Liebe Leserin, lieber Leser
Die Volkskrankheit Permanentitis grassiert: Immer und überall sind wir erreichbar. Hier kurz die E-Mails checken, dort noch schnell einen Kunden anrufen. Die Trennlinie zwischen Arbeit und Freizeit ist durchlässig geworden, die 24-Stunden-Gesellschaft Realität.
Ich solle nicht immer erreichbar sein, riet mir letzthin mein persönliches Horoskop in der Tageszeitung. Das zeigt: Längst ist es zum Gemeinplatz geworden, dass unsere kommunikative Omnipräsenz nicht gesund ist. Das belegen wissenschaftliche Studien, das stellen wir am eigenen Leib fest. Wir wissen, dass unsere Leistungsfähigkeit mit der Dauer abnimmt. Ein unausgeruhter Organismus arbeitet weniger präzise als ein erholter.
Es ist paradox: Alle fordern die Möglichkeit des Abschaltens, des Unerreichbarseins. Kaum jemand tut es. Denn auch das wissen wir: Gönnen wir uns eine Auszeit; lassen wir die E-Mails unbeantwortet und schalten wir das Handy aus, rächt sich das. Die Arbeitsmenge erscheint nach einer solchen Periode der Entspannung unendlich gross zu sein und droht, die aufgesparte Energie gleich wieder zu verbrauchen. Ganz zu schweigen von all den Arbeiten, die vor dem Abschalten noch zu erledigen sind.
Genau hier liegt das Problem. Sich den Mut für eine Pause zu nehmen, ist das eine. Das andere ist das Verständnis der Gegenseite. Hand aufs Herz: Auch Sie werden stutzig, wenn ein Geschäftspartner länger als 24 Stunden nicht auf eine E-Mail antwortet; wenn ein Anruf umgehend auf die Mailbox umgeleitet wird. Daran müssen wir arbeiten.
Trotz aller Erwartungen der Gegenseite, trotz der Belastungen vor und nach der Pause. Gönnen wir es uns! Ich wage es. Im September reise ich mit meiner Familie für einen Monat nach Australien. Es soll eine Zeit des Stillhaltens und In-sich-Gehens werden, des Ausbruchs aus der Schnelllebigkeit. Tun Sie es uns gleich. Bald stehen die Sommerferien an. Wagen Sie es. Drücken Sie den Hauptschalter Ihres Handys, klinken Sie sich aus. Entschleunigen Sie Ihre Umwelt für einige Tage oder Wochen. Sie werden sehen, das Leben geht weiter. Und wie es weitergeht! Wenn wir uns alle unsere Auszeiten nehmen, sorgen wir dafür, dass die Volkskrankheit Permanentitis nicht zur bedrohlichen Epidemie wird.
Toni Bussmann