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Im Lehrvertragsverhältnis müssen nebst besonderen arbeitsvertragsrechtlichen Bestimmungen auch berufsbildungsrechtliche und häufig solche zum Schutz jugendlicher ­Arbeitnehmer beachtet werden. Ein Überblick.

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1. Die Ausbildung von Lernenden
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Die betriebliche Ausbildung von Lernenden ist in vielerlei Hinsicht eine spannende Herausforderung und einer der beiden Pfeiler des schweizerischen Berufsbildungssystems. Der Lehrvertrag kennt einige Besonderheiten in Bezug auf Form und Inhalt. Grundsätzlich handelt es sich dabei jedoch um einen Arbeitsvertrag, sodass auf ihn – ohne abweichende Bestimmung oder Regelung – «normales» Arbeitsvertragsrecht angewandt wird. Die jeweiligen Bildungsverordnungen definieren sodann die Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der entsprechenden beruflichen Grundbildung vermittelt werden müssen.

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Die Mehrheit der Lehrvertragsverhältnisse betrifft überdies jugendliche Arbeitnehmer, das heisst solche, die das 18. Altersjahr noch nicht vollendet haben. Für sie gelten zusätzlich die Sonderschutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes und der Jugendarbeitsschutzverordnung. Praktisch müssen bei der Ausbildung von ­Lernenden daher arbeitsvertragsrechtliche, ­berufsbildungsrechtliche und häufig auch ­jugendarbeitsschutzrechtliche Bestimmungen nebeneinander berücksichtigt werden.

Der vorliegende Artikel soll einen Überblick ermöglichen, ohne auf berufsspezifische Besonderheiten eingehen zu können, und zusätzlich einige Punkte erläutern, die in der täglichen Praxis mit jugendlichen Lernenden häufig zu Fragen führen.

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2. Die Berufslehre
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Die Schweiz verfügt über ein sogenanntes dua­les Bildungssystem. Es stellt die Berufsbildung mit Berufslehrgang (Berufslehre) und die Berufsbildung an Hochschulen (Studium) gleichwertig nebeneinander. Bei entsprechender Qualifikation ist das System weitestgehend durchlässig ausgestaltet.

Die berufliche Grundbildung dient gemäss Berufsbildungsgesetz (BBG) «der Vermittlung und dem Erwerb der Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten (Qualifikationen), die zur Ausübung einer Tätigkeit in einem Beruf oder in einem Berufs- oder Tätigkeitsfeld (Berufstätigkeit) ­erforderlich sind» (Art. 15 Abs. 1 BBG). Drei- und vierjährige Grundbildungen schliessen bei bestandener Abschlussprüfung mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) ab, zweijährige mit dem eidgenössischen Berufsattest (EBA). Die berufliche Grundbildung findet ­regelmässig an drei Lernorten statt:

  1. Lehrbetrieb (Lehrvertriebsverbünde)
  2. Berufsfachschule
  3. Überbetriebliche Kurse

Der Lehrbetrieb vermittelt die betriebliche Bildung, die Berufsfachschule den schulischen Unterricht und die überbetrieblichen Kurse grundlegende Fertigkeiten. Basis für die ­Ausbildung im jeweiligen Lehrberuf bilden die Bildungsverordnungen (inklusive allfälligem Modell-Lehrgang). Sie enthalten regelmässig Bestimmungen über Berufsbezeichnung, ­Gegenstand und Dauer der Grundbildung, ­Ziele und Anforderungen an den Lehrbetrieb (inklusive Höchstzahl der Lernenden), Ausbildungsprogramme und Bildungspläne, Qualifikationsverfahren, Ausweise und Titel, Massnahmen zu Arbeits- und Gesundheitsschutz, Berufsfachschule und überbetriebliche Kurse usw. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) führt ein Berufsverzeichnis mit allen von ihm anerkannten Berufen und den entsprechenden Bildungsverordnungen, das auch ­online abgerufen werden kann. Auskunft zu den Bildungsverordnungen erteilen in der Regel auch die entsprechenden Berufsverbände.

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3. Der Lehrbetrieb
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Betriebe, die Lernende in der beruflichen Grundbildung ausbilden wollen, brauchen dazu eine Bildungsbewilligung der zuständigen ­kantonalen Behörde (Berufsbildungsamt). Die Bewilligung wird für den jeweiligen Betrieb und für den jeweiligen Beruf (allenfalls Fachrichtungen) ausgestellt. Im Gesuch ist anzugeben, wer zuständiger Berufsbildner ist. Dieser muss gemäss Berufsbildungsgesetz über eine «qualifizierte fachliche Bildung sowie über ­angemessene pädagogische und methodisch-didaktische Fähigkeiten» verfügen (Art. 45 Abs. 2 BBG) oder bereit sein, diese zu erlangen. Konkret bedeutet dies, dass Berufsbildner mindestens folgende Voraussetzungen erfüllen müssen:

  • Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis des Ausbildungsberufs
  • Zwei Jahre Berufspraxis
  • Berufspädagogische Qualifikation (Kurs mit 40 Präsenzstunden – ehemaliger Lehrmeister­kurs – oder Ausbildungsgang mit 100 Lernstunden und eidgenössischem Diplom)

Die Bildungsverordnungen können höhere ­Anforderungen stellen. Ohne entsprechende Bildungsbewilligung dürfen keine Lernenden ausgebildet werden, sonst droht eine Busse oder in leichten Fällen eine Verwarnung (Art. 62 BBG). Für einen Betrieb können bei entsprechenden Voraussetzungen mehrere ­Bewilligungen für verschiedene Berufe ausgestellt werden.

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4. Der Lehrvertrag
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Der Lehrvertrag ist ein Arbeitsvertrag. Er ist als «besonderer Arbeitsvertrag» in den Artikeln 344 – 346a des Obligationenrechts (OR) geregelt und ergänzend in Artikel 14 des ­Berufsbildungsgesetzes. Sehen diese Artikel nichts Besonderes vor oder haben die Parteien keine zulässigen Abweichungen vereinbart, kommen die Bestimmungen über den Einzelarbeitsvertrag (Art. 319 – 342 OR) subsidiär auch im Lehrverhältnis zum Tragen. So untersteht zum Beispiel der Lernende der arbeitsvertraglichen Treue- und Sorgfaltspflicht und hat Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

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4.1 Wesen und Zweck
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Beim besonderen Einzelarbeitsvertrag «Lehrvertrag» steht nicht die Arbeitsleistung, sondern die Ausbildung des Arbeitnehmers im Vordergrund. Der Arbeitgeber verpflichtet sich zur ­Bezahlung eines Lohns und zur fachgemässen Ausbildung der lernenden Person für einen bestimmten Beruf. Die lernende Person verpflichtet sich, zu diesem Zweck für den Arbeitgeber zu arbeiten.

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4.2 Abschluss des Vertrags und Formvorschriften
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Der Lehrvertrag muss zwingend schriftlich ­abgeschlossen werden. Für zwei-, drei- oder vierjährige Grundbildungen existiert für die ganze Schweiz ein obligatorisches, einheitliches Lehrvertragsformular. Mit Ausfüllen und Unterzeichnen des zweiseitigen Formulars ist der Schriftlichkeit Genüge getan. Die zuständige kantonale Behörde muss das Lehrvertrags­formular genehmigen (Art. 14 Abs. 3 BBG).

Parteien des Lehrvertrags sind der Lehrbetrieb als Arbeitgeber und die lernende Person als ­Arbeitnehmerin. Diese beiden müssen den Vertrag unterzeichnen. Ist der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss noch nicht volljährig, das heisst noch nicht 18-jährig, muss die gesetzliche Vertretung (in der Regel die Eltern) den Lehrvertrag mitunterzeichnen.

Wird kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen oder wird dieser der kantonalen Behörde nicht oder verspätet zur Genehmigung eingereicht, untersteht das Lehrverhältnis trotzdem den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes. Allerdings führt die Unterlassung zu einer Busse oder in leichten Fällen zu einer Verwarnung des Arbeitgebers (Art. 6 i.V.m. Art. 62 BBG).

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4.3 Befristeter Vertrag und Probezeit
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Der Lehrvertrag ist regelmässig ein befristeter Vertrag und wird für die Dauer der beruflichen Grundbildung (entsprechend der jeweiligen ­Bildungsverordnung) abgeschlossen. Nur wenn die Ausbildung im Lehrverbund stattfindet ­(Zusammenschluss mehrerer Lehrbetriebe), darf der Vertrag beschränkt auf die Dauer der Ausbildung im jeweiligen Betrieb abgeschlossen werden.

Die Probezeit beträgt zwingend mindestens ­einen Monat, maximal drei Monate. Wenn die Parteien nichts vereinbaren, gelten die ersten drei Monate als Probezeit. Die Parteien können die Probezeit ausnahmsweise vor ihrem Ablauf und unter Zustimmung der kantonalen Behörde bis auf sechs Monate verlängern. Innerhalb der Probezeit können beide Parteien das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung einer siebentägigen Frist kündigen.

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4.4 Allgemeine Rechte und Pflichten
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Die lernende Person hat alles zu tun, um das Lehrziel zu erreichen. Ist sie noch nicht volljährig, so obliegt ihrer gesetzlichen Vertretung die Pflicht, den Arbeitgeber in der Erfüllung seiner Aufgabe zu unterstützen und das gute Einvernehmen zu fördern.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Ausbildung einer dazu fachlich und persönlich fähigen Fachkraft anzuvertrauen.

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4.5 Lohn und Ferien
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Der Arbeitgeber muss der lernenden Person den vereinbarten (Zeit-)Lohn bezahlen. (Akkord­lohnarbeit ist für Lernende grundsätzlich nicht erlaubt, ausser sie steht in Zusammenhang mit dem zu erlernenden Beruf und die Bildung wird nicht beeinträchtigt.)

Ab dem 1. Januar nach Vollendung des 17. Lebensjahrs sind alle Erwerbstätigen AHV-, IV-, EO- und ALV-pflichtig, d.h. der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer für das ganze Jahr, in dem sie volljährig werden, bei der Ausgleichskasse anmelden und die Beiträge abrechnen.

Sofern der Lohn der lernenden Person die BVG-Eintrittsschwelle (aktuell CHF 20 880 pro Jahr oder CHF 1740 pro Monat) übersteigt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, sie ebenfalls nach BVG zu versichern (bis zum 25. Altersjahr nur Risiko­versicherung ohne Alterssparen).

Die lernende Person ist von Beginn weg gegen Berufs- und Nichtbetriebsunfall zu versichern. Die Berufsunfallversicherungsprämien gehen von Gesetzes wegen zulasten des Arbeitgebers, die Prämien für Nichtbetriebsunfall können der lernenden Person auferlegt werden. Krankentaggeldversicherungen sind auch im Lehrverhältnis freiwillige Versicherungen, die als gleichwertig mit der gesetzlichen Lösung (Skalen) gelten, wenn die Versicherung mindestens während 720 Tagen Taggelder ausrichtet, die ­Prämien mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen werden und mindestens 80 Prozent des Nettolohns gedeckt sind.

Bis zum vollendeten 20. Altersjahr (also bis zum 20. Geburtstag) hat der Arbeitnehmer zudem von Gesetzes wegen Anspruch auf mindestens fünf Wochen Ferien pro Dienstjahr. Die Ferien sind während der Berufsschulferien zu gewähren.

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4.6 Schul- und Kursbesuche
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Der Besuch der Berufsfachschule ist obligatorisch. Der Arbeitgeber muss der lernenden Person die Zeit freigeben, die für den Besuch der Berufsfachschule, der überbetrieblichen Kurse und für die Abschlussprüfungen nötig ist. Er muss ihr für diese Zeit den Lohn bezahlen und darf dafür keine Lohnkürzungen vornehmen.

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4.7 Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Absenz
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Auch Lernende haben für unverschuldete ­Absenzen Anspruch auf Lohnfortzahlung während einer beschränkten Zeit gemäss Art. 324a und 324b OR. Ohne Krankentaggeld- oder ­gesetzliche Versicherung beträgt der Anspruch im ersten Dienstjahr drei Wochen, im zweiten Dienstjahr – je nach Skala – vier bis neun ­Wochen, im dritten Dienstjahr neun Wochen und im vierten Dienstjahr neun bis 13 Wochen à 100 Prozent.

Für jeden vollen Monat, der die Dauer eines Monats übersteigt, kann der jährliche Ferienanspruch um einen Zwölftel gekürzt werden (ein Zwölftel für zwei Monate, ein Sechstel für drei Monate usw.).

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4.8 Berufsnotwendige Beschaffungen
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Die Parteien können im Lehrvertrag weitere ­Vereinbarungen treffen wie beispielsweise über die Beschaffung von Berufswerkzeugen oder Beiträge an Unterkunft und Verpflegung. Grundsätzlich gilt jedoch auch im Lehrvertrag, dass der Arbeitgeber die Kosten für notwendig ­entstehende Auslagen zu tragen hat. Es geht hier daher maximal um persönliche Werkzeuge und persönliche Berufskleider.

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4.9 Keine Kurzarbeit
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Allfällige Kurzarbeit im Betrieb hat, damit das Ausbildungsziel nicht gefährdet wird, keinen ­direkten Einfluss auf das Lehrverhältnis. ­Arbeitsausfälle von Personen im Lehrverhältnis sind nicht anrechenbar und sie erhalten keine Kurzarbeitsentschädigung (Art. 33 Abs. 1 lit. e AVIG). Der Betrieb schuldet den vollen vertraglich vereinbarten Lohn, der Lernende die vereinbarte Arbeitszeit.

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4.10 Zulässige Arbeitszeit
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Im Rahmen der gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen des Arbeitsgesetzes im Allgemeinen und der Jugendarbeitsschutzverordnung im ­Besonderen kann die Arbeitszeit zwischen den Vertragsparteien frei vereinbart werden. Sie darf jedoch für lernende Personen nicht länger ­dauern als diejenige der anderen Arbeitnehmer im Betrieb und maximal neun Stunden pro Tag betragen. Jugendlichen ist zudem eine zusammenhängende Ruhezeit von täglich mindestens zwölf Stunden zu gewähren.

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4.11 Abschlussprüfung
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Die Abschlussprüfung soll zeigen, ob die ­lernende Person die in der Bildungsverordnung definierten Ziele erreicht und ob sie zur ­Ausübung des Berufs befähigt ist. Für die ­Anmeldung zur Prüfung ist der Lehrbetrieb verantwortlich. Die Organisation der Abschluss­prüfungen ist kantonal verschieden. Der Arbeitgeber muss der lernenden Person die Zeit für die Abschlussprüfung ohne Lohnabzug frei­geben.

Das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis (nach erfolgreich abgeschlossener drei- oder vierjähriger Grundbildung) und das Eidgenössische Berufsattest (nach erfolgreich abgeschlossener zweijähriger Grundbildung) werden durch die zuständige kantonale Behörde ausgestellt, Fachausweise und Diplome (der höheren ­Berufsbildung) vom Bundesamt für Berufs­bildung und Technologie BBT.

Bei Nichtbestehen der Abschlussprüfung richtet sich ein allfälliger Rechtsmittelweg nach der Verwaltungsrechtspflege. Verfügungen einer kantonalen Stelle sind in der Regel bei einer kantonalen Rechtsmittelinstanz anzufechten, diejenigen von Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung beim BBT.

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4.12 Beendigung des Lehrvertrags und Lehrzeugnis
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Der Lehrvertrag endet automatisch ohne Kündi­gung mit der vereinbarten Dauer und unabhängig davon, ob die Abschlussprüfung bestanden wurde oder nicht. Der Lernende hat bei Nichtbestehen der Prüfung keinen Anspruch darauf, das letzte Lehrjahr im gleichen Betrieb zu ­wiederholen.

Während der Probezeit kann der Lehrvertrag unter Einhaltung einer siebentägigen Frist aufgelöst werden. Danach ist er als befristeter ­Vertrag nicht mehr ordentlich kündbar. Aus wichtigen Gründen kann das Lehrverhältnis ­jedoch fristlos aufgelöst werden. Als solche Gründe zählt das OR beispielhaft auf (Art. 346 Abs. 2 OR):

  • Fehlen der beruflichen und persönlichen Lehrfähigkeiten und -eigenschaften bei der bildungsverantwortlichen Person
  • Fehlen der nötigen körperlichen und geistigen Anlagen beim Lernenden
  • Gesundheitliche oder sittliche Gefährdung des Lernenden
  • Wesentlich veränderte Verhältnisse für das Zuendeführen der Bildung oder Unmöglichkeit

Löst der Arbeitgeber den Lehrvertrag vorzeitig auf wegen Fehlens der nötigen körperlichen und geistigen Anlagen oder aufgrund gesundheitlicher oder sittlicher Gefährdung, muss er vorgängig den Lernenden oder/und dessen ­gesetzliche Vertretung anhören.

Der Arbeitgeber muss die kantonale Behörde (und allenfalls die Berufsfachschule) umgehend über die vorzeitige Auflösung des Lehrvertrags informieren. Häufig lohnt es sich, die Behörden bereits vorher zu informieren oder einzubeziehen. Unter Umständen können ­diese als neutrale Stelle zwischen den Parteien vermitteln.

Wird ein Lehrbetrieb geschlossen oder fällt in Konkurs, sorgt die kantonale Behörde dafür, dass die begonnene berufliche Grundbildung wenn möglich ordnungsgemäss abgeschlossen werden kann (Art. 14 Abs. 5 BBG).

Der Lernende hat nach Beendigung der Berufslehre Anspruch auf ein Lehrzeugnis. Dieses muss Angaben über die erlernte Berufstätigkeit und die Dauer der beruflichen Grundbildung enthalten. Die lernende Person (oder ihre gesetzliche Vertretung) kann zudem verlangen, dass sich das Zeugnis auch über die Leistungen und das Verhalten ausspricht (Art. 346a OR).

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4.13 Weiterbeschäftigung im Lehrbetrieb
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Wird die lernende Person nach Abschluss der Berufslehre im ehemaligen Lehrbetrieb weiterbeschäftigt, empfiehlt sich der Abschluss eines schriftlichen Vertrages (zwingend, falls die ­Berufslehre verlängert wird!). Mindestens die folgenden Punkte muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schriftlich mitteilen (Art. 330b OR):

  • Namen der Vertragsparteien
  • Datum des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  • Funktion des Arbeitnehmers
  • Lohn (und allfällige Zuschläge)
  • Wöchentliche Arbeitszeit

Für eine allfällige Bestimmung des Dienstalters (zum Beispiel für Lohnfortzahlungspflicht) werden in diesem Fall die Lehrjahre angerechnet.

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5. Jugendarbeitsschutz
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Das Arbeitsgesetz stellt in Artikel 29 ff. Sonderschutzvorschriften für jugendliche Arbeitnehmer auf, die in der Jugendarbeitsschutzverordnung (ArGV5) näher ausgeführt werden. Es geht dabei in erster Linie um verbotene Arbeiten, ­Altersbegrenzungen und besondere Arbeits- und Ruhezeiten. Der Arbeitgeber, der die Sonderschutzvorschriften vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, ist strafbar (Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen plus Eintrag im Strafregister).

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5.1 Jugendlich: bis 18 Jahre
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Als jugendlich gelten nach Arbeitsgesetz ­«Arbeitnehmer beider Geschlechter bis zum vollendeten 18. Altersjahr», das heisst bis zu ihrem 18. Geburtstag und damit bis zum Erreichen der Volljährigkeit (Art. 29 Abs. 1 ArG).

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5.2 Arbeitsverbot bis 15 Jahre / 13 Jahre
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Für Jugendliche vor dem vollendeten 15. Altersjahr gilt ein grundsätzliches Arbeitsverbot. Ausgenommen von diesem Verbot sind Boten­gänge und leichte Arbeiten für Jugendliche über 13 Jahren («Wochenplätze») sowie kulturelle, künstlerische, sportliche oder werbende Darbietungen für Jugendliche unter 15 Jahren. ­Zudem können die Kantone für schulentlassene Jugendliche unter 15 Jahren Ausnahmen bewilligen (Art. 30 ArG).

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5.3 Maximal neun Stunden pro Tag
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Die tägliche Arbeitszeit darf für jugendliche ­Arbeitnehmer nicht länger sein als für die anderen Arbeitnehmer, darf maximal neun Stunden betragen und muss inklusive Pausen ­innerhalb von zwölf Stunden liegen. Obligatorischer Unterricht in den Berufsfachschulen und überbetrieblichen Kursen ist an die Arbeitszeit anzurechnen.

Jugendliche unter 16 Jahren dürfen bis maximal 20 Uhr, solche über 16 Jahren bis maximal 22 Uhr beschäftigt werden. Vor Berufsfachschultagen oder überbetrieblichen Kursen dürfen alle jugendlichen Arbeitnehmer nur bis ­maximal 20 Uhr arbeiten. Die tägliche Ruhezeit muss mindestens zwölf Stunden betragen (Art. 31 ArG).

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5.4 Verboten: Überzeit
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Vor dem Erreichen des 16. Altersjahrs und während der beruflichen Grundbildung ist Überzeitarbeit für Jugendliche grundsätzlich verboten (Art. 31 Abs. 3 ArG).

Ausnahmsweise können jugendliche Lernende zu Überzeitarbeit herangezogen werden, wenn dies «zur Behebung einer Betriebsstörung ­infolge höherer Gewalt unentbehrlich» ist. ­Jugendliche ab 16 Jahren, die sich nicht in der beruflichen Grundbildung befinden, dürfen Überzeit leisten, allerdings nur im Rahmen der Tages- und Abendarbeit und nur bis maximal 22 Uhr.

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5.5 Verboten: Nacht- und Sonntagsarbeit
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Jugendliche Arbeitnehmer dürfen grundsätzlich keine Nacht- und Sonntagsarbeit verrichten (Art. 31 Abs. 4 ArG). Ausnahmen können allenfalls bewilligt werden, sofern die Beschäftigung in der Nacht oder an Sonntagen unentbehrlich ist für die Erreichung der Ausbildungsziele. Im Interesse der beruflichen Grundbildung regelt das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement EVD in einer Verordnung Ausnahmen vom Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit. Für folgende Branchen und Bereiche gilt keine Bewilligungspflicht für Nacht- und Sonntagsarbeit in der Ausbildung:

  • Gastgewerbe und Hauswirtschaft
  • Bäckereien, Konditoreien und Confiserien
  • Detailhandel in Bäckereien, Konditoreien und Confiserien
  • Milchtechnologiebranche
  • Lebensmitteltechnologiebranche
  • Produktions- und Verpackungsanlagen
  • Fleischfachbranche
  • Tierhaltung und -pflege
  • Gesundheitswesen
  • Gleisbau
  • Veranstaltungsbereich

Die Verordnung listet detailliert die Berufe auf, für die die Ausnahmen gelten, und definiert im Detail deren Umfang. So dürfen beispielsweise Lernende im Gastgewerbe ab dem vollendeten 16. Altersjahr bis höchstens 23 Uhr und maximal zehn Mal pro Jahr bis 1 Uhr arbeiten, an Tagen vor der Berufsfachschule bis höchstens 20 Uhr.

Für Jugendliche, die dauernd oder regelmässig in der Nacht arbeiten, ist die medizinische ­Untersuchung und Beratung obligatorisch. Die Kosten trägt der Arbeitgeber.

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5.6 Verboten: gefährliche Arbeiten
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Jugendliche dürfen keine gefährlichen Arbeiten verrichten (Art. 4 Abs. 1 ArGV5). Als gefährlich gelten generell alle Arbeiten, die die Gesundheit, die Ausbildung oder die Sicherheit sowie die physische und psychische Entwicklung der Jugendlichen beeinträchtigen könnten.

Die Verordnung des EVD über gefährliche ­Arbeiten für Jugendliche definiert, welche ­Arbeiten als gefährlich gelten. Es sind dies:

  • Arbeiten, die die physische oder psychische Leistungsfähigkeit von Jugendlichen objektiv übersteigen;
  • Arbeiten mit dem Risiko physischen, psychischen, moralischen oder sexuellen Missbrauchs, namentlich Prostitution, Herstellung von Pornografie oder pornografische Darbietungen;
  • Arbeiten in Arbeitszeitsystemen, die erfahrungsgemäss zu einer starken Belastung führen, namentlich Akkordarbeit;
  • Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden physikalischen Einwirkungen;
  • Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden biologischen Agenzien;
  • Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden chemischen Agenzien;
  • Arbeiten mit Maschinen, Ausrüstungen oder Werkzeugen, die mit Unfallgefahren verbunden sind, von denen anzunehmen ist, dass Jugendliche sie wegen mangelnden Sicherheitsbewusstseins oder wegen mangelnder Erfahrung oder Ausbildung nicht erkennen oder nicht abwenden können;
  • Arbeiten mit erheblicher Brand-, Explosions-, Unfall-, Erkrankungs- oder Vergiftungs­gefahr;
  • Arbeiten unter Tag, unter Wasser, in gefährlichen Höhen, in engen Räumen oder bei ­Einsturzgefahr;
  • Arbeiten mit gefährlichen Tieren;
  • Industrielles Schlachten von Tieren;
  • Sortieren von Altmaterial wie Papier und ­Karton, von ungereinigter und nicht desinfizierter Wäsche sowie von Haaren, Borsten und Fellen.
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5.7 Verboten: Bedienung in Unterhaltungs­betrieben
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Jugendlichen ist die Bedienung von Gästen in Unterhaltungsbetrieben (Nachtlokalen, Dancings, Discos, Barbetrieben) verboten (Art. 5 ArGV5).

Ausser im Rahmen der beruflichen Grundbildung dürfen Jugendliche unter 16 Jahren auch nicht für die Bedienung von Gästen in Hotels, Restaurants und Cafés beschäftigt werden.

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5.8 Verboten: Arbeit in Kinos, Zirkus- und Schaustellerbetrieben
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In Kinos, Zirkus- und Schaustellerbetrieben ­dürfen Jugendliche unter 16 Jahren nicht ­beschäftigt werden, es sei denn, dies geschehe im Rahmen kultureller, künstlerischer und sportlicher Darstellungen oder im Rahmen der Werbung, habe keinen negativen Einfluss auf die Gesundheit, die Sicherheit und die physische und psychische Entwicklung der Jugendlichen und beeinträchtige weder Schulbesuch noch Schulleistung (Art. 6 ArGV5). Zulässige Beschäftigungen von Jugendlichen unter 15 Jahren in diesem Rahmen müssen der zuständigen kantonalen Stelle gemeldet werden.

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5.9 Zulässig: Botengänge und leichte Arbeiten für Jugendliche ab 13 Jahren
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Jugendliche ab 13 Jahren dürfen Botengänge erledigen und leichte Arbeiten verrichten, die keinen negativen Einfluss auf Gesundheit, ­Sicherheit sowie physische und psychische Entwicklung haben und weder Schulbesuch noch Schulleistung beeinträchtigen (Art. 8 ArGV5). Erlaubt ist namentlich die Beschäftigung im Rahmen der Berufswahlvorbereitung.

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6. Weitere Pflichten
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Arbeitsgesetz und Jugendarbeitsschutzverordnung definieren weitere Pflichten für Arbeitgeber jugendlicher Arbeitnehmer, die einerseits die allgemeine Fürsorgepflicht nach OR konkretisieren, aber im Sinne eines besonderen ­Schutzes für Jugendliche auch darüber hinausgehen. Die nachfolgende Aufzählung gibt einen Überblick:

  • Gesundheitsschutz und Sittlichkeit: Zum Schutz der Gesundheit aller Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber alle Massnahmen treffen, die nach der Erfahrung, dem Stand der Technik und den Verhältnissen notwendig und angemessen sind. Auf die Gesundheit der Jugendlichen muss er besonders Rücksicht nehmen und die Sittlichkeit wahren. Insbesondere ist er dafür verantwortlich, dass Jugendliche nicht überanstrengt werden und vor schlechten Einflüssen im Betrieb bewahrt werden.
  • Altersausweis: Wer Jugendliche einstellt, muss von diesen einen Altersausweis verlangen (Art. 29 Abs. 4 ArG).
  • Besondere Fürsorgepflicht: Bei Erkrankung oder einem Unfall des Jugendlichen (und bei gesundheitlicher oder sittlicher Gefährdung) muss der Arbeitgeber die Eltern oder den Vormund benachrichtigen. Bis zum Eintreffen ihrer Weisungen muss der Arbeitgeber die gebotenen Massnahmen treffen (Art. 32 Abs. 1 ArG).
  • Informations- und Aufsichtspflichten: ­Jugendliche müssen im Betrieb von einer ­befähigten erwachsenen Person angemessen informiert und angeleitet werden, namentlich über Sicherheit und Gesundheitsschutz. Den Jugendlichen müssen die entsprechenden Vorschriften und Empfehlungen abgegeben und erklärt werden.
  • Informationspflicht gegenüber Eltern: Der Arbeitgeber muss die Eltern oder erziehungsberechtigten Personen informieren über ­Arbeitsbedingungen, mögliche Gefahren sowie getroffene Massnahmen für Sicherheit und Gesundheit (Art. 19 ArGV5).

Für die Information der Jugendlichen eignen sich beispielsweise die Broschüre des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO «Jugend­arbeitsschutz – Informationen für Jugendliche bis 18 Jahre», Berufsbildungsverordnungen, ­SUVA-Richtlinien oder EKAS-Lösungen.

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7. Berufsspezifische Bestimmungen
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Die vorstehenden Ausführungen sind allgemein gehalten und können nicht auf berufsspezifische Regelungen eingehen. Bildungsverordnungen, Gesamtarbeitsverträge, Branchen­lösungen usw. können zusätzliche Vorschriften oder Empfehlungen zur vertraglichen Ausgestaltung und Handhabung der Ausbildung ­jugendlicher Arbeitnehmer enthalten. Im konkreten Fall kommt der Arbeitgeber daher nicht umhin, sich mit den entsprechenden berufsspezifischen Bestimmungen auseinanderzu­setzen.

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