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Die von der Mutter befürchtete Ausweitung des Konflikts mit dem Vater bei gemeinsamem Sorgerecht bildet keinen Grund, ihr die alleinige elterliche Sorge für die Tochter zu übertragen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Frau ab und betont die Pflicht der Eltern, das gemeinsame Sorgerecht zum Wohl des Kindes auszuüben.

Die unverheirateten Eltern eines heute 9 Jahre alten Mädchens hatten praktisch nie zusammen gewohnt. Seit seiner Geburt lebt das Kind bei der Mutter. Im Frühjahr 2014 teilte diese dem Vater mit, dass sie mit der Tochter und ihrem heutigen Ehemann nach Katar ziehe, wo dieser für einige Zeit beruflich tätig sein werde. Der Vater reagierte darauf mit einer Gefährdungsmeldung und dem Begehren, die Obhut über die Tochter auf ihn zu übertragen. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Meilen (ZH) erlaubte der Mutter im Juli 2014, den Aufenthaltsort der Tochter nach Katar zu verlegen, und erteilte den Eltern gleichzeitig das gemeinsame Sorgerecht. Vor dem Bundesgericht beantragte die Mutter die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Nach der am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Sorgerechtsnovelle steht das Sorgerecht den Eltern unabhängig von ihrem Zivilstand grundsätzlich gemeinsam zu. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss die Alleinzuteilung des Sorgerechts eine eng begrenzte Ausnahme bleiben. Vorliegend sind zwar im Zusammenhang mit dem Wegzug der Mutter und der Tochter nach Katar Defizite beim Kooperationswillen der Eltern zutage getreten. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, dass sich die Eltern abgesehen vom Konflikt um den Aufenthaltsort des Kindes in grundsätzlicher oder unüberwindbarer Weise über die Belange des Kindes gestritten hätten. Die Behauptung der Mutter, dass bei Erteilung des gemeinsamen Sorgerechts eine Ausweitung des Konflikts vorprogrammiert sei, stellt keinen genügenden Grund für die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge dar. Es war nicht die Meinung des Gesetzgebers, dass ein Elternteil aus dem abstrakten Verweis auf einen Konflikt einen Anspruch auf Alleinsorge ableiten können soll. Auch die prozessualen Auseinandersetzungen der Eltern im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens sind für sich genommen in der Regel noch kein Grund für eine Alleinzuteilung. Das Bundesgericht betont, dass die Eltern ihre Rechte und Pflichten, die mit dem Sorgerecht verbunden sind, zum Wohle des Kindes auszuüben haben. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sie alles zu unternehmen, was zur gedeihlichen Entwicklung des Kindes erforderlich ist. Das bedeutet auch, dass sie das Kind aus dem elterlichen Konflikt herauszuhalten haben. Das gemeinsame Sorgerecht kann in effektiver Weise und zum Vorteil des Kindes nur ausgeübt werden, wenn die Eltern ein kooperatives Verhalten an den Tag legen und bei der gemeinsamen Kommunikation die ihnen zumutbaren Anstrengungen unternehmen. Zudem haben beide Elternteile mit Blick auf das Wohl des Kindes die Pflicht, eine gute Beziehung zum jeweils anderen Elternteil zu fördern. Halten sich die Eltern nicht an diese Spielregeln, droht das Kind in einen Loyalitätskonflikt zu geraten.

Art. 296 Abs. 2, Art. 298 Abs. 1 und Art. 298b Abs. 2 ZGB; Art. 85 Abs. 1 IPRG; Art. 12 Abs. 4 SchlT ZGB

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(BGer., 26.11.15 {5A_202/2015}, Medienmitteilungen des Schweizerischen Bundesgerichts, 22.12.15, www.bger.ch)

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