Free Cashflow – auch als freier Cashflow bekannt – ist eine zentrale Grösse für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen bei Klein- und Mittelunternehmen (KMU). Eine adressatengerechte Berechnung und Interpretation dieser Grösse ist daher in der Beratung von KMU von grosser Bedeutung.
Der Free Cashflow ist eine zentrale Steuerungsgrösse. Sie gibt Auskunft darüber, ob ein KMU aus dem operativen Geschäft nach Abzug der notwendigen Investitionen über genügend flüssige Mittel verfügt, um Zinsen und Amortisationen von Fremdkapital und Ausschüttungen an die Eigenkapitalgeber zu bewerkstelligen.
Als rechnerische Faustregel lässt sich der Free Cashflow aus der Differenz zwischen dem operativen Cashflow (Geldfluss aus Geschäftstätigkeit) und dem investiven Cashflow (Geldfluss aus Investitionstätigkeit) ermitteln. Da viele KMU nach dem revidierten Rechnungslegungsrecht nicht verpflichtet sind, eine Geldflussrechnung zu erstellen, kann vermutet werden, dass ein grosser Aufklärungs- und Beratungsbedarf bei zahlreichen KMU besteht. Für viele Kapitalgeber ist der Free Cashflow eine – oder gar die – zentrale Finanzkennzahl. Sie ist kaum manipulierbar und zeigt über einen Zeitverlauf deutlich auf, ob ein Geschäftsmodell eines KMU ausreichend flüssige Mittel erzielt.
Die rechnerische Faustregel (auch als Praktikermethode bezeichnet) ist zwar sehr tauglich, jedoch kann es für eine adressatengerechte Beratung von KMU angebracht sein, zwischen zwei verschiedenen Arten von Free Cashflow zu unterschieden. Daher kann differenziert werden, ob der Free Cashflow für die Eigenkapital- oder die Fremdkapitalgeber errechnet werden soll. Es kann zwischen einem Free Cashflow für Fremdkapital- und Eigenkapitalgeber (FC F & E) und einem Free Cashflow für Eigenkapitalgeber (FC E) unterschieden werden. Eine Differenzierung beim Free Cashflow ist in Fällen von hoher Verschuldung besonders aussagekräftig. Die beiden Arten von Free Cashflow werden wie folgt berechnet:
Free Cashflow (FC F & E)
= Jahresgewinn + nicht liquiditätswirksame Aufwendungen
+ [Fremdkapitalzinsen x (1 – Steuersatz)]
– Investitionen ins Anlagevermögen und Umlaufvermögen
Free Cashflow (FC E)
= FC F & E – [(Fremdkapitalzinsen x (1 – Steuersatz)]
– Kreditamortisationen + Kreditaufnahme
Beim Free Cashflow für Fremd- und Eigenkapitalgeber werden die Fremdkapitalzinsen nach Steuern dazugerechnet, da das Interesse auf dem gesamten Free Cashflow liegt. Diese Formel unterscheidet sich daher deutlich von der Praktikermethode. Beim Free Cashflow für Eigenkapitalgeber wird dagegen die Netto-Kreditaufnahme berücksichtigt und die bezahlten Fremdkapitalzinsen subtrahiert. Von Interesse bei dieser Kennzahl sind die frei verfügbaren, flüssigen Mittel für die Gesellschafter.
Vergleicht man die rechnerische Faustregel mit den voranstehenden Formeln, ist ersichtlich, dass eine detaillierte Berechnung ein präziseres Bild geben kann. In Fällen einer hohen Verschuldung eines KMU kann die Art der Berechnung durchaus entscheidend sein.
Einfaches rechnerisches Beispiel ABC AG
Die ABC AG (Schweizer KMU) verfügt über folgende Zahlen zum Jahresabschluss (fiktive Zahlen in TCHF), wobei der Fremdkapitalzins aufgrund der hohen Verschuldung relativ hoch ist und sich die Verschuldung nur aus einem Unternehmenskredit bei der Hausbank zusammensetzt:
Umlaufvermögen 100
Anlagevermögen 100
Fremdkapital 150
Unternehmenskredit 90
Eigenkapital 50
Jahresgewinn 20
Fremdkapitalzins 10%
Abschreibungen 10
Rückstellungsaufwand 10
Kauf von Maschinen 5
Erhöhung Umlaufvermögen 5
Erhöhung Fremdkapital 20
Der Free Cashflow nach der rechnerischen Faustregel beträgt:
Jahresgewinn + Abschreibung + Rückstellungsaufwand – Kauf Maschine – Erhöhung Umlaufvermögen = 20 + 10 + 10 – 5 – 5 = 30
Der Free Cashflow für Fremd- und Eigenkapitalgeber beträgt (gemäss Formel):
20 + 10 + 10 + (90 x 10%) x (1 – 0.3) – 5 – 5 = 36.3
Der Free Cashflow nur für die Eigenkapitalgeber beträgt (gemäss Formel):
36.3 – (90 x 10%) x (1 – 0.3) + 20 = 50
Das rechnerische Beispiel zeigt, dass die Definition des Free Cashflow bedeutend ist für eine zweckmässige Beratung eines KMU. Die rechnerische Faustregel führt zu einem annäherungsweisen Resultat, aber in Fällen einer höheren Verschuldung kann es für viele KMU von Vorteil sein, eine differenzierte Darstellung zu erhalten.
Für die Interpretation des Free Cashflow ist das Wissen über die Formel zentral. Ein wichtiger Zusammenhang besteht jedoch zwischen dem Jahresgewinn, dem operativen Cashflow (Geldfluss aus Geschäftstätigkeit) und dem Free Cashflow. Alle drei Grössen bewegen sich bei einem stabilen KMU ungefähr in die gleiche Richtung. Ein rentables Unternehmen erzielt ausreichend Gewinn und genügend flüssige Mittel, um die finanziellen Verpflichtungen bedienen zu können. Daher sollten sich diese drei Grössen über die Zeit hinweg in ähnliche Richtungen entwickeln.
Der Free Cashflow ist auch für die Bewertung eines Unternehmens ein tauglicher Ansatz. Insbesondere in Fällen, bei welchen ein KMU keine Dividenden bezahlt oder ein Eigentümer über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, ist der Free Cashflow die zweckmässige Alternative zu den übrigen Unternehmensbewertungsgrössen.
Ein umfassendes Wissen über die Kennzahl Free Cashflow kann vielen KMU einen echten Mehrwert bieten, um nachhaltige und fundierte Entscheidungen treffen und ein Unternehmen wertorientiert führen zu können.