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Die Ehefrau hat ihren steuerrechtlichen Wohnsitz im Kanton Tessin, wo sie in einer eigenen Wohnung lebt. Sie wird zusammen mit ihrem Ehemann besteuert. Dieser hat seinen steuerrechtlichen Wohnsitz im Kanton Freiburg, wo er für den Kanton tätig ist. Die beiden Eheleute haben somit zwei getrennte Hauptsteuerdomizile. Sie haben keine Kinder. Die Ehefrau ist taub und leidet an einer weiteren Gesundheitsbeschwerde (Diabetes). In ihrer Tessiner Steuererklärung beantragt die Ehefrau Abzüge für Krankheitskosten, davon CHF 2500.– für die wegen der Diabetes notwendige Diät, CHF 2500.– für behinderungsbedingte Kosten sowie einen Abzug für eine gemeinnützige Zuwendung im Betrag von CHF 150.–. In seiner Veranlagung verweigert der Kanton Freiburg jeglichen Abzug der Gesundheitskosten und der behinderungsbedingten Kosten für die Ehefrau. Der Kanton Tessin gewährt die Abzüge, teilt sie jedoch proportional mit dem Kanton Freiburg auf. Daraus ergibt sich eine effektive Doppel­besteuerung. Es stellt sich die Frage, wie die Sozialabzüge zwischen den beiden Hauptsteuerdomizilen aufzuteilen sind. Im konkreten Fall von Eheleuten mit getrennten Wohnsitzen hat das Bundesgericht befunden, dass für jeden erwähnten Abzug bestimmt werden soll, ob die Ausscheidung objektiv oder proportional vorzunehmen ist. Aus dieser Analyse ergibt sich Folgendes:

  • Die Versicherungsprämien (Art. 9 Abs. 2 lit. g StHG) sollen zwischen den beteiligten Kantonen im Verhältnis der Nettoeinkünfte verteilt werden.
  • Die Krankheitskosten (Art. 9 Abs. 2 lit. h StHG) sollen an den Wohnsitzkanton derjenigen Person, die sie tatsächlich trägt, zugeteilt werden; der nicht abzugsfähige Betrag wird aufgrund ihrer eigenen Einkünfte berechnet.
  • Die behinderungsbedingten Kosten (Art. 9 Abs. 2 lit. hbis StHG) werden, sofern sie vom Steuerpflichtigen selber getragen werden, objektmässig seinem Steuerwohnsitz zugeteilt.
  • Jede Person darf die geleisteten eigenen Zuwendungen (Art. 9 Abs. 2 lit. i StHG), deren abzugsfähiger Betrag aufgrund der jeweils eigenen Einkünfte berechnet wird, abziehen.

Art. 9 Abs. 2 lit. g, Art. 9 Abs. 2 lit. h, Art. 9 Abs. 2 lit. hbis und Art. 9 Abs. 2 lit. i StHG; Art. 127 Abs. 3 BV

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(BGer., 23.07.12 {2C_891/2011}, StR 2012, S. 823)

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