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Mit der Einführung des neuen MWSTG per 1. Januar 2010 wurde der Dienstleistungs­bezug von Unternehmen mit Sitz im Ausland zur Bezugsteuer ausgeweitet. Solange die Bezugsteuer ein sogenanntes «Nullsummenspiel» ergibt, haben die steuerpflichtigen Personen keinen finanziellen Nachteil. Sind aber beispielsweise die Möglichkeiten für einen Vorsteuerabzug nicht gegeben oder wurden die Voraussetzungen für ein Nullsummenspiel nicht geschaffen, so können die finanziellen Folgen sehr gravierend sein.

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In der Ausgabe TREX 3/2014 haben wir die Bezugsteuerpflicht genauer betrachtet. Im 2. Teil geht es nun darum, welche Leistungen die Bezugsteuer auslösen.

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4. Steuerobjekt bei der Bezugsteuer
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2
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Die gesetzliche Basis für die Bezugsteuer findet sich in Art. 45 MWSTG. Der Gesetzgeber sieht dort drei Möglichkeiten einer Bezug­steuer vor:

  1. Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, sofern sich der Ort der Leistung nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG im Inland befindet;
  2. die Einfuhr von Datenträgern ohne Marktwert mit den darin enthaltenen Dienstleistungen und Rechten;28
  3. Lieferungen im Inland durch Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, sofern diese Lieferungen nicht der Einfuhrsteuer unterliegen.
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5. Dienstleistungen29
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2
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Die Bezugsteuer ist nur zu entrichten, wenn die betreffende Leistung von einem Unternehmen mit Sitz im Ausland erbracht wird, das in der Schweiz nicht als steuerpflichtige Person registriert ist, also keine schweizerische MWST-Nr. besitzt.

Unter dem Begriff Unternehmen mit Sitz im Ausland sind alle Unternehmensträger zu verstehen, die den handelsrechtlichen Sitz im Ausland haben. Vorsicht ist dabei aber bei sogenannten Offshore-Gesellschaften geboten, falls keine konkrete Substanz im Ausland vorhanden ist.

Ist ein ausländischer Leistungserbringer demgegenüber im Inland als steuerpflichtige Person registriert (dazu ist ein Fiskalvertreter nötig),30 unterliegen die von ihm erbrachten Leistungen nicht der Bezugsteuer. Der ausländische registrierte Leistungserbringer hat in diesen Fällen die gesetzliche MWST in Rechnung zu stellen und auch der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) abzuliefern.

Auch Telekommunikationsdienstleistungen und elektronische Dienstleistungen müssen von ausländischen Leistungserbringern mit MWST fakturiert werden, sofern es sich bei den Abnehmern um nicht steuerpflichtige Personen handelt.31 Sie führen bei sol­chen ausländischen Leistungserbringern zur MWST-Pflicht.32

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Beispiele
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3
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Fall A
Ein inländisches Unternehmen bezieht Werbeleistungen von einer Werbeagentur in den USA in der Höhe von CHF 20'000. Der Ort der Werbeleistungen liegt gemäss Art. 8 Abs. 1 MWSTG am Sitz des Leistungsempfängers, also folglich im Inland. Die US-amerikanische Werbeagentur wird aufgrund ­solcher Leistungen im Inland nicht mehr­­wertsteuerpflichtig, weil es sich um eine bezugsteuerpflichtige Leistung handelt.

Fall B
Ein inländischer Eigentümer einer Liegenschaft bezieht Umbaupläne von einem ausländischen Architekten. Das Auftragsvolumen beträgt umgerechnet CHF 50'000. Der Ort von solchen Dienstleistungen liegt am Ort der Liegenschaft,33 also folglich im Inland. Diese Dienstleistung unterliegt aber nicht der Bezugsteuer, weil der Ort der Dienstleistung nicht nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG im Inland liegt.

Fall C
Die Mitarbeiter eines inländischen Unternehmens sind für einen Auftrag ins benachbarte Ausland gefahren und haben dort den Auftrag ausgeführt. Sie waren mehrere Tage dort und bringen dementsprechend einen Spesenzettel mit den Übernachtungs- wie auch Verpflegungskosten mit. Der Ort der Dienstleistung für die Beherbergungsleistungen liegt am Ort des Grundstückes34 und der Ort der Verpflegungsleistungen dort, wo die Verpflegung konsumiert worden ist.35 Da bei beiden Dienstleis­tungen der Ort der Leistungserbringung nicht im Inland liegt, ist keine Bezugsteuer geschuldet.

Fall D
Ein Mitarbeiter einer inländischen Unternehmung besucht eine Weiterbildung im benachbarten Ausland. Die entsprechende Rechnung über umgerechnet CHF 800 trifft ein. Der Ort der Weiterbildungsleistungen liegt an dem Ort, wo die Dienstleistung tatsächlich erbracht worden ist. Damit liegt der Ort im Ausland und die Rechnung unterliegt nicht der Bezugsteuer. Zudem handelt es sich um eine von der MWST ausgenommene Dienstleistung.

Fall E
Ein inländisches Unternehmen beauftragt einen ausländischen Spediteur mit dem Transport von Waren über die Grenze ins Inland. Der Ort der Dienstleistung bei Gütertransportleistungen wird nach dem Empfängerortprinzip festgelegt.36 Trotzdem ist keine Bezugsteuer geschuldet, weil es sich um eine von der MWST befreite Dienstleistung handelt.37, 38

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6. Datenträger ohne Marktwert39
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2
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Lässt sich bei der Einfuhr von Datenträgern kein Marktwert feststellen, so wird der Wert des Datenträgers – einschliesslich der darin enthaltenen Dienstleistungen und Rechte – von der Bezugsteuer erfasst.40

Als Datenträger ohne Marktwert gilt jeder Träger von Daten, der in der Art und Beschaffenheit, wie er eingeführt wird,

  • nicht gegen Entrichtung eines zum Zeitpunkt der Einfuhr feststehenden Entgelts erworben werden kann; und
  • nicht gegen Entrichtung einer einmaligen, zum Zeitpunkt der Einfuhr feststehenden Lizenzgebühr vertragsmässig genutzt werden kann.41
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Beispiele
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3
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Fall A
Eine inländische mehrwertsteuerpflichtige Unternehmung erhält von der ausländischen Programmierunternehmung einen Datenträger mit der Software zugesandt. Die Bezahlung erfolgt über eine wiederkehrende Lizenzgebühr. Beim Grenzübertritt des Datenträgers handelt es sich um einen solchen ohne Marktwert, weil die Lizenzgebühr wiederkehrend fällig wird. Damit wird am schweizerischen Zoll keine Einfuhrsteuer erhoben. Die wiederkehrenden Lizenzgebühren unterliegen der Bezugsteuer.

Fall B
Ein anderes inländisches mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen erhält ein Update für eine gekaufte und mit einem Wartungsvertrag versehene Software. Das Update weist bei der Einfuhr keinen Wert auf, dementsprechend kann keine Einfuhrsteuer berechnet werden.

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7. Lieferungen42
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2
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Der Bezugsteuer unterliegen alle Lieferungen:

  • die im Inland erbracht werden;
  • nicht der Einfuhrsteuer unterliegen;
  • jedoch im Inland oder bei der Einfuhr be­­steuert würden; und
  • die von einem Unternehmen mit Sitz im Ausland, das nicht im MWST-Register erfasst ist, erbracht werden.

Nicht der Bezugsteuer unterliegen namentlich:

  • Lieferungen durch Unternehmen mit Sitz im Inland;
  • Lieferungen durch Unternehmen mit Sitz im Ausland, die im MWST-Register eingetragen sind;
  • Lieferungen, die von der Einfuhrsteuer befreit sind;43, 44
  • Lieferungen, die der Einfuhrsteuer unterliegen;
  • Lieferungen durch Unternehmen mit Sitz im Ausland, sofern die Lieferungen von der ­Steuer ausgenommen45 oder von der Steuer befreit sind46, 47.
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Beispiele
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3
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Fall A
Ein ausländischer Hersteller von Kühlsystemen hat den Auftrag von einem inländischen Unternehmen erhalten, ein neues Kühlsystem einzubauen. Der ausländische Leistungserbringer ist bereits in der Schweiz im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmer eingetragen. Die werkvertragliche Lieferung findet am Ort des inländischen Unternehmens statt. Da der ausländische Leistungserbringer bereits bei der schweizerischen MWST registriert ist, entfällt die Bezugsteuer.

Fall B
Ein ausländischer Hersteller von Kühlsystemen hat den Auftrag von einem inländischen Unternehmen erhalten, ein neues Kühlsystem einzubauen. Der ausländische Leistungserbringer ist nicht in der Schweiz im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen eingetragen. Die werkvertragliche Lieferung findet am Ort des inländischen Unternehmens statt. Da der ausländische Leistungserbringer die Kühlsystemteile bereits im Ausland vorproduziert und anschliessend mit über die Grenze nimmt, fällt die Einfuhrsteuer48 an. Eine Bezugsteuer entfällt aufgrund der Besteuerung mittels der Einfuhrsteuer.

Fall C
Ein ausländischer Hersteller von Kühlsystemen hat den Auftrag von einem inländischen Unternehmen erhalten, ein neues Kühlsystem einzubauen. Der ausländische Leistungserbringer ist nicht in der Schweiz im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen eingetragen. Die werkvertragliche Lieferung findet am Ort des inländischen Unternehmens statt. Da der ausländische Leistungserbringer die Kühlsystemteile im Inland einkaufen will, fällt anlässlich des Grenzübertrittes keine Einfuhrsteuer an. In diesem Fall muss der inländische Unternehmer die Bezugsteuer für die Kosten dieser Arbeiten abrechnen.
Bezieht das inländische Unternehmen die Kühlsystemteile im eigenen Namen von einem mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und baut anschliessend der ausländische Kühlsystembauer diese Teile vor Ort zusammen, so muss das inländische Unternehmen die Bezugsteuer lediglich für die Kosten der Montageleistung abrechnen (nicht aber für die Lieferung der Teile, diese unterliegen nämlich der normalen Inlandsteuer).

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8. Ausblick
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2
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Im Rahmen der vom Bundesrat vorbereiteten kleinen MWST-Reform49 ist beabsichtigt, dass auch im Bereich der Bezugsteuer Änderungen vorgenommen werden. Die bisherigen – vorstehend beschriebenen – Regelungen haben nicht vollständig überzeugt. Unklar war bis jetzt beispielsweise, ob die Bezugsteuerpflicht bei Lieferungen durch den Gesetzgeber nur subsidiär gewollt worden ist oder eben nicht.

Unabhängig davon haben sich die Erwartungen an die Bezugsteuer gemäss Feststellungen der ESTV50 auf Lieferungen nicht erfüllt. Einer grossen Mehrheit der Leistungsempfänger ist nicht bewusst, dass auch sie mehrwertsteuerpflichtig werden können. Zudem ist die ESTV ohne weitere Mithilfe nicht in der Lage, bezugsteuerpflichtige Lieferungen an Nichtsteuerpflichtige vorgängig anzuzeigen. In der Praxis ist deshalb gemäss der ESTV die Bezugsteuer auf Lieferungen im Inland weitgehend wirkungslos geblieben.

Das Konsultativgremium schlägt vor, die Be­zug­steuer für Lieferungen auf «Lieferungen von unbeweglichen Sachen (einschliesslich Boden)» zu beschränken. Damit würde aber auch die in der Praxis wirkungslos gebliebene vorgängige Information an Nichtsteuerpflichtige im Falle von Lieferungen wegfallen. Der Bundesrat befürwortet – zusammen mit den Änderungen zur MWST-Pflicht51 – diesen Vorschlag des Konsultativgremiums.

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  1. Art. 52 Abs. 2 MWSTG.
  2. MWST-Info 14 Bezugsteuer Ziffer 2.1.5.
  3. Art. 67 MWSTG.
  4. Art. 10 Abs. 2 lit. b MWSTG.
  5. Art. 10 Abs. 2 lit. a MWSTG.
  6. Art. 8 Abs. 2 lit. f MWSTG.
  7. Art. 8 Abs. 2 lit. f MWSTG.
  8. Art. 8 Abs. 2 lit. d MWSTG.
  9. Art. 8 Abs. 1 MWSTG.
  10. Art. 23 Abs. 2 Ziffer 5 i.V.m. Art. 109 Abs. 1 MWSTV.
  11. Transportkosten gehören gemäss Art. 54 Abs. 3 lit. b MWSTG zur Basis bei der Einfuhrsteuer.
  12. MWST-Info 14 Bezugsteuer Ziffer 2.2.
  13. Art. 45 Abs. 1 lit. b MWSTG.
  14. Art. 111 MWSTV.
  15. MWST-Info 14 Bezugsteuer Ziffer 2.3.
  16. Art. 53 MWSTG.
  17. Ausnahme: Lieferung von Elektrizität und von Erdgas in Leitungen, sofern der Empfänger für die Inlandsteuer steuerpflichtig ist.
  18. Art. 21 MWSTG.
  19. Art. 23 MWSTG.
  20. Art. 109 MWSTV.
  21. Basis ist der Wert der Teile, Transport bis zum ersten Bestimmungsort im Inland sowie Kosten der Montageleistung.
  22. Zurzeit in der Vernehmlassung.
  23. Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes, erläuternder Bericht vom 6. Juni 2014.
  24. Für die Beurteilung der MWST-Pflicht im Inland soll zukünftig der weltweite Umsatz herangezogen werden.
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