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Das Nachsteuerverfahren setzt das Vorhandensein eines Nachsteuergrunds voraus. Dieser Grund kann darin bestehen, dass neue Tatsachen oder bis dahin unbekannte Beweismittel entdeckt werden, d.h. Tatsachen oder Beweismittel, welche aus den Akten, wie sie für die Steuerbehörde im Zeitpunkt der Veranlagung bestanden, nicht ersichtlich waren. Die Steuerbehörde muss im Veranlagungsverfahren ­zusätzliche Untersuchungen nur dann ver­anlassen, wenn die Steuererklärung unbestreitbar offensichtliche Ungenauigkeiten aufweist. Wenn die Steuerbehörde hätte bemerken sollen, dass der Sachverhalt unvollständig oder ungenau war, wird der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der lückenhaften Steuer­erklärung und der ungenügenden Besteuerung unterbrochen, und die Bedingungen für die spätere Vornahme eines Nachsteuerverfahrens fehlen. Wenn hingegen Ungenauigkeiten lediglich entdeckbar waren, ohne dass sie als offensichtlich betrachtet werden können, dann kann man nicht davon ausgehen, dass gewisse Tatsachen oder Beweismittel den Steuerbehörden schon im Zeitpunkt der Veranlagung bekannt waren. Die Steuerbehörde kann grundsätzlich davon ausgehen, dass die Steuererklärung der Wahrheit entspricht und vollständig ist. Was die Aktien anbelangt, deren Wert in den Steuer­erklärungen mit null angegeben wurden, ist festzustellen, dass die Steuerbehörde keine Pflicht hatte, zusätzliche Untersuchungen vorzunehmen, weil der Steuerpflichtige sie nicht darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er Schwierigkeiten hatte, diese Beteiligung zu bewerten, und auch keine offensichtliche Ungenauigkeit vorlag. Am 1. Oktober 2002 wurden die Regeln über die Verjährung des Art. 333 des Strafgesetzbuchs geändert, was sich direkt auf die Verjährungsfristen des DBG auswirkt. Wenn die strafbaren Handlungen vor dem 1. Oktober 2002 begangen wurden, sind die neuen Regeln aufgrund des Grundsatzes der lex mitio nur dann anwendbar, wenn sie günstiger sind. Das Verfahren betreffend Steuerhinterziehung ist ein strafrechtliches Verfahren, welches Art. 6 EMRK unterworfen ist. Der Steuerpflichtige kann daher grundsätzlich das Recht anrufen, mündlich angehört zu werden, dies jedenfalls, wenn die infrage stehende Summe nicht gering ist. Diese mündliche Anhörung erfolgt jedoch nicht automatisch, der Steuerpflichtige muss sie verlangen.

Art. 40, Art. 41, Art. 124, Art. 125, Art. 127, Art. 129, Art. 146, Art. 151, Art. 152, Art. 175, Art. 184 und Art. 333 DBG; Art. 29 BV; Art. 6 EMRK; Art. 333 StGB; Art. 8 ZGB; Art. 3, Art. 42, Art. 46, Art. 53, Art. 58, Art. 72 und Art. 73 StHG

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(BGer., 5.11.13 {2C_416/2013 und 2C_417/2013}, StR 2014, S. 156)

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