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Damit bei solchen Betätigungen von voller Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 28bis Abs. 1 ­AHVV ausgegangen werden kann, muss für einen Teil, der mindestens der halben üblichen Arbeitszeit entspricht, Erwerbsabsicht zum Ausdruck kommen. Dies geschieht in Form eines angemessenen Verhältnisses zwischen Leistung und Entgelt.

A. nahm im Januar 2010 eine Tätigkeit als Präsidentin des Stiftungsrats der Stiftung B. auf; seit 1996 amtete sie als nebenamtliche Zivilrichterin. Nach ihrer Scheidung im November 2007 hatte die Ausgleichskasse sie auf den 1. Januar 2008 als Nichterwerbstätige regis­triert. Ihr Gesuch um Erfassung als Erwerbstätige lehnte die Ausgleichskasse ab und erhob für das Jahr 2010 Beiträge als Nichterwerbstätige. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde abgewiesen. Das kantonale Gericht hob in seinem Entscheid hervor, dass die Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeit als Stiftungsratspräsidentin im Beitragsjahr 2010 nur einen sehr geringfügigen Lohn erhalten hat, welcher weit unter dem Gehalt einer Juristin liegt. Dagegen führte A. Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei von der Erhebung von AHV-Beiträgen für Nichterwerbstätige betreffend das Jahr 2010 abzusehen. Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin im Beitragsjahr 2010 dennoch im Sinne von Art. 28bis Abs. 1 AHVV voll erwerbstätig war. Das Bundesgericht führt in seinem Entscheid aus, dass überall dort, wo eine Tätigkeit als gemeinnütziges Ehrenamt oder aus persönlichem Interesse ausgeübt wird, nicht die ganze zeitliche Inanspruchnahme zur Bestimmung der Erwerbstätigkeit massgebend ist. Zu berücksichtigen ist lediglich jener Zeitaufwand, welcher einer Erwerbsorientierung zugrunde liegt. Bei Betätigungen, denen sowohl eine ehrenamtliche als auch eine erwerbliche Motivation zugrunde liegt, kann nur dann von einer Erwerbstätigkeit ausgegangen werden, wenn für mindestens 50 % der üblichen Arbeitszeit Erwerbsabsicht zum Ausdruck kommt. Hierfür bedarf es eines angemessenen Verhältnisses zwischen Leistung und Entgelt. Das Bundesgericht stellt zudem klar, dass es nicht angeht, umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeiten über das Beitragsrecht zu fördern, indem diese Personen nicht als Nichterwerbstätige qualifiziert werden. Im Bereich der Selbständigkeit darf, im Gegensatz zur unselbständigen Tätigkeit, die volle Erwerbstätigkeit nicht schon aufgrund eines einfachen Vergleichs des erzielten Gewinns mit dem Durchschnittsverdienst aus einer entsprechenden unselbständigen Tätigkeit angenommen werden. Dies, weil eine selbstständige Erwerbstätigkeit häufig erst nach längerer Zeit zu Einkünften führt oder die betriebliche Rechnung in verschiedener Hinsicht (Ertragseinbrüche, Amortisationen usw.) negativ beeinflusst werden kann. Sofern die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht auf Nichterwerbstätigkeit, bloss vorübergehende Erwerbstätigkeit oder Erwerbstätigkeit unbedeutenden Umfangs schliessen lassen, ist die Erwerbsabsicht hier nicht infrage gestellt. Weiter hält das Bundesgericht fest, dass die Tätigkeit einer Stiftungsratspräsidentin grundsätzlich mit derjenigen eines (nebenamtlichen) Verwaltungsrats vergleichbar ist. Ein reines Verwaltungsratsmandat stellt grundsätzlich keine volle Erwerbstätigkeit dar. Auch wenn die Beschwerdeführerin – über die mit dem Stiftungsratspräsidium verbundenen Aufgaben hinaus – operative Geschäftsführungsfunktionen übernommen hat, ist auch dies als überwiegend ehrenamtliche Tätigkeit zu werten. Dies, sofern und soweit nicht ein angemessenes Entgelt ausgewiesen ist. Das Bundesgericht weist die Beschwerde deshalb ab, womit die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Beitragsjahrs 2010 zu Recht einer Nichterwerbstätigen gleichgestellt worden ist.

Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG; Art. 28bis AHVV

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(BGer., 29.07.14 {9C_845/2013}, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum AHV-Beitragsrecht, Auswahl des BSV – Nr. 47, 3.11.14)

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