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Das Internet verändert unsere Vorstellungen von Arbeit sowie das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – so auch in der Treuhandbranche. Im Beitrag stellen die Autoren die wichtigsten Punkte zur Zukunft des Arbeitsmarkts dar und inwieweit dies auch die Treuhandbranche betrifft – und wie auf diesen Wandel reagiert werden kann.

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Das Internet verändert die Art und Weise, wie auf Arbeitsmärkten Arbeit gegen Arbeitsplätze getauscht wird. Grundlegend ist zunächst einmal die Veränderung der Arbeit selbst. Arbeit wird noch mehr zur Wissensarbeit, wobei sich Mitarbeitende verstärkt mit Maschinen messen müssen. Das Internet erhöht aber auch die Freiheiten in Bezug auf Arbeitsort und -zeit. Darüber hinaus stärkt das Internet die Transparenz sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers.

Von diesen Veränderungen ist auch die Treuhandbranche betroffen. In der Folge werden zuerst die wichtigsten Ergebnisse unserer Trendstudie zur Zukunft des Arbeitsmarkts beschrieben. Diese werden dann in einem zweiten Teil auf Treuhandunternehmen heruntergebrochen. In einem dritten Teil des Beitrags werden Lösungsvorschläge aufgezeigt, wie die betroffenen Unternehmen auf diesen Wandel reagieren können.

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1. Die Merkmale des neuen Arbeitsmarkts
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Die in der Folge vorgestellten Merkmale des zukünftigen Arbeitsmarkts basieren auf einer Studie, welche die Wissensfabrik sowie Nellen & Partner zusammen Ende 2013 durchgeführt haben. Dabei wurden 14 Experten befragt. In der Studie werden 12 Thesen erarbeitet; die folgenden fünf Thesen erscheinen uns für die Treuhandbranche besonders wichtig.

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1.1 Stellenbesetzungen entscheiden über den Unternehmenserfolg
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In einer digitalen Wissensgesellschaft sind die Mitarbeitenden neben der IT die wichtigsten Ressourcen eines Unternehmens. Gleichzeitig bilden sie auch die grössten Kostenblöcke einer Organisation. Weil repetitive Tätigkeiten vermehrt an Maschinen delegiert werden, sind die Werte sowie die Innovationskraft der Mitarbeitenden entscheidend. Um passende Mitarbeitende zu finden, braucht es Präsenz auf dem Arbeitsmarkt. Aufgrund des steigenden Kostendrucks verschärft sich die Frage, ob man in menschliche oder maschinelle Arbeitskräfte investiert.

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1.2 Der Arbeitsvertrag wird zum Projektvertrag
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Durch kurzfristige Verträge erhalten Unternehmen eine höhere Flexibilität im Umgang mit ihrem Humankapital. Sie engagieren jene Mitarbeitenden, die sie für die Bewältigung eines aktuellen Projekts brauchen. Der Projektvertrag ist umso beliebter, je volatiler sich die Wirtschaftslage zeigt. Projektverträge entsprechen gleichzeitig dem zunehmenden Wunsch nach einer Selbstbestimmung der Arbeit. Je mehr Projektverträge eingegangen werden, desto weniger Fixangestellte wird man beschäftigen.

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1.3 Algorithmen bedrohen Arbeitsplätze
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Digitalisierung bedeutet, dass überall, wo es repetitive Arbeit gibt, diese durch Maschinen bedroht wird. Im vergangenen Jahrhundert war dies vor allem in der Industrie sichtbar. In diesem Jahrhundert bedrohen die Maschinen nun in Form von Algorithmen Dienstleistungs- und Wissensarbeit. Diese eignen sich insbesondere, um Informationen zu sammeln und zu analysieren. Digitale Plattformen eliminieren Zwischenhändler und ermöglichen die direkte Zusammenarbeit von Kunden und Unternehmen.

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1.4 Kunden werden zu Mitarbeitenden
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Unternehmen brauchen Wissen, um ihre Prozesse zu optimieren, Kundenbedürfnisse besser und nachhaltiger zu befriedigen und im Vergleich zur Konkurrenz innovativer zu sein. Die Kunden kennen die Produkte- und (Dienstleistungs-)Prozesse eines Unternehmens durch das Bestellen, Kaufen, Verbrauchen, Entsorgen und Reklamieren häufig am besten. Unternehmen versuchen deshalb, dieses Wissen durch die Zusammenarbeit mit Kunden in die Produkt-, Prozess- und Unternehmensentwicklung zu integrieren.

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1.5 Die Anzahl der Führungskräfte nimmt ab
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Hierarchien sind schwerfällig und behindern den Wissensfluss und die Hochqualifizierten in ihrem Wunsch nach Selbstbestimmung. Ein Netzwerk braucht weniger Führungskräfte als eine hierarchisch organisierte Pyramide. Dieser Trend wird dadurch gestützt, dass Führungspositionen aufgrund des höheren Erfolgsdrucks, der grösseren Führungsspanne, der kritischen Beäugung durch die Mitarbeitenden und die Öffentlichkeit unbeliebter werden. Zudem werden Entscheidungen im mittleren Management verstärkt durch Algorithmen, sprich Maschinen, getroffen.

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2. Auswirkungen der Trends auf die Praxis im Treuhandalltag
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Der Treuhänder ist in zunehmenden Mass mit neuen Herausforderungen konfrontiert, gerade im Bereich der Regulierung. Die gesetzlichen Bestimmungen ändern sich laufend sowohl im Steuer- wie auch im Bereich der Rechnungs­legung. Das ist für den Treuhänder zwar grundsätzlich keine Besonderheit, da sich der Berater schon immer aufgrund von Gesetzesänderungen «up to date» halten musste. Geändert haben aber die Komplexität und der zunehmende internationale Einfluss auf die nationalen Bestimmungen. Es braucht deshalb ein Umfeld, in dem sich die Mitarbeitenden individuell weiterentwickeln können.

Die Ansprüche an die Treuhänder nehmen auch durch die höheren Erwartungen der Kunden zu. Die Digitalisierung verändert insbesondere die Geschwindigkeit der Kommunikation. Durch die Digitalisierung sind wir in der Lage, von überall und zu jedem Zeitpunkt auf relevante Daten des Kunden zugreifen zu können. Dies weckt beinahe schon mit einer Selbstverständlichkeit den kundenseitigen Anspruch, noch schneller und noch früher die gewünschten Abschlüsse und Analysen vom Treuhänder zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die hohen Erwartungen der Kunden führen zu einer höheren Belastung der Mitarbeitenden.

Die Digitalisierung wirkt dem Fachkräftemangel entgegen, bedroht aber auch Arbeitsplätze. Daten können noch einfacher zwischen Kunde, Berater, Bank und weiteren involvierten Unternehmen ausgetauscht werden. Eine Vereinfachung des Datenmanagements eliminiert die Rechtfertigung auf hohe Stundensätze in der Verarbeitung. Der Kostendruck auf das operative Führen einer Buchhaltung steigt. Auf der anderen Seite wird der Treuhänder seine Dienste vermehrt in komplexen Fragestellungen zur Verfügung stellen und dahingehend auch sein Wissenskapital verkaufen. Der Preisdruck nimmt bei gleichzeitiger Steigerung der Anforderungen an die Mitarbeitenden zu.

Einige Unternehmen haben als Reaktion auf den Fachkräftemangel begonnen, ehemalige Treuhandexpertinnen, die sich heute in einer Mutter-/Hausfrauenrolle befinden, wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Projektverträge eignen sich hierfür häufig genauso wie Arbeitsverträge. Dieses Modell bietet für beide Seiten die gewünschte Flexibilität. Erfolgsentscheidend ist neben der Vertrauensbasis die gegenseitige Erreichbarkeit und das Qualitätsbewusstsein. Die heute gängige Auffassung, dass man eine leitende Funktion nur mit einem Vollzeitpensum ausüben kann, wird an Berechtigung verlieren.

In Gesprächen mit Personalverantwortlichen zeigt sich die «Spürbarkeit» der jüngeren Mitarbeitenden, der sogenannten «Generation Y». Sie haben nicht nur hohe, sondern auch veränderte Erwartungen an einen Arbeitgeber. Bereits in der ersten Phase eines Anstellungsprozesses treten sie fordernd auf. Es genügt nicht mehr, ein solider Arbeitgeber zu sein. Die jungen Mitarbeitenden möchten sich weiterentwickeln und erwarten ein supportleistendes Umfeld. Um Talente anzuziehen, braucht es einen überdurchschnittlichen Internetauftritt und aussergewöhnliche Arbeitsumgebungen. Seit längerer Zeit herrscht in der Treuhandbranche ein Arbeitnehmermarkt. Darüber hinaus verstärkt der demografische Wandel den Fachkräfte­mangel.

Unter dem Strich resultiert eine höhere Diversität an Arbeitskräften. In den Grossunternehmen hat man diese Tendenz schon lange erkannt und im Sinne von sogenannten «Diversity»-Initiativen auf der Stufe Topmanagement Teilzeitmodelle eingeführt. Das Vorleben der Führung, der «Tone at the top», ist entscheidend, dass sich auch die unteren Hierarchieebenen ermutigt fühlten, den langgehegten Wunsch nach einem reduzierten Pensum offen kommunizieren und umsetzen zu können. Die Vorteile für das Unternehmen: Das «Wissenskapital» bleibt dem Unternehmen erhalten, die Leistung und die Motivation sind höher, der Kadermitarbeitende kann Wünschen und Vi­sionen ausserhalb der Arbeitswelt nachkommen und sich weiteres Wissen aneignen, wodurch letztendlich auch das Unternehmen wieder profitiert – ein Kreislauf von Wissens­zuwachs entsteht.

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3. Lösungsvorschläge für Treuhandunternehmen
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Wenn Stellenbesetzungen über den Unternehmenserfolg entscheiden, braucht es eine Professionalisierung der HR-Aufgaben. Das kann durch interne Entwicklung, durch Outsourcing oder die selektive Beratung durch externe HR-Experten passieren. Das Humankapital eines Treuhandunternehmens kann nur dann wachsen, wenn dessen Manager/innen über eine zeitgemässe HR-Ausbildung verfügen und zudem den digitalen Veränderungen offen beziehungsweise reflektiert gegenüberstehen. Dafür ist es notwendig, dass sich HR-Profis vermehrt in den digitalen Raum begeben und Erfahrungen mit neuen Instrumenten sammeln. Audits helfen, die Qualität der eigenen HR-Arbeit zu überprüfen und mit Benchmarks zu vergleichen.

Um mit der Digitalisierung mitzuhalten, braucht es eine Digitalisierungsstrategie. Diese zeigt, mit welchen Massnahmen sich ein Arbeitgeber an das digitale Zeitalter anpasst. Anpassungen sind nötig, weil Mitarbeitende stetig höhere Erwartungen an einen Arbeitgeber haben und die digitale Kompetenz eines Treuhänders über Innovation und die Nutzung neuer Effizienzpotenziale entscheidet. Die digitale Strategie gibt vor, wo in Maschinen und wo in Mitarbeitende investiert wird. Dies setzt ein Abwägen der menschlichen und der maschinellen Arbeitskraft voraus. Bei den Investitionen in ein digital­taugliches Unternehmen geht es um Hardware, Software, die Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie die Unternehmenskultur. Es empfiehlt sich eine integrative Sicht von Human Resources und IT, um Risiken und Investitionen integriert managen zu können. Eine mit der Digitalisierungsstrategie verbundene Datenstrategie zeigt, wo welche Daten gesammelt werden. Big Data öffnet neue Möglichkeiten sowohl im ­Controlling als auch im HR.

Wollen Unternehmen auf die Werte der «Generation Y» Rücksicht nehmen und ihre Flexi­bilität erhöhen, braucht es neue Arbeitsverhältnisse. Dazu gehören Teilzeit- und Interimsanstellungen sowie die Integration von externem Know-how durch die Anstellung von Freelancern und externen Spezialisten. Arbeit neu zu denken heisst auch, Arbeitsschritte an die Kunden zu delegieren und deren Wissen für die Prozess-, Produkt- und Unternehmensentwicklung zu nutzen. Auch die Förderung von Home Office gehört zur Förderung neuer Arbeitsverhältnisse. Die Präsenz im digitalen Raum, zum Beispiel mittels Social Media oder Employer-BrandingFilmen, hilft, auf das hohe Informationsbedürfnis der «Generation Y» Rücksicht zu nehmen und in deren Optik als attraktiver Arbeitgeber zu erscheinen. Unternehmen «Generation Y»-tauglich zu machen heisst schliesslich, die Führungskultur zu verändern und den Wandel der Aufbauorganisation von der Pyramide Richtung Netzwerk zu forcieren.

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