Auf den 1.1.2013 wurde das neue Rechnungslegungsrecht in Kraft gesetzt. Waren bisher die Buchführungspflichten von der Rechtsform bzw. vom Handelsregistereintrag abhängig, sind die neuen Bestimmungen von Art. 957 ff. OR neu rechtsformunabhängig. Somit sind die neuen Rechnungslegungsvorschriften auch für klassische Stiftungen gültig, dies allerdings mit Vorbehalten.
Art. 957 Abs. 2 OR hält u.a. fest, dass klassische Stiftungen lediglich über die Einnahmen und Ausgaben sowie über die Vermögensanlage Buch führen müssen, wenn sie
- nicht verpflichtet sind, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen.
- von der Pflicht zur Bezeichnung einer Revisionsstelle befreit sind.
Falls diese beiden Kriterien nicht erfüllt werden, hat sich die klassische Stiftung grundsätzlich an die neuen Rechnungslegungsbestimmungen zu halten. Art. 83a ZGB bestimmt allerdings, dass die in Art. 957 ff. OR verankerten Rechnungslegungsnormen für Stiftungen «sinngemäss» gelten. Zur Erinnerung: Personalvorsorgestiftungen müssen die Rechnungslegungsvorschriften von Swiss GAAP FER 26 einhalten.
Aufgrund dieser Ausgangslage habe ich eine Musterjahresrechnung für eine klassische Stiftung nach neuem Rechnungslegungsrecht erstellt.*
Da der «Schweizer Kontenrahmen KMU» nicht im Speziellen auf die Bedürfnisse von klassischen Stiftungen eingeht, wurde im Bereich der Fondsproblematik auf den Kontenrahmen von Swiss GAAP FER 21 zurückgegriffen.
Bei den meisten klassischen Stiftungen wurde die Bilanz bisher kaum gegliedert. Die Aktivseite beschränkte sich auf die Unterteilung von Umlauf- und Anlagevermögen, die Passivseite auf Fremd- und Eigenkapital.
Nach neuem Rechnungslegungsrecht ist in Art. 959a OR die Aufteilung in Umlauf- und Anlagevermögen sowie deren Gliederung vorgeschrieben. Gleich verhält es sich mit der Passivseite in Bezug auf das Fremd- und Eigenkapital.
Auch im Bereich der Erfolgsrechnung sind Neuerungen zu beachten. Bisher wurde in den meisten Fällen der Aufwand auf der Sollseite, der Ertrag auf der Habenseite ausgewiesen. Das Ergebnis entsprach der Differenz zwischen Soll- und Habenseite.
Art. 959b OR schreibt neu die Staffelform mit vorgeschriebener Mindestgliederung vor. Dabei kann bei der Buchführung zwischen einer Produktionserfolgsrechnung (Gesamtkostenverfahren) und einer Absatzerfolgsrechnung (Umsatzkostenverfahren) gewählt werden. Letztere fasst den direkten Aufwand, die Personalkosten und einen Teil der Gemeinkosten zusammen, was dazu führt, dass Personalkosten und Abschreibungen bzw. Wertberichtigungen im Anhang dargestellt werden müssen.
Aus diesem Grund wurde im nachfolgenden Beispiel die ausführlichere Produktionserfolgsrechnung gewählt, aus der im Gegensatz zur Absatzerfolgsrechnung die Bruttogewinne 1 und 2 ersichtlich sind. Dies dient der Verbesserung der Aussagekraft der Erfolgsrechnung.
Bisher bestand für klassische Stiftungen keine Pflicht zur Erstellung eines Anhangs. Auf Wunsch der Aufsichtsbehörden erstellten die Stiftungen teilweise Anhänge, aus denen Organisation, Zweck, Rechtsgrundlagen, Organe, die Grundsätze des Rechnungswesens sowie Vermögensanlagen und Bewertungsgrundsätze hervorgingen.
In 959c Absatz 1 und 2 OR sind neu die Anforderungen an den Anhang aufgelistet. Art. 961a OR ergänzt den Anforderungskatalog für «grössere Unternehmen», die der ordentlichen Revision unterstellt sind (20 / 40 / 250). Diese Unternehmen / Stiftungen haben zudem gemäss Art. 961b OR eine Geldflussrechnung und gemäss Art. 961c OR einen Lagebericht zu erstellen.
Die bisherige Praxis bei der Erstellung des Anhangs, wonach nur Aussagen zu den einzelnen Kriterien zu machen sind, zu denen es etwas auszuführen gibt, wird beibehalten (keine Negativmeldungen). Im nachfolgenden Beispiel wurde von diesem Grundsatz teilweise abgerückt, um aufzuzeigen, wo und wie entsprechende Hinweis anzubringen sind.
Das hypothetische Beispiel versucht, die Bestimmungen der neuen Rechnungslegung umzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Stiftung, die der Eingeschränkten Revision unterliegt und somit auf die Erstellung einer Geldflussrechnung und eines Lageberichts verzichten kann (vgl. hierzu die Abbildungen 1 bis 3).
Die korrekte Anwendung der Bestimmungen des neuen Rechnungslegungsrechts dürfte für die meisten Stiftungen eine erhebliche Herausforderung darstellen. Erfreulich ist, dass die revidierten Gesetzesbestimmungen die Transparenz in der Rechnungslegung von klassischen Stiftungen erheblich verbessern werden. Wie grosszügig die Revisionsstellen und Aufsichtsbehörden die Bestimmung von Art. 83a ZGB auslegen, dass die neuen Bestimmungen zum Rechnungslegungsrecht nur sinngemäss anzuwenden sind, bleibt abzuwarten.
* Als Hilfsmittel dienten dazu der kürzlich im Verlag SKV erschienene «Schweizer Kontenrahmen KMU» von Sterchi, Mattle und Helbling sowie die von TREUHAND|SUISSE publizierte Broschüre «Das neue Rechnungslegungsrecht – ein Leitfaden für die Praxis» von Feller und Nötzli.