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Die im Titel gestellte Frage mag etwas skurril tönen. Das Bundesgericht – sozialrechtliche Abteilung in Luzern – hat mit zwei neuen Urteilen diesbezüglich für grosse Unsicherheit gesorgt. Nach diesen Urteilen riskiert ein Dienstleister, dass sein Mitarbeiter unter gewissen Umständen plötzlich und rückwirkend zum Arbeitnehmer des Kunden wird. Das ist eine unerfreuliche und eine unhaltbare Perspektive, sowohl für Dienstleistungsunternehmen wie für deren Arbeitnehmer.

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1. Gerichtlich verordneter Arbeitgebertausch
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1.1 Sachverhalt (Urteil 9C_459/2011 vom 26. Januar 2012)
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(Auszugsweise aus dem Urteil) «Die im August 2003 in der Rechtsform einer Stiftung gegründete ETH Zürich Foundation bezweckt u.a. die Forschung und Lehre an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). Bis Ende April 2005 waren die für die Stiftung tätigen Mitarbeiter über die ETHZ bei der Eidgenössischen Ausgleichskasse (EAK) versichert. […] Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz war die Beschwerdeführerin ab 26. Januar 2004 während eines Tages in der Woche für die ETH Zürich Foundation tätig. Die Tätigkeit war zu Beginn beratender Natur, wobei sie bereits damals in ihrer Funktion als Ambassador der Geschäftsführung operative Aufgaben übernahm. Es war eine fixe Entschädigung, eine relative Anwesenheitspflicht und für den Fall der Beendigung der Zusammenarbeit eine Kündigungsfrist von einem Monat vereinbart. Ab 1. Juli 2004 betrug der zeitliche Umfang der Tätigkeit 80% eines Vollzeitpensums. Neu war die Beschwerdeführerin Delegierte des Stiftungsrates […] und Geschäftsführerin der Geschäftsstelle der Stiftung. Entsprechend den im Mandatsvertrag mit der M. AG vom 23. November 2004 festgehaltenen Aufgaben war die Beschwerdeführerin umfassend mit der strategischen und operativen Leitung der Stiftung betraut. Sie war direkt dem Stiftungsratspräsidenten unterstellt und mit diesem zusammen zeichnungsberechtigt.»

Die Eidg. Ausgleichskasse forderte im Juli 2008 aufgrund einer Arbeitgeberrevision bei der Stiftung von dieser paritätische Lohnbeiträge auf die Honorare (nicht etwa auf einen Lohnteil) für die Zeit von Januar 2004 bis April 2005. Dies, obwohl ein Mandatsvertrag bestand mit der M. AG, bei welcher die Beschwerdeführerin als Alleinaktionärin in einem ordentlichen Arbeitsverhältnis für ihre Tätigkeit entlöhnt und mit den Sozialversicherungen abgerechnet worden ist.

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1.2 Das Urteil
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Die Fakten
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Das Bundesgericht hat in seinem Urteil die Erbringung einer Dienstleistung für eine Stiftung durch die Arbeitnehmerin einer AG als unselbständige Tätigkeit qualifiziert, weil eine arbeitsorganisatorische Abhängigkeit und eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Präsidenten des Stiftungsrates bestehe. Dies führte zur Qualifikation des vertraglich geschuldeten Entgelts (des Honorars) als massgebenden Lohn, was sich nach Art. 12 Abs. 1 AHVG dahingehend auswirkte, dass die Stiftung als Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin betrachtet wurde. Die bisherige Praxis, wonach das Honorar nicht Lohn sei, wenn ein Verwaltungsrat seine Tätigkeit als Arbeitnehmer eines Dritten ausübt,1 hätte auf die Frage erweitert werden können, inwieweit sich die Ansicht dazu unterscheidet, wenn nicht eine AG und ein Verwaltungsrat, sondern eine Stiftung und eine Geschäftsleiterin oder Stiftungsrätin involviert sind. Das Bundesgericht erklärte das massgebende Präjudiz kurzerhand als unbehelflich, ohne auch nur ansatzweise darzutun, warum hier etwas ganz anderes vorliege.2

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Die Kritik
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Das Urteil ruft nach Kritik. Einmal mehr hat das Bundesgericht dem Versuch der Verwaltung nachgegeben, im Nachhinein ohne Not und ohne klare Rechtsgrundlage rückwirkend Sachverhalte abweichend zu beurteilen. Es hat des Weiteren in methodisch fragwürdiger Weise ein bestehendes Arbeitsverhältnis aufgebrochen und den Arbeitgeber gewissermassen ersetzt – zum Nachteil der versicherten Person, der damit gewissermassen ein Teil des Schutzes des Sozialsystems entzogen wird. Es hat ausserdem – und das ist wohl die gravierendste Erkenntnis des Urteils – kundgetan, dass das Zivilrecht fürs Sozialversicherungsrecht praktisch bedeutungslos ist, wenn es nicht ins Argumentarium passt.

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a) Rückwirkung und Verfahrensökonomie
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Man stelle sich bloss einmal den Zeitverlauf vor: Die Beratungsgesellschaft M. AG hat in den Jahren 2004 und 2005 ihre strategischen und operativen Dienstleistungen erbracht – übrigens ganz in Übereinstimmung mit dem statutarischen Zweck der M. AG. Im Jahr 2008 fordert die Ausgleichskasse die rückwirkende Umqualifizierung des Honorars als Lohn, im April 2011 entscheidet das kantonale Sozialversicherungsgericht und im Januar 2012 schliesslich gibt das Bundesgericht den Segen zu einer solchen rückwirkenden Statusänderung. Wo bleibt da die in den Jahren 1985 ff. durch das Bundesgericht beschriebene Praxis, dass bei einem Wechsel des Beitragsstatuts sich eine gewisse Zurückhaltung empfehle, wofür vor allem der Grundsatz der Verfahrens­ökonomie spreche?3 Eigentlich handelt es sich ja gar nicht um einen Grenzfall in der Qualifikation, der Anlass zu einem Statuswechsel bieten kann, denn es geht nicht um die Abgrenzung von selbständiger zu unselbständiger Tätigkeit, wie das sonst bei ­Statuswechseln das Thema ist.

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b) Statuswechsel am untauglichen Objekt
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Das Bundesgericht hat mit den Definitionsmerkmalen zur Unterscheidung selbständig / unselbständig, welche dazu dienen sollen, «Scheinselbständigkeiten» zu vermeiden, hier eine unselbständige Erwerbstätigkeit konstruiert. Es lag gar kein solcher Abgrenzungsfall vor; die Beschwerdeführerin war Arbeitnehmerin, eingebunden ins System der sozialen Sicherheit, und es bestand kein Anlass, für sie einen anderen Arbeitgeber zu suchen. Das Bundesgericht hat festgestellt, dass diese Frau etwas tut, was auch eine Arbeitnehmerin tun kann – operative Führung eines Unternehmens – und deshalb den Arbeitgeber gesucht, obwohl diese Frau einen Arbeitgeber hatte. Fatal ist, dass das Bundesgericht das Ziel des umfassend zu gewährenden Sozialschutzes damit selbst torpediert hat. Mit dem «Statuswechsel», der eigentlich nur ein partieller Arbeitgeberwechsel ist, wird der Schutz von BVG, UVG und ALV prekär. Warum soll denn hier überhaupt der Status verändert werden? Die AHV-Beiträge sind die gleichen, egal, von welchem Arbeitgeber sie geschuldet sind. Richtigerweise darf man das vertraglich vereinbarte Honorar nicht einfach als Lohn der Beitragspflicht unterstellen, was aber faktisch nun wohl so geschehen ist und der AHV zu Mehreinnahmen verholfen hat.

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c) Der Durchgriff durch das Zivilrecht
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Grundsätzlich befremdet an dieser Rechtsprechung, dass auf dem kalten Weg der sogenannte Durchgriff, d.h. die Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Struktur, praktiziert wird. Was bedeutet das nun für die Praxis? Wenn ein Gericht im Rahmen seiner Rechtsprechung die zivilrechtliche Regelung überrennen will, soll es zumindest erklären, warum es dies tut und welche wichtigen methodischen und systema­tischen Gründe dazu Anlass geben. Die Beschwerdeführerin hat denn auch moniert, es liege mit dem Mandatsverhältnis zwischen zwei juristischen Personen kein Rechtsmissbrauch, keine Umgehung vor. Die Erbringung von Dienstleistungen in dieser Weise erfolge tausendfach in der Schweiz und ihre Arbeitgeberin habe für sie ganz korrekt alle Sozialversicherungen abgerechnet. Das Gericht hört das nicht. «Es bestand eine klare Einbindung in die ­Arbeitsorganisation der Stiftung und eine Weisungsgebundenheit (vorne E. 3.2). Demgegenüber hatte die M. AG keine Befugnisse, was die Ausübung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen des Mandatsvertrages betraf und angesichts des Vollpensums bei der ETH Zürich Foundation auch keine selbständige Bedeutung. Unter diesen Umständen kann die rechtliche Selbständigkeit der M. AG, an die das Honorar für ihre Tätigkeit für die Stiftung bezahlt wurde, keine Beachtung finden.»4 So einfach geht das. Halten wir hier doch einmal fest, dass Werbe- und Kommunikationsagenturen, Treuhänder, Anwälte, Unternehmensberater oder Personaldienstleister in grosser Zahl Mandatsverträge eingehen, die zuweilen eine sehr intensive, durch eine oder wenige Personen aus­geübte Tätigkeit beim Kunden und für den Kunden vorsehen. Stehen diese Dienstleister jetzt alle im Regen?

Das Zivilrecht hat rechtsgestaltende und rechtssichernde Funktionen. Auch das Sozialversicherungsrecht knüpft in vielen Bereichen direkt ans Zivilrecht an. So ist jede juristische Person mit Arbeitnehmenden verpflichtet, diese einer Vorsorgeeinrichtung anzuschliessen. Hier macht das Gesetz keine Ausnahme für Alleinaktionäre. Nehmen wir an, unsere Beschwerdeführerin habe auch für sich eine berufliche Vorsorge – vermutlich sogar in einem das Obligatorium übersteigenden Ausmass – eingerichtet. Jetzt fällt sie mit Bezug auf die Honorare aus ihrer Tätigkeit für die Stiftung aus dieser Vorsorge heraus. Wird das rückabgewickelt? Das kümmert weder die AHV-Verwaltung noch das Bundesgericht. Wie sehen die steuerlichen Konsequenzen für die bereits abgezogenen Beiträge aus? Kann die Unterstellung unter die Unfallversicherung rückwirkend und partiell aufgehoben werden? Das kümmert die AHV-Verwaltung und das Bundesgericht nicht. Wie sähe es aus, wenn die Beschwerdeführerin nach der Auflösung des Mandatsverhältnisses mittelfristig kein adäquates Folgemandat gefunden hätte? Der Verfasser kann sich schlecht vorstellen, dass die Arbeitslosenversicherung Leistungen erbringen würde.

Der Durchgriff durch zivilrechtlich korrekte und rechtmässige Strukturen ist ohne sorgfältige Güterabwägung in der hier praktizierten Form schlicht nicht zulässig.

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Konsequenzen?
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Man möchte hoffen, der vorliegende Fall sei ein Ausrutscher. Glauben darf man das allerdings nicht, wenn man ein weiteres Urteil der sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts liest. Im nachfolgend dargestellten Urteil 9C_799/2011 vom 26. März 2012 hat das Bundesgericht erneut gezeigt, dass es in willkürlich erscheinender Art Einzelfallbeurteilungen vornimmt.

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2. Wann liegt ein Unterordnungsverhältnis vor?
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2.1 Sachverhalt5
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Die Künstlerin C. ist als Intendantin für die Stiftung D. tätig und kümmerte sich um die musikalischen Belange eines Festivals. Daneben ist sie als Dirigentin und freie Mitarbeiterin für verschiedene Orchester und weitere Festivals in der Schweiz und im Ausland tätig und für diese Tätigkeiten als Selbständigerwerbende qualifiziert. Die Tätigkeit für die Stiftung wurde von der Ausgleichskasse im Nachhinein als Arbeitsverhältnis qualifiziert. Das kantonale Sozialversicherungsgericht wertete diese sich über eineinhalb Jahre hinziehende Tätigkeit, welche losgelöst von Ort und Zeit in freier Selbstorganisation stattfand, als selbständige Tätigkeit, zumal auch schon die übrigen Künstler, die in den vielen Jahren zuvor jeweils als Intendanten dieses Festival konzipiert und gestaltet hatten, immer als selbständige Dienstleister betrachtet worden sind.

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2.2 Das Urteil
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In seinen Erwägungen befasste sich das Bundesgericht mit den vielfältigen relevanten Merkmalen des Sachverhaltes. Es hat ausgeführt, dass die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte dazu zwinge, die beitragsrechtliche Stellung einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. «Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zutage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 123 V 161 E. 1 S. 163; 122 V 169 E. 3a S. 171; 281 E. 2a S. 283; 119 V 161 E. 2 S. 162; SVR 2011 AHV Nr. 11 S. 33, 9C_946/2009 E. 2.1).»6

Im Rahmen einer umfassenden Auslegeordnung hält sich das Bundesgericht zwar an den von der Vorinstanz festgehaltenen Sachverhalt und wertet zahlreiche Kriterien wie die Vorinstanz als Indizien für Selbständigkeit. Einzig im Bereich der Organisation sucht es nach Hinweisen, welche für ein Subordinationsverhältnis sprechen könnten. Die selbst erwähnte Gewichtung unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles unterbleibt indessen, weil am Ende dem Subordinationsverhältnis die alles entscheidende Bedeutung zugemessen wird.

  • Nach dem Bundesgericht spielen die von der Vorinstanz dargestellten Kriterien, welche für Selbständigkeit sprechen, keine Rolle. Der Fokus liege auf der konkreten Ausgestaltung der Intendantentätigkeit. So übernehme die Stiftung einen Teil der Kosten, indem sie der Intendantin Sekretariat und Assistenz während der Proben- und Festivalzeit vor Ort unentgeltlich zur Ver­fügung gestellt habe. Die selbständige Tätigkeit zeichne sich demgegenüber u.a. dadurch aus, dass sogenannte Gewinnungskosten selber getragen werden.7
  • Das Pflichtenheft sei sehr detailliert und neben Statuten und Organisationsreglement beruhe dieses auf Weisungen und Beschlüssen des Stiftungsrates. Diese Einbindung und Unterstellung seien klare Zeichen eines Unterordnungsverhältnisses. Daran ändere die weitgehende Handlungsfreiheit nichts, «zumal sich diese primär im Rahmen der Statuten, Reglemente und Konzepte der Stiftung […] zu bewegen hat».8 Die Unterstellung und die Weisungsgebundenheit seien klare Zeichen eines Unterordnungsverhältnisses, was darin zum Ausdruck komme, dass C. in einen Betriebsablauf eingebunden sei. Insgesamt komme das Pflichtenheft einem eigentlichen Stellenbeschrieb gleich.9
  • Dass die Intendantin ihrerseits über ein Weisungs-, Auftrags- und Controllingrecht gegenüber dem Geschäftsführer für Belange der Festivalorganisation verfüge, verdeutliche, «dass sie in einen Betriebsablauf eingebunden»10 sei.
  • Dass die Intendantin eng mit Geschäftsführung, Sponsoring und PR / Kommunikation zusammenarbeiten musste, unterstreiche deren Abhängigkeit. Auch die Tatsache, dass sie nur in einfachen Standard-Anstellungsverträgen für das Engagement von Künstlerinnen und Künstlern Einzelunterschrift hatte, sonst aber immer die Zweitunterschrift eines Mitgliedes des Stiftungsrates benötigte, relativiere die «uneingeschränkte Kompetenz in allen künstlerischen Belangen».
  • Dass die Intendantin für ein mit dem Festival konkurrierendes Projekt nur im Einverständnis mit der Stiftung handeln durfte, stipuliere eine Treuepflicht, «wie sie eher in einem ­Arbeitsverhältnis […] als in einem Auftragsverhältnis die Regel»11 sei.
  • Das Einkommen, welches die Intendantin bei der Stiftung erziele, sei mit 25 – 40% ihres Jahreseinkommens nicht unwesentlich.12

Aus all diesen Überlegungen schliesst das Bundesgericht, dass die Tätigkeit als Intendantin «hinsichtlich der vorliegend im Vordergrund stehenden Frage nach einem Abhängigkeitsverhältnis verschiedene Ausprägungen auf[weist], die eindeutig zugunsten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu gewichten sind. […] Vor allem der Umstand, dass sich die Stiftung ein umfassendes Weisungs- und Beschlussrecht vorbehalten hat, ist explizite Gestaltung eines arbeitnehmergleichen Subordinationsverhältnisses. Dazu kommt das Ausmass der eingegangenen Treuepflicht und die wirtschaftliche Bedeutung des bei der Stiftung erzielten Einkommens.»13

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2.3 Kritik und Konsequenzen
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Jeder Anwalt, jeder Werbefachmann, sogar der Arzt ist an den letztendlichen Entscheid des Auftraggebers gebunden. Jeder Unternehmensberater und Treuhänder arbeitet mit den Funktionsträgern des Auftraggebers zusammen, wenn ein gutes Ergebnis erzielt werden soll. In den Standesregeln von Rechtsanwälten, Treuhändern und Wirtschaftsprüfern stehen Unvereinbarkeitsgrundsätze, welche einem hier diskutierten Konkurrenzverbot ohne Weiteres entsprechen. Welcher Dienstleister kann mit Wirkung für den Auftraggeber alleine zeichnen? Jeder Berater verrechnet die Kosten weiter, benutzt im Sinne einer sinnvollen Arbeitsteilung Hilfskräfte des Kunden für bestimmte ausführende Tätigkeiten. Sind sie alle trotzdem Arbeitnehmer des Kunden? Spielt neuerdings die Höhe des Honorars eine Rolle?

Das Bundesgericht gewichtet die von Lehre und Rechtsprechung vorgegebenen Voraussetzungen nicht gleichwertig, sondern legt den Fokus einseitig auf die arbeitsorganisatorische Integration. Dies erscheint willkürlich, da der Typenvergleich mit einem fachkompetenten Dienstleister erfolgen müsste. Die Intendantin ist in der Art der Dienstleistungserbringung mit einem andern Dienstleister durchaus zu vergleichen.

Das gleiche Gericht hat in früherer Zusammensetzung Zurückhaltung bei der nachträglichen Statusänderung angemahnt (vgl. oben, FN 3). Davon spürt man nichts. Es hat in einem Urteil vom 14.8.200014 einen freien EDV-Mitarbeiter entgegen einer als feststehend vermuteten ­Praxis als selbständigerwerbend qualifiziert, weil zwar durchaus auch sehr viele Elemente für Unselbständigkeit gesprochen haben, aber die Vorinstanz auf Selbständigkeit erkannt habe, was zulässig gewesen sei. Mit der gleichen Logik hätte das Bundesgericht im vorliegenden Fall aufgrund der vielen guten Indizien für Selbständigkeit der Vorinstanz folgen können, statt sein eigenes Ermessen und seine ­etwas praxisfremde Sichtweise durchzusetzen.

Der Verfasser möchte gerne raten, wie man sich in diesem Minenfeld der gerichtlichen Ermessensbetätigung sicher bewegen kann. Er weiss es nicht. Wohl wenig hilfreich ist der Rat, möglichst wenig schriftliche Vereinbarungen zu treffen, damit die Gerichte keinen Stoff für ihre erfolgsorientierten Interpretationen haben.

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  1. Vgl. Wegleitung über den massgebenden Lohn, WmL, Rz. 2039 mit Hinweis auf BGE 133 V 496.
  2. Erw. 5.2 am Anfang: «Es kann offenbleiben, inwiefern den erwähnten Urteilen (BGE 110 V 72 und BGE 133 V 498) vorliegend präjudizielle Bedeutung zukommt.»
  3. WmL Rz. 1031 mit Hinweisen auf Urteile des Bundesgerichts (ZAK 1985, S. 314; ZAK 1986, S. 573; ZAK 1989, S. 439).
  4. Urteil Erw. 5.2.
  5. Urteil des Bundesgerichts vom 26. März 2012, 9C_799/2011.
  6. Urteil Erw. 3.2.
  7. Urteil Erw. 5.5.
  8. Urteil Erw. 5.6.
  9. Urteil des Bundesgerichts vom 26. März 2012 (9C_799/2011), Erw. 5.6.
  10. Urteil Erw. 5.6.
  11. Urteil Erw. 5.7.
  12. Urteil Erw. 5.7; warum dies ein Indiz für unselbständige Tätigkeit sein soll, ist schleierhaft. Immerhin erzielt die Intendantin weit weniger als die Hälfte ihres Gesamteinkommens mit dieser Tätigkeit, aber doch so viel, dass der Wegfall des Mandates irgendwie kompensiert werden muss, also ein Risiko darstellt.
  13. Urteil Erw. 6.1.
  14. H30/99, publiziert in AHI-Praxis 2001, S. 58.
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