Das Rundschreiben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA 2013/9 präzisiert den neu in Art. 3 KAG eingeführten Begriff des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen. Der Autor erläutert die Begrifflichkeiten sowie deren mögliche Konsequenzen insbesondere für kleinere, nicht spezialgesetzlich regulierte Marktteilnehmer.
Am 1. März 2013 trat das revidierte Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) in Kraft. Eine wichtige Neuerung brachte die Einführung des Begriffs des Vertriebs kollektiver Kapitalanlagen in Art. 3 KAG. War unter dem alten Recht lediglich die öffentliche Werbung für kollektive Kapitalanlagen bewilligungspflichtig, ist es seit 1. März 2013 neu der Vertrieb als solcher, mithin jedes Anbieten von und jedes Werben für kollektive Kapitalanlagen, das sich nicht ausschliesslich an spezialgesetzlich beaufsichtigte Anleger wie Banken, Effektenhändler, Versicherungen usw. richtet oder unter eine von wenigen expliziten Ausnahmen fällt (Art. 3 Abs. 1 und 2 KAG).
Dass die im Gesetz verwendeten Begriffe «Anbieten» und «Werben» zur genaueren Bestimmbarkeit der vom KAG erfassten Tätigkeiten im Geschäftsalltag weiterer Klärung bedurften, war bereits bei Inkrafttreten des KAG augenscheinlich. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob schon ein Ansprechen eines bestehenden oder potenziellen Kunden auf eine kollektive Kapitalanlage ein «Anbieten» oder «Werben» im gesetzlichen Sinne bedeutet, mithin wo sinnvollerweise die Grenze zur bewilligungspflichtigen Tätigkeit nach dem revidierten KAG zu ziehen ist. Gemäss Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (KKV) umfasst das Anbieten oder Werben jegliche Art von Tätigkeit, die den Erwerb von Anteilen kollektiver Kapitalanlagen durch einen Anleger bezweckt. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat in ihrem am 28. August 2013 publizierten Rundschreiben 2013/9 zum Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen die fraglichen Begriffe weiter ausgelegt und erläutert. In ihrem Rundschreiben legt die FINMA ausführlich dar, welche Tätigkeiten nach ihrem Dafürhalten ein «Anbieten» oder «Werben», also Vertrieb im Sinne des KAG, begründen. Ausdrücklich festgehalten wird dabei, dass die Art und die Form der verwendeten Mittel grundsätzlich nicht von Bedeutung sind. Ausschlaggebend ist einzig und allein die Absicht, einen potenziellen Anleger zur Zeichnung von Fondsanteilen zu veranlassen.
Derweil beispielsweise Mittel wie Print- und elektronische Medien jeder Art, Zeitungen und Zeitschriften, Streusendungen (Direct Mailing), Prospekte, Pressekonferenzen, Telefonmarketing, ungebetene Telefonanrufe (Cold Calling), Präsentationen (Road Shows), Finanzmessen, gesponserte Reportagen über kollektive Kapitalanlagen, Internet-Websites und andere Formen des E-Commerce, Zeichnungsscheine und Online-Zeichnungsmöglichkeiten sowie Empfehlungslisten und Informationsschreiben an die Kunden einer Bank oder eines anderen Finanzintermediärs hinsichtlich ihrer Erfassung durch die Begriffe «Anbieten» und «Werben» keine Überraschungen bergen, präsentiert sich die Lage bei weiteren Tätigkeiten, welche die FINMA in ihrem Rundschreiben als für den Vertrieb kollektiver Kapitalanlagen einschlägig qualifiziert, durchaus anders. So können auch Offerten an nicht spezialgesetzlich regulierte Finanzintermediäre wie beispielsweise dem Geldwäschereigesetz unterstellte, unabhängige Vermögensverwalter, Angaben über die Zeichnungsmöglichkeiten von kollektiven Kapitalanlagen (z.B. Valorennummer oder Zeichnungsstelle), Hausbesuche bei Finanzintermediären jeder Art, Fact Sheets oder E-Mails grundsätzlich Vertriebshandlungen und -mittel darstellen.
Näher besehen kann also bereits das blosse Überlassen der Valorennummer eines Fonds oder die Benennung der Zeichnungsstelle für einen Fonds als Vertrieb im Sinne des revidierten KAG qualifizieren. Persönliche Kontakte beispielsweise zu unabhängigen Vermögensverwaltern oder bestehenden Privatkunden mit sporadischen Treffen und damit verbundener Überlassung eines Fact Sheets oder der Bezeichnung der Zeichnungsstelle eines Fonds sind nunmehr spezialgesetzlich erfasste Sachverhalte. Folglich können dem Gesetz neu insbesondere auch Handlungen unterstehen, welche im vermeintlich «privaten» Rahmen oder anlässlich von Beratungsgesprächen vorgenommen werden. Mit den präzisierenden Erläuterungen der FINMA wurde gefestigt, dass praktisch jegliche Aktivität im Zusammenhang mit kollektiven Kapitalanlagen eine Vertriebshandlung im Sinne des revidierten KAG darstellt.
Unabhängige Vermögensverwalter, Anlageberater oder Initiatoren von kollektiven Kapitalanlagen, deren alltägliche Geschäftsabläufe bisher vielleicht keine aufsichtsrechtliche Relevanz aufwiesen, werden nun spezialgesetzlich erfasst und geregelt. Wer kollektive Kapitalanlagen vertreibt und unter keine der Ausnahmen nach Art. 3 Abs. 1 und 2 KAG fällt, bedarf einer Bewilligung als Vertriebsträger. Unterschiede in der Intensität der zu gewärtigenden Auflagen sieht das Gesetz je nach genauer Ausgestaltung der jeweiligen Vertriebshandlung sowie des jeweiligen Adressatenkreises vor. Im Zweifelsfall lohnt sich die genaue Abklärung des eigenen Status unter dem revidierten KAG allemal.
Übergangsrechtlich gilt: Wer unter dem revidierten KAG neu eine bewilligungspflichtige Vertriebstätigkeit ausübt, hat sich innert sechs Monaten ab dessen Inkrafttreten bei derFINMA zu melden und spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten bei der FINMA ein Gesuch um Bewilligung als Vertriebsträger für kollektive Kapitalanlagen einzureichen. Die Meldefrist ist formell am 31. August 2013 abgelaufen. Die Frist zur Gesuchseinreichung endet am 28. Februar 2015. Grundsätzlich kann die bisherige Tätigkeit während der Frist zur Gesuchseinreichung und bis zum tatsächlichen Erhalt der Bewilligung weitergeführt werden. Es ist jedoch darauf zu achten, dass spätestens nach Ablauf der Zweijahresfrist den gesetzlichen Anforderungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich entsprochen wird. Sollte ein unter dem revidierten Recht neu bewilligungspflichtiger Vertriebsträger die sechsmonatige Meldefrist verpasst haben, kann grundsätzlich dennoch eine Meldung bei der FINMA erfolgen. Der bundesrätlichen Botschaft entsprechend bezweckt die Meldefrist, der FINMA einen Überblick über die am Markt teilnehmenden Vertreiber kollektiver Kapitalanlagen zu verschaffen. Aus der Botschaft sind aber keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dieser Meldefrist eine mit Sanktionen bewehrte Frist hätte statuieren wollen. Sollte also der eine oder andere Marktteilnehmer nach der Lektüre des FINMA-Rundschreibens 2013/9 zur Ansicht gelangt sein, dass sein bisher bewilligungsfreies Verhalten unter dem neuen Recht als Vertrieb qualifiziert wird, ist es grundsätzlich noch nicht zu spät, sich die zweijährige Übergangsfrist zur Anpassung seines Geschäftsmodells oder zur Einholung einer Vertriebsträgerbewilligung zunutze zu machen. Ein solcher Schritt sollte jedenfalls verzugslos nach Vorliegen der entsprechenden Erkenntnis unternommen werden.
1 Als Vertrieb von kollektiven Kapitalanlagen im Sinne dieses Gesetzes gilt jedes Anbieten von kollektiven Kapitalanlagen und jedes Werben für kollektive Kapitalanlagen, das sich nicht ausschliesslich an Anleger gemäss Artikel 10 Absatz 3 Buchstaben a und b richtet.
2 Nicht als Vertrieb gelten:
a. die Zurverfügungstellung von Informationen sowie der Erwerb kollektiver Kapitalanlagen, die auf Veranlassung oder auf Eigeninitiative der Anlegerin oder des Anlegers erfolgen, insbesondere im Rahmen von Beratungsverträgen und bloss ausführenden Transaktionen;
b. die Zurverfügungstellung von Informationen sowie der Erwerb kollektiver Kapitalanlagen im Rahmen eines schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrags mit Finanzintermediären gemäss Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe a;
c. die Zurverfügungstellung von Informationen sowie der Erwerb kollektiver Kapitalanlagen im Rahmen eines schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrags mit einem unabhängigen Vermögensverwalter, sofern:
- dieser als Finanzintermediär nach Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe e des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 1997 unterstellt ist,
- dieser den Verhaltensregeln einer Branchenorganisation untersteht, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) als Mindeststandards anerkannt sind,
- der Vermögensverwaltungsvertrag den Richtlinien einer Branchenorganisation entspricht, die von der FINMA als Mindeststandard anerkannt sind;
d. die Publikation von Preisen, Kursen, Inventarwerten und Steuerdaten durch beaufsichtigte Finanzintermediäre;
e. das Anbieten von Mitarbeiterbeteiligungsplänen in der Form von kollektiven Kapitalanlagen an Mitarbeitende.
Das FINMA-Rundschreiben 2013/9 «Vertrieb kollektive Kapitalanlagen» finden Sie unter www.finma.ch > Regulierung > Rundschreiben.