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Mit der Einführung des neuen MWSTG per 1. Januar 2010 wurde der Dienstleistungs­bezug von Unternehmen mit Sitz im Ausland zur Bezugsteuer ausgeweitet. Solange die Bezugsteuer ein sogenanntes «Nullsummenspiel» ergibt, haben die steuerpflichtigen Personen keinen finanziellen Nachteil. Sind aber beispielsweise die Möglichkeiten für einen Vorsteuerabzug nicht gegeben oder wurden die Voraussetzungen für ein Null­summenspiel nicht geschaffen, so können die finanziellen Folgen sehr gravierend sein.

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1. Die Bezugsteuer
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Die Bezugsteuer stellt grundsätzlich ein Mittel dar, um in- und ausländische Anbieter aus mehrwertsteuerlicher Sicht gleichzustellen. Sie soll dazu führen, dass ausländische Anbieter von inländischen Leistungen durch das Nichterheben der schweizerischen Mehrwertsteuer nicht bessergestellt sind bzw. keinen nicht ­gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber im Inland mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmungen haben.

Die gesetzliche Basis für die Bezugsteuer findet sich in Art. 45 MWSTG. Der Gesetzgeber sieht dort drei Möglichkeiten einer Bezugsteuer vor:

  1. Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Register der steuer­pflichtigen Personen eingetragen sind, so­fern sich der Ort der Leistung nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG im Inland befindet;1
  2. die Einfuhr von Datenträgern ohne Marktwert mit den darin enthaltenen Dienst­leistungen und Rechten (Art. 52 Abs. 2 MWSTG);2
  3. Lieferungen im Inland durch Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, sofern diese Lieferungen nicht der Einfuhrsteuer unterliegen.3

In einem weiteren Schritt muss in der Folge nach Art. 45 Abs. 2 MWSTG die MWST-Pflicht aufgrund der Bezugsteuer geprüft werden. Diese MWST-Pflicht ist im Mehrwertsteuergesetz zweigeteilt und umfassst sämtliche Steuersubjekte. Unter lit. a wird ausgeführt, dass bereits mehrwertsteuerpflichtige Personen auch für die Bezugsteuer steuerpflichtig sind.

Hingegen sind nicht bereits mehrwertsteuerpflichtige Personen gemäss lit. b erst ab dem Bezug von Leistungen von mehr als CHF 10'000 pro Kalenderjahr bezugsteuerpflichtig. Sofern es sich um bezogene Lieferungen handelt, die gemäss Art. 45 Abs. 1 lit. c MWSTG unter die Bezugsteuer fallen, hat der Gesetzgeber bei noch nicht steuerpflichtigen Personen vorgesehen, dass die Leistungs­empfänger vorgängig durch die zuständige Behörde schriftlich über die Bezugsteuerpflicht informiert werden.

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2. Bereits mehrwertsteuerpflichtige Leistungsempfänger
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2
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Handelt es sich um bereits mehrwertsteuerpflichtige Personen,4 besteht also – wie vorstehend ausgeführt – die Bezugsteuerpflicht ohne jegliche Betragsschwelle. Dies bedeutet nun, dass sämtliche steuerpflichtigen Personen ungeachtet ihrer Abrechnungsmethode5 und Abrechnungsart6 bezugsteuerpflichtige Leistungen in ihren MWST-Abrechnungen zu deklarieren haben. Die Bezugsteuerpflicht und damit die Deklarationspflicht entstehen bei der vereinbarten Abrechnungsart im Zeitpunkt des Empfangs der Rechnung bzw. ohne Rechnungsstellung mit der Zahlung des Entgelts.7 Bei der vereinnahmten Abrechnungsart entsteht die Bezugsteuerpflicht und damit die Deklarationspflicht mit der Zahlung des Entgelts für die Leistung.8

Die steuerpflichtige Person kann die so deklarierte Bezugsteuer im Rahmen ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigten unternehmerischen Tätigkeit in der gleichen MWST-Abrechnung wieder als Vorsteuer abziehen (sog. Nullsummenspiel).9

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Beispiel
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Die nach der effektiven Methode abrechnende steuerpflichtige inländische Unternehmung bezieht Werbeleistungen von einer Werbeagentur in den USA in der Höhe von CHF 20'000. Der Ort der Werbeleistungen liegt gemäss Art. 8 Abs. 1 MWSTG am Sitz des Leistungsempfängers, also folglich im Inland. Die US-amerikanische Werbeagentur wird aufgrund solcher Leistungen im Inland nicht mehrwertsteuerpflichtig, weil es sich um eine bezugsteuerpflichtige Leistung handelt.10 Die steuer­pflichtige inländische Unternehmung hat die CHF 20'000 (CHF 1600 Steuerbetrag) als Bezugsteuer in ihrer MWST-Abrechnung unter der Ziffer 381 zu deklarieren und kann in der gleichen MWST-Abrechnung im Rahmen ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigten Tätigkeit den Vorsteuerabzug vornehmen. Schliesslich resultiert keine zusätzliche Steuerbelastung aus dem Bezug dieser Dienstleistungen aus dem Ausland, sofern nur zur Vorsteuer abzugsberechtigte Tätigkeiten ausgeübt werden.

Wird anlässlich einer MWST-Kontrolle durch die ESTV festgestellt, dass die Deklaration der Bezugsteuer in der Vergangenheit unterblieben ist, so wird die steuerpflichtige Person darauf aufmerksam gemacht und ihr auferlegt, die Deklarationen künftig vorzunehmen. Eine Aufrechnung der Bezugsteuer oder auch von allfälligen Verzugszinsen wird keine vorgenommen, sofern – wie im vorstehenden Beispiel – es sich jeweils um ein Nullsummen­spiel handelte.

Ein entsprechender Vorsteuerabzug ist bei der Saldosteuersatzmethode ausgeschlossen, weil die steuerpflichtige Person explizit auf das Vorsteuerabzugsrecht verzichtet bzw. alle Vor­steuern in der Höhe des Saldosteuersatzes bereits berücksichtigt werden.11

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Beispiel
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3
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Die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnende steuerpflichtige inländische Unternehmung lässt ihre Buchhaltung durch das Mutterhaus in Deutschland erstellen. Dafür bezahlt sie jährlich eine Gebühr von CHF 8000. Der Ort der Buchhaltungsleistung befindet sich nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG am Sitz der inländischen Unternehmung, also folglich im Inland. Die deutsche Muttergesellschaft wird aufgrund solcher Leistungen jedoch nicht im Inland mehrwertsteuerpflichtig, da es sich um eine bezugsteuerpflichtige Dienstleistung handelt.12 Die inländische Unternehmung hat die Bezugsteuer in ihrer MWST-Abrechnung unter der Ziffer 381 zu deklarieren. Es gilt zu beachten, dass der Steuerbetrag CHF 64013 beträgt, und nicht etwa den Rechnungsbetrag multipliziert mit dem bewilligten Saldosteuersatz. Da die inländische Unternehmung sich für den Saldosteuersatz entschieden hat, verbleiben die CHF 640 als definitive Steuerbelastung.

Der Bezugsteuerpflicht ist vor dem Entscheid hinsichtlich der Abrechnungsmethode grosse Beachtung zu schenken. Bei der Anwendung der Saldosteuersatzmethode kann eine sehr hohe Bezugsteuer entstehen, die bei der Anwendung der effektiven Methode zu einem Nullsummenspiel führen würde. Mit den heutigen gültigen Wechselfristen von der Saldosteuersatzmethode zur effektiven Methode von lediglich einer Steuerperiode wurde die Problematik zwar entschärft. Wird die Bezugsteuerpflicht ­jedoch erst im Nachhinein entdeckt, wird ein rückwirkender Wechsel der Abrechnungs­methode nicht möglich sein.14

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Beispiele
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Ein inländisches Unternehmen bezahlt jährlich Lizenzgebühren in der Höhe von CHF 50'000 an eine ausländische Gesellschaft und steht nun vor der Frage, ob es nach der effektiven Abrechnungs- oder nach der Saldosteuersatzmethode abrechnen soll. Bezugsteuerfragen müssen zwingend in die Evaluation der Abrechnungsmethode mit ­einbezogen werden. Lizenzen gelten als Dienstleistungen, bei denen sich der Ort der Leistung nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG richtet. Folglich befindet sich der Ort der Dienstleistung im Inland, da sich der Sitz des Leistungsempfängers im Inland befindet. Der ausländische Lizenzgeber wird aufgrund solcher Leistungen nicht mehrwertsteuerpflichtig, da es sich um eine bezugsteuerpflichtige Leistung handelt.15
Rechnet das inländische Unternehmen nach der effektiven Abrechnungsmethode ab, muss es die Lizenzzahlungen in der Höhe von CHF 50'000 (Steuerbetrag CHF 4000) zwar unter der Ziffer 381 in seiner MWST-Abrechnung deklarieren, kann aber gleichzeitig im Rahmen seiner zum Vorsteuerabzug berechtigten Tätigkeiten den Vorsteuerabzug vornehmen. Dementsprechend verbleibt keine zusätzliche ­Steuerbelastung, sofern nur zur Vorsteuer abzugsberechtigte Tätigkeiten ausgeübt werden.
Entscheidet sich das inländische Unternehmen jedoch für die Saldosteuersatzmethode, verbleibt die Bezugsteuer in der Höhe von CHF 4000 als definitive Belastung beim inländischen Unternehmen. Um dieses Manko wieder wettzumachen, muss der Vorteil aus der Versteuerung zum Saldosteuersatz schon sehr hoch sein.

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3. Nicht mehrwertsteuerpflichtige Leistungsempfänger
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2
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Wie bereits vorstehend ausgeführt, beginnt die Bezugsteuerpflicht bei noch nicht mehrwert­steuerpflichtigen Personen erst ab einem Bezug von mehr als CHF 10'000 pro Kalenderjahr. Als Steuer- und Abrechnungsperiode gilt in diesen Fällen das Kalenderjahr.16 Es gilt dabei zu beachten, dass sich die betroffenen Personen innert 60 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahrs schriftlich bei der ESTV anzumelden haben, nachdem sie die Bezugslimite überschritten haben.17 Dies gilt jedoch nicht im Fall von Lieferungen,18 die der Bezugsteuer unterliegen, da in diesen Fällen der Gesetzgeber eine zusätzliche Informationspflicht der zuständigen Behörde19 vorgesehen hat.20

Auch bei nicht mehrwertsteuerpflichtigen Leistungsempfängern kann eine Situation entstehen, bei der die Bezugsteuer zu einer definitiven Steuerbelastung führt, obwohl bei einem steueroptimierten Vorgehen diese nicht angefallen wäre.

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3
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Eine inländische, nicht steuerpflichtige Unternehmung erzielt sämtliche Umsätze mit Lieferungen im Ausland.21 Ort der Lieferung liegt jeweils dort, wo die Beförderung zum Abnehmer beginnt, also folglich im Ausland.22 Damit erreicht die inländische Unternehmung die massgebende Umsatzlimite für eine obligatorische MWST-Pflicht23 nicht und wurde durch den Treuhänder auch nicht freiwillig bei der schweizerischen MWST registriert.
Die inländische Unternehmung hat den Personaleinsatz im Inland stark reduziert und bezieht praktisch alle administrativen Leistungen durch ausländische Unternehmungen. Der jährlich dafür in Rechnung gestellte Betrag beläuft sich auf CHF 500'000. Der Ort solcher administrativen Leistungen liegt gemäss Art. 8 Abs. 1 MWSTG am Sitz des Leistungsempfängers, also folglich im Inland. Damit unterliegen die in Rechnung gestellten Beträge für die administrativen Leistungen der schweizerischen MWST. Die ausländischen Leistungserbringer werden aufgrund solcher Leistungen im Inland nicht mehrwertsteuerpflichtig, weil die Leistungen der Bezugsteuer unterliegen.24
Die inländische Unternehmung hat sich aufgrund der bezogenen Leistungen unaufgefordert innert 60 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahrs schriftlich bei der ESTV zu melden und die Bezugsteuer anzumelden. Der von der ESTV als Bezugsteuer eingeforderte Betrag wird sich auf CHF 40'00025 belaufen. Es handelt sich dabei um eine Bezugsteuerpflicht, die nicht mit der «normalen» MWST-Pflicht zu verwechseln ist. Der Steuerbetrag in der Höhe von CHF 40'000 wird zu einer definitiven Steuerbelastung.
Wäre die inländische Unternehmung bei der MWST als steuerpflichtiges Unternehmen26 registriert worden, müsste sie zwar die Bezugsteuer unter der Ziffer 381 in ihrer MWST-Abrechnung deklarieren, könnte aber gleichzeitig den Vorsteuerabzug im Rahmen ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigten Tätigkeit vornehmen. Lieferungen im Ausland gelten als zur Vorsteuer abzugsberechtigte Tätigkeit, sodass es in diesem Fall zu einem Nullsummen­spiel geführt hätte.

Der Verzicht auf eine Steuerbefreiung ist lediglich während einer laufenden Steuerperiode zu Beginn dieser Steuerperiode möglich.27 Wird die nicht abgerechnete Bezugsteuer zu einem späteren Zeitpunkt entdeckt, ist eine rück­wirkende freiwillige Registrierung bei der MWST nicht möglich. Die noch unter dem alten MWSTG angewandte Praxis der ESTV, dass es keine Aufrechnung für nicht abgerechnete Bezugsteuer gab, wenn es bei einer freiwilligen Registrierung zu einem Nullsummenspiel geführt hätte, wurde mit Einführung des neuen MWSTG per 1.01.2010 aufgegeben. Es ist deshalb ratsam, sich frühzeitig, also während der laufenden Steuerperiode, mit einer allfälligen Bezugsteuer von nicht mehrwertsteuerpflich­tigen Personen zu befassen.

Beim vorstehenden Beispiel gilt es übrigens auch, unbedingt eine allfällige ausländische MWST-Pflicht zu beachten und rechtzeitig abzuklären.

Im zweiten Teil des Beitrags, der in der Ausgabe TREX 4/2014 erscheint, erwarten Sie Ausführungen zur Bezugsteuer mit Lieferungen.

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  1. Art. 45 Abs. 1 lit. a MWSTG.
  2. Art. 45 Abs. 1 lit. b MWSTG.
  3. Art. 45 Abs. 1 lit. c MWSTG.
  4. Die gemäss Art. 10 MWSTG steuerpflichtig sind.
  5. Effektive Methode oder Saldosteuersatzmethode.
  6. Vereinbart oder vereinnahmt.
  7. Art. 48 Abs. 1 lit. b MWSTG.
  8. Art. 48 Abs. 1 lit. a MWSTG.
  9. Art. 28 Abs. 1 lit. b MWSTG.
  10. Art. 10 Abs. 2 lit. b MWSTG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 lit. a MWSTG.
  11. Art. 37 Abs. 3 MWSTG.
  12. Art. 10 Abs. 2 lit. b MWSTG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 lit. a MWSTG.
  13. CHF 8000 mal 8 %.
  14. Die steuerpflichtige Person hat sich gemäss Art. 81 Abs. 1 MWSTV bis spätestens 60 Tage nach Beginn der Steuerperiode, in der sie wechseln möchte, bei der ESTV zu melden.
  15. Art. 10 Abs. 2 lit. b MWSTG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 lit. a MWSTG.
  16. Art. 47 Abs. 2 MWSTG.
  17. Art. 66 Abs. 3 MWSTG.
  18. Art. 45 Abs. 1 lit. c MWSTG.
  19. ESTV.
  20. Art. 45 Abs. 2 lit. b MWSTG.
  21. Keine Warenbewegungen in die und ab der Schweiz.
  22. Art. 7 Abs. 1 lit. b MWSTG.
  23. Art. 10 Abs. 2 lit. a MWSTG.
  24. Art. 10 Abs. 2 lit. b MWSTG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 lit. a MWSTG.
  25. 8 % von CHF 500'000.
  26. Verzicht auf die Befreiung von der MWST-Pflicht nach Art. 11 MWSTG.
  27. Art. 14 Abs. 4 MWSTG.
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