Issue
Category
Content
Text

Das Bundesgericht hat seine Rechtsprechung, wonach ein Vermögensverwalter sogenannte Retrozessionen grundsätzlich dem Kunden abliefern muss, in zwei Punkten präzisiert: Zunächst gilt die Herausgabepflicht nicht nur für externe Vermögensverwalter, sondern auch für eine Bank, die im Rahmen eines solchen Auftrags sogenannte Bestandespflegekommissionen erhält. Und sodann muss die Bank dem Kunden auch Vergütungen überlassen, die sie bei der Investition in Produkte des eigenen Konzerns erhält. Von Retrozession ist die Rede, wenn ein Vermögensverwalter, gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung, von einem Dritten (besonders einem Vermittler im Vermögensverwaltungs- und Kapitalanlage-Geschäft) einen Anteil einer vereinnahmten Kommission erhält.

Zu beurteilen war in Lausanne der Fall eines Kunden der UBS. Diese verwaltet einerseits gegen Entgelt seine Wertschriftenvermögen und vertreibt andererseits Anlagefondsanteile für verschiedene Fondsleitungen. Als Vergütung für den Vertrieb der Fonds erhält sie die erwähnten Bestandespflegekommissionen. Dabei handelt es sich um einen Teil der dem Fondsvermögen periodisch belasteten Verwaltungskommission. Der zwischen dem Kunden und der Bank abgeschlossene Vermögensverwaltungsvertrag untersteht dem Auftragsrecht. Dieses verpflichtet den Beauftragten, jederzeit Rechenschaft abzulegen und dem Auftraggeber alles abzuliefern, was ihm bei der Ausführung des Auftrags zukam. Dazu gehören auch indirekte Vorteile, denn der Beauftragte soll laut einstimmig ergangenem Urteil der I. Zivilrechtlichen Abteilung «durch den Auftrag – abgesehen von einem allfälligen Honorar – weder gewinnen noch verlieren». Diese Herausgabepflicht konkretisiert die allgemeine Treuepflicht des beauftragten Vermögensverwalters und soll Interessenkonflikte vermeiden. Aus diesem Grund gilt die Ablieferungspflicht auch für Banken, die Bestandespflegekommissionen erhalten. Denn auch die Bank kann dem Anreiz erliegen, bestimmte Anlageprodukte vorzuziehen, auch wenn das möglicherweise nicht im Interesse des Kunden liegt. Im Übrigen sind nur indirekte Vorteile, die von einem Dritten stammen, an den Kunden weiterzugeben. Daher besteht bei Produkten, die von der UBS selbst herausgegeben werden, keine Herausgabepflicht. Anders verhält es sich bei Anlagevehikeln, die von anderen Gesellschaften des UBS-Konzerns stammen. Trotz Konzernrechnung hat der Konzern gemäss schweizerischem Recht keine eigene Rechtspersönlichkeit, und jede Gesellschaft haftet einzeln für ihre Verbindlichkeiten. Daher stammen auch konzernintern geleistete Zahlungen von einem Dritten und müssen grundsätzlich an den Kunden weitergegeben werden. Denn laut dem Urteil aus Lausanne «besteht auch beim Einsatz konzerneigener Anlageprodukte die Gefahr, dass die Bank ihre Verwaltungstätigkeit nicht im Interesse des Auftraggebers ausübt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, zusätzliche Entschädigungen zu erhalten».

Art. 400 Abs. 1 OR

Text

(BGer., 30.10.12 {4A_127/2012}, NZZ vom 1.11.12)

Tags
Date