlagekosten hinzurechnen. Die Schwierigkeit im vorliegenden Fall war die Bestimmung der Anlagekosten des Mietobjektes. Grundsätzlich – so das Bundesgericht – kann der Kaufpreis der Aktien bei einer Immobiliengesellschaft nicht als Kaufpreis für das Mietobjekt gelten. Dem Vermieter wäre es daher im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht offen gestanden, den Verkehrswert der Wohnung anlässlich der grundbuchlichen Übertragung in sein Eigentum nachzuweisen. Der Vermieter versäumte dies aber. Das schlug zu seinem Nachteil aus und hatte die Konsequenz, dass auch das Bundesgericht für die Berechnung der zulässigen Nettorendite von Anlagekosten ausging, die dem seinerzeitigen Kaufpreis der Aktien entsprachen. Damit ergab sich ein deutlich übersetzter Mietzins, der von monatlich netto Fr. 1500 auf monatlich netto Fr. 410.50 reuziert wurde.
Art. 269 und Art. 269a OR
(BGer., 27.01.12 {4A_645/2011}, mp-flash 4/2012, S. 1)