Dieses Kreisschreiben dient als Hilfsmittel zur Abgrenzung einer selbständigen Erwerbs-tätigkeit (Quasi-Wertschriftenhandel) von der privaten Vermögensverwaltung. Es stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes bis zum 31. Dezember 2011 und betrifft ausschliesslich die Bewirtschaftung eines Wertschriftenportefeuilles.
Um den Steuerpflichtigen Rechtssicherheit zu gewährleisten, wurden Kriterien ausgearbeitet, anhand derer im Rahmen einer Vorprüfung gewerbsmässiger Wertschriftenhandel ausgeschlossen werden kann. Sind diese Kriterien nicht kumulativ erfüllt, liegt nicht zwingend gewerbsmässiger Wertschriftenhandel vor, sondern es ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu beurteilen, ob private Vermögensverwaltung oder selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt.
Gemäss Art.16 Abs.1 DBG sind «alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte» steuerbar. Mit dieser Generalklausel hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Gesamtreineinkommenssteuer festgehalten. Ausgenommen von der Einkommensbesteuerung sind Einkünfte nur, wenn dies eine ausdrückliche Gesetzesnorm anordnet. Als eine solche Ausnahme erweist sich die Bestimmung von Art. 16 Abs. 3 DBG, wonach Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei sind.
Art. 18 Abs. 1 DBG hält fest, dass alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar sind. Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit gehören nach Art. 18 Abs. 2 DBG auch alle Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung von Geschäftsvermögen.
Ob in einem konkreten Einzelfall eine selbständige Erwerbstätigkeit, d.h. ein gewerbsmässiger Wertschriftenhandel vorliegt, ist aufgrund sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.
Die Steuerbehörden gehen in jedem Fall von einer privaten Vermögensverwaltung bzw. von steuerfreien privaten Kapitalgewinnen aus, wenn die im Kreisschreiben genannten Kriterien kumulativ erfüllt sind.
Sind diese Kriterien nicht kumulativ erfüllt, kann gewerbsmässiger Wertschriftenhandel nicht ausgeschlossen werden. Die entsprechende Beurteilung erfolgt hierbei aufgrund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls.
Grundsatz: Übernahme der unter dem BdBSt entwickelten Praxis für das DBG (BGE vom 2. Dezember 1999).
Mit Entscheid vom 2. Dezember 1999 bestätigte das Bundesgericht, dass die bisherige Praxis zu Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt grundsätzlich auch unter der Herrschaft des DBG gilt. Danach erzielt die steuerpflichtige Person steuerbares Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit, wenn sie An- und Verkäufe von Vermögensgegenständen in einer Art tätigt, die über die schlichte Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht. Erforderlich hierzu ist, dass sie eine Tätigkeit entfaltet, die in ihrer Gesamtheit auf Erwerb gerichtet ist bzw. dass sie solche Geschäfte systematisch mit der Absicht der Gewinnerzielung betreibt.
Wertschriften im Sinne dieses Kreisschreibens sind Wertpapiere sowie nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion (Wertrechte). Zu den Wertschriften gehören einmal jene Wertpapiere im zivilrechtlichen Sinn, die entweder volle Mitgliedschaftsrechte (z.B. Aktien, Anteile von Genossenschaften) oder bloss beteiligungsrechtliche Vermögensrechte (z.B. Partizipationsscheine, Genussscheine, Anteile an kollektiven Kapitalanlagen) verkörpern sowie Forderungsrechte (Obligationen). Sodann umfassen die Wertschriften im Sinn dieses Kreisschreibens auch bloss buchmässig registrierte Mitgliedschafts- und Forderungsrechte. Schliesslich zählen zu den Wertschriften auch Futures und die Derivate, deren Wert von einem bestimmten Basiswert (Aktien, Obligationen, Devisen, Edelmetalle, Rohwaren, Indizes usw.) abgeleitet wird. Zu den derivativen Finanzinstrumenten zählen insbesondere Optionen und Swaps.
Nach der Rechtsprechung werden Kapitalgewinne auf beweglichen Vermögenswerten, namentlich Wertschriften, als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit qualifiziert, sofern die steuerpflichtige Person An- und Verkäufe von Vermögensgegenständen in einer Art tätigt, die über die schlichte Verwaltung von Privatvermögen hinausgeht. Hingegen bleiben Kapitalgewinne aus der Veräusserung von beweglichen Vermögenswerten so lange steuerfrei, als sie im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung oder in Ausnützung einer sich zufällig bietenden Gelegenheit erzielt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist immer aufgrund der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob private Vermögensverwaltung oder selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. Eine schematisierte Vorgehensweise führt «nur in denjenigen Fällen zu einem sachgerechten Ergebnis, bei denen die Verhältnisse klar und eindeutig sind. In den übrigen Fällen ist die Tätigkeit jeweils nach wie vor in ihrem gesamten Erscheinungsbild rechtlich zu beurteilen.»
Für die Beurteilung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind verschiedene Indizien in Betracht zu ziehen, von denen jedes zusammen mit anderen, im Einzelfall jedoch unter Umständen auch bereits allein zur Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausreichen kann. Der Umstand, dass einzelne typische Elemente der selbständigen Erwerbstätigkeit im Einzelfall fehlen (z.B. die grosse Häufigkeit der Transaktionen oder der Einsatz fremder Mittel), kann durch andere Elemente kompensiert werden, die mit besonderer Intensität vorliegen. Für die Beurteilung des «nebenberuflichen Beteiligungshandels» hat das Bundesgericht festgehalten, dass die allgemeinen Indizien nach wie vor vollumfänglich anzuwenden sind.
Der Gewinn aus der Veräusserung von Wertschriften wird definiert als positive Differenz zwischen dem Veräusserungserlös und den Gestehungskosten der Wertschriften, abzüglich der Kosten der Veräusserung. Der Nachweis der Gestehungskosten obliegt dem Steuerpflichtigen.
Dieses Kreisschreiben gilt ab dem Datum seiner Publikation auf der Website der ESTV. Es ersetzt das Kreisschreiben Nr. 8 vom 21. Juni 2005.
(Eidg. Steuerverwaltung ESTV, Bern, 25.07.12, www.estv.admin.ch)