Liebe Leserin, lieber Leser
Haben Sie sich auch schon gefragt, was mit den ganzen Daten, die via Kundenkarten gesammelt werden, allen voran Supercard und Cumuluscard, geschieht? Ganz zu schweigen von den anderen Daten, die täglich erfasst werden. Ob Bankkarte, Smartphone, Fitness- und Gesundheitsbänder, Navigationssysteme, Social Media oder Überwachungskameras, (fast) jeder unserer Schritte im Alltag wird aufgezeichnet, unsere Präferenzen werden gespeichert, unsere Handlungen registriert. Der moderne Mensch ist vor allem eines: transparent.
Obwohl es bei uns noch keine Möglichkeit gibt, diese Daten zu verwenden, werden sie fleissig gesammelt, denn eines ist klar: derjenige, der die Big Data einer Gesellschaft zentralisieren und nutzen kann, der besitzt Macht.
In China gibt es bereits ein Pilotprojekt zur Verwendung der Big Data mit dem Ziel, einen neuen, zivilisierten und vertrauenswürdigen Menschen zu schaffen: Wer Gutes tut, wird belohnt, und wer Schlechtes tut, wird bestraft. Eine App namens «Ehrliches Shanghai» wertet sämtliche verfügbaren Daten des Nutzers aus: Blutspenden oder sich um ältere Menschen kümmern gibt Pluspunkte; Minuspunkte erntet der Nutzer, wenn er mit den Steuern im Rückstand ist oder wenn er schwarz U-Bahn fährt. Ein als vertrauenswürdig eingestufter Mensch profitiert von Vergünstigungen, dem Vertrauensbrecher bleibt der Zugang zu Krediten verwehrt oder seinen Kindern wird der Zugang zu teuren Schulen versagt. Noch ist diese App freiwillig …
Auch bei uns sind erste Erziehungsversuche im Gesundheitswesen bereits da: Verschiedene Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten eines Fitnessabos, einer Raucherentwöhnung oder eines Abspeckprogramms, Warnhinweise sollen vor dickmachenden Lebensmitteln schützen und Werbung für Süsses soll verboten werden. Mit dem chinesischen Bewertungssystem würde das viel einfacher gehen: Wer sich ungesund ernährt, zu dick ist oder raucht, kassiert Minuspunkte. Wer gesellschaftskritische Editorials schreibt, selbstverständlich auch.
Vanessa Jenni