Liebe Leserin, lieber Leser
In vielen Branchen ist momentan eine starke Regulierung im Gange, es wird neu und strenger reguliert. Es scheint, als hätte der Staat so gar kein Vertrauen mehr in seine Bürger. Eine Tatsache, die unter Umständen für die ganze Volkswirtschaft Konsequenzen hat.
Eine erfolgreiche Regulierung hat zum Ziel, den Marktteilnehmenden Sicherheit im Umgang mit ihren Geschäftspartnern zu vermitteln und den Markt berechenbar zu machen. Mit anderen Worten: Misstrauen soll durch Vertrauen ersetzt werden. Dies funktioniert jedoch nur, solange sich jeder an die Regeln hält. Werden diese Richtlinien (bewusst oder unbewusst) verletzt, verliert der Regulator oder das Regulierungssystem an Glaubwürdigkeit und kann seinen Zweck nicht mehr erfüllen. In dem Fall hat der Regulator zwei Handlungsmöglichkeiten: Er könnte darauf verzichten, regulierend einzugreifen, da man diesen Markt anscheinend nicht wirkungsvoll regulieren kann. Oder er setzt alles daran, die Glaubwürdigkeit seines Regulierungssystems wiederherzustellen, was zum Beispiel durch die Aufstellung noch strengerer Regeln innerhalb des gleichen Regulierungsansatzes geschehen kann. Zusätzlich kann er dafür sorgen, dass die bestehenden Regeln in Zukunft konsequenter durchgesetzt werden.
Dabei geht jedoch oft vergessen, dass mit einer zunehmenden Regulierungsdichte auch das Risiko von Verstössen, auch unbeabsichtigten, steigt. Dies bestätigt den Regulator in seinem offensichtlich berechtigten Misstrauen und führt erneut zu einer noch detaillierteren Regulierung. Ein Teufelskreis mit geschäftsschädigenden Folgen für die Unternehmen, da die Kosten für Kontrolle, Überwachung und Reporting immer höher steigen.
Der Weg aus dem Teufelskreis heisst Vertrauen. Durch Vertrauen werden kognitive Anstrengungen gespart, Ressourcen freigesetzt und erst noch der Austausch von Informationen erleichtert, also Kosten gesenkt.
Es muss also ein grundsätzliches Überdenken des Regulierungskonzepts, eine kritische Evaluation, stattfinden. Diese muss jedoch auf allen Stufen, bei den Anwendern wie auch in der Politik stattfinden. Verwenden wir also unsere täglichen Regulierungs-Erfahrungen und zeigen den politischen Instanzen unsere Bedenken auf. Vielleicht ernten wir für das ihnen entgegengebrachte Vertrauen das uns zustehende.
Vanessa Jenni