Liebe Leserin, lieber Leser
Mässigung und Gerechtigkeit. Seit der Antike sind diese Haupttugenden tief in unserer Gesellschaft verankert. Tatsächlich? Lange zu suchen brauchen wir nicht, um auf Beispiele zu stossen, die ihnen fundamental widersprechen. So ist es müssig zu fragen, ob eine Abgangsentschädigung von mehreren Millionen dem verträglichen Mass entspricht, geschweige denn der Gerechtigkeit. Oder aber, wenn sich Mitarbeiter von Finanzinstituten über Luxusprobleme wie geschrumpfte Boni beklagen – bei Salären notabene, für die sich andere zwei oder drei Jahre abmühen.
Bitte keine Missverständnisse: Wer hart arbeitet, wer eine grosse Verantwortung trägt, wer viel Zeit in eine fundierte Ausbildung investiert hat, darf besser entschädigt werden. Gute Leistung muss belohnt werden – aber in einem vertretbaren Mass. Es kann nicht angehen, dass börsenkotierte Unternehmen zu Selbstbedienungsläden für eine vermeintliche Elite verkommen, welche die Bodenhaftung komplett verloren hat. Wieso soll ein Investmentbanker dreimal mehr verdienen als ein Maurer, der genauso eine dreijährige Berufslehre absolviert hat? Warum kassiert ein CEO einen zweistelligen Millionenbetrag, während der Chef eines KMU bei gleicher Arbeitsleistung einen Bruchteil davon erhält? Das ist masslos und ungerecht.
«Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.» Der kategorische Imperativ des grossen Philosophen Immanuel Kant sollte wieder vermehrt zu unser aller Leitsatz werden. Ohne Zweifel kann die überwältigende Mehrheit von uns jeden Morgen reinen Gewissens in den Spiegel schauen. Doch vielleicht gibt es dennoch diesen oder jenen Punkt, wo auch unser Handeln nicht der Mässigung und Gerechtigkeit entspricht. Setzen wir hier an, tragen wir ein Stück weit dazu bei, dass die breite Bevölkerung die Wirtschaft wieder als glaubwürdiger betrachtet und ihr tugendhaftes Verhalten zutraut.
Toni Bussmann