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Liebe Leserin, lieber Leser

Sie sind im morgendlichen Pendlerzug unterwegs: Es sind einzig das Rascheln von Zeitungen und Töne aller Art von den verschiedensten elektronischen Geräten zu hören. Niemand spricht miteinander, tauscht Banales oder Tiefgründiges aus. Einzelheiten aus dem Leben anderer erfahren wir lediglich durch das lautstark geführte Telefonat eines Mitreisenden.

Dieses Phänomen ist nichts Neues, sondern bereits aus den Zeiten vor den Smartphones und den Pendlerzeitungen bekannt.

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Rede mit mir …
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In London hatte die Gruppe «Talk to me» im Sommer 2014 die Idee, gesprächswillige Menschen mit Buttons auszustatten, auf denen «Rede mit mir» steht. Die Reaktionen darauf waren unterschiedlich: Ablehnend reagierten Menschen, die gerne ihre Ruhe haben wollen – sei es um abzuschalten oder das Fürsichsein zu geniessen –, oder die sich durch gesellschaftliche Zwänge – «Das tut man nicht!» – gebunden fühlen. Andere hatten die Befürchtung, dass eine solche Aufforderung missbraucht werden könnte. Es gab aber auch begeisterte Reaktionen von Menschen, die sich mehr Kontakt zu und Gespräche mit anderen Menschen wünschen.

Die Frage, die sich für mich aber als Erstes stellte: Warum ergreifen die «Gesprächswilligen» nicht selbst die Initiative und suchen das Gespräch, sondern bleiben passiv und geben die Verantwortung, ein Gespräch zu beginnen, an ihr Gegenüber ab? Ist das ein gesellschaftliches Phänomen, oder war das schon immer so? Wer etwas ändern will – egal was –, sollte offen sein und sollte den ersten Schritt tun. Und wird – hoffentlich – zum Beispiel mit einem anregenden Gespräch belohnt.

Andrea Vogel

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