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Im Rahmen des Verfahrens zur Abänderung eines Scheidungsurteils darf einem Exgatten nicht rückwirkend ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden. Vielmehr ist der betroffenen Partei hinreichend Zeit einzuräumen, um ihre Lebensumstände den veränderten Bedingungen anzupassen. Im Scheidungsurteil war die Unterhaltsfrage auf der Basis einer Konvention geregelt worden, die für die Ehefrau keine Beteiligung an den Schulkosten der Kinder vorsah. Auch für den Fall eines Wechsels der Schule war keine automatische Anpassung vorgesehen. In Abänderung des Scheidungs­urteils wurde sie indes verpflichtet, rückwirkend ab einem Wechsel der Schule monatlich 575 Franken an die Ausbildungskosten des Sohnes zu bezahlen. Das Bundes­gericht hebt das Urteil in diesem Punkt auf und räumt der Frau eine Übergangsfrist von sechs Monaten ein. Verlangt der Richter die Aufnahme oder Ausweitung der Erwerbstätigkeit, indem er die betreffende Partei durch Anrechnung eines hypothetischen Einkommens zur Umstellung ihrer Lebensverhältnisse zwingt, ist der verpflichteten Partei hinreichend Zeit zu lassen, die rechtlichen Vorgaben in die Tat umzusetzen. Im beurteilten Fall durfte die Beschwerde führende Exfrau grundsätzlich vom Bestand des Scheidungsurteils ausgehen. Sie musste erst damit rechnen, sich an den Ausbildungskosten für den Sohn beteiligen zu müssen, nachdem sie vom Abänderungsgesuch ihres Exmannes erfuhr. «Ab diesem Zeitpunkt ist ihr eine Übergangsfrist zu gewähren, wobei unter den gegebenen Umständen rund sechs Monate als angemessen erscheinen.»

Art. 8, Art. 277 und Art. 286 ZGB; Art. 9 und Art. 29 BV; Art. 107 ZPO

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(BGer., 12.06.13 {5A_693/2012}, Jusletter 8.07.2013)

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