Issue
Category
Content
Text

Das Bundesgericht hat die Kündigung einer Wohnung für gültig erklärt, obwohl der Vermieter bei Vertragsabschluss nicht das im Kanton Waadt vorgeschriebene amtliche Formular verwendet hatte, das auf die Anfechtbarkeit des Anfangsmietzinses aufmerksam macht (Art. 270 OR). Ausschlaggebend war, dass der Mieter zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht hatte, der vereinbarte Mietzins sei missbräuchlich hoch gewesen. Gekündigt wurde die Wohnung vom Vermieter, weil der Mieter seine Miete immer wieder um einige Tage oder gar Wochen zu spät bezahlt hatte. Der Mietvertrag war seinerzeit für ein Jahr abgeschlossen worden und sah eine Verlängerung um jeweils ein weiteres Jahr vor, sofern er nicht drei Monate vor Auslauf gekündigt wurde. Von dieser Möglichkeit machte der Vermieter nach drei Jahren Gebrauch und begründete seinen Schritt mit den regelmässig verspätet eingehenden Mietzinszahlungen. Das genügt nach Auffassung des Bundesgerichts, denn für eine solche reguläre Kündigung müssen keine besonders schwerwiegenden Gründe geltend gemacht werden. Laut einstimmig ergangenem Urteil der I. Zivilrechtlichen Abteilungen reicht ein legitimes Interesse an der Kündigung aus. Und ein solches liegt im berechtigten Wunsch des Vermieters, einen Mieter zu finden, der seine Miete pünktlich zahlt. Darin vermag das höchste Gericht keinen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu erblicken (Art. 271 OR). Die zuständigen Gerichte des Kantons Waadt hatten die Kündigung allerdings für ungültig erklärt, weil der Anfangsmietzins nicht auf dem offiziellen Formular mitgeteilt worden war. Dieser Argumentation widerspricht nun aber das vom Vermieter angerufene Bundesgericht mit klaren Worten. Mit dem Formular solle der Mieter auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass er die vereinbarte Miete als missbräuchlich anfechten könne. Eine solche Beanstandung sei jedoch nie erfolgt, auch nicht, nachdem die Mieter vom fehlenden Formular erfahren hätten. Dieser Formfehler sei daher als geheilt zu betrachten, da die Mieter den Mietzins offensichtlich als angemessen akzeptiert hätten. Im Übrigen vermag das Bundesgericht auch keinen Zusammenhang zu erkennen zwischen den Fehlen des Formulars und den verspäteten Zahlungen der Miete. Mit der Argumentation der Waadtländer Justiz werde ein gesetzlicher Rechtsbehelf gegen seinen Zweck verwendet, was einem Rechtsmissbrauch gleichkomme.

Art. 270 und Art. 271 OR

Text

(BGer., 7.11.11 {4A_305/2011}, NZZ 1.12.11, S. 10)

Tags
Date