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Art. 49 Abs. 6 aBV enthielt eine Sonderregelung, nach der niemand gehalten war, Steuern zu zahlen, welche speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft, der er nicht angehört, auferlegt werden. Mit dem Verzicht auf deren Aufnahme in die neue BV ist davon auszugehen, dass Abgabepflichten für religiöse Zwecke jetzt anhand der allgemeinen, bei der Glaubens- und Gewissensfreiheit gemäss Art. 15 Abs. 1 BV geltenden Kriterien zu beurteilen sind. Die Pflicht zur Steuerleistung gründet auf dem allgemeinen Mittelbedarf des Staates und nicht auf der Verfolgung ganz bestimmter staatlicher oder religiöser Zwecke; ein religiöser Zwang geht deshalb davon grundsätzlich nicht aus. Die Steuerpflicht kann daher nicht mit Argumenten bestritten werden, die die Mittelverwendung durch den Staat betreffen; denn selbst wenn der Staat Mittel für religiöse Zwecke verwendet, ist die Verbindung zur Mittelbeschaffung beim Steuer­pflichtigen derart lose, dass nicht gesagt werden kann, der Einzelne unterstütze mittels seiner Steuern eine bestimmte Religionsgemeinschaft. Davon kann nur schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil lediglich ein verschwindend kleiner Anteil vom Gesamtbudget für Kultuszwecke verwendet wird. Auch angesichts der grossen Zahl der Steuerpflichtigen kann keine Rede davon sein, dass die einzelnen Steuerpflichtigen in auch nur in Ansätzen feststellbarem Umfang an die ­finanzielle Unterstützung einer Religionsgemeinschaft beitragen. Selbst wenn unter den ge­gebenen Umständen eine Berührung der Glaubens- und Gewissensfreiheit bejaht würde, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Pflicht zur Bezahlung der unverminderten Kantonssteuer erschiene gemäss Art. 36 BV als zulässige Einschränkung dieses Grundrechts.

Art. 49 Abs. 6 aBV; Art. 15 Abs. 1 und Art. 36 BV

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(BGer., 22.11.11, StE 2012, A 25 Nr. 11)

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