Liebe Leserin, lieber Leser
«Wieder alles falsch gemacht» – so titelte eine grosse deutsche Wochenzeitung ihr Magazin zu Beginn des Jahres. Ein ganzes Heft über Fehler? Das ging mir wieder und wieder durch den Kopf ...
Schon seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte machen Menschen Fehler, sie erkennen Fehler und sie lernen aus Fehlern. Und wer aus Fehlern gelernt hat, wird neue machen, sie sind unumgänglich.
Ob einem ein Fehler unterlaufen ist, stellt sich oft erst im Nachhinein heraus. Manche der grössten Entdeckungen und Erfindungen sind die Folge von Fehlern und Irrtümern – nehmen wir nur Christoph Kolumbus und die Entdeckung Amerikas. Wohl die bekannteste «Fehlentdeckung» der Welt ist das Penicillin (Alexander Fleming). Auch die Röntgenstrahlung und vor allem deren Eigenschaft, Körper durchdringen und fotografische Platten belichten zu können (Wilhelm Conrad Röntgen) oder die Erfindung des Herzschrittmachers (Wilson Greatbatch) sind die Folge von Fehlern.
Sogar die beliebten Post-it sind durch ein fehlgeschlagenes Experiment mit dem Ziel der Verbesserung von Klebstoff entstanden.
Umgekehrt funktioniert das leider nicht: Nicht jeder Fehler führt zu grossen Errungenschaften der Menschheit.
Der Umgang mit Fehlern ist je nach sozialem System und Fehlerkultur unterschiedlich: man kann sie leugnen, sich über sie ärgern oder sie annehmen; ungeschehen machen kann man sie nicht.
Den Forschern zum Thema Fehlerkultur geht es stets um einen konstruktiven Umgang mit Fehlern: In der Schule um das Lernen aus Fehlern, in Unternehmen und Non-Profit-Organisationen um einen produktiven Umgang mit Fehlern und um das innovative Lernen. Das Spektrum optimalen Verhaltens reicht hier von der Fehlervermeidung bis hin zur Fehlerfreundlichkeit.
Es gibt unzählige Sprichwörter und Bonmots zu Fehlern: von «Irren ist menschlich» (Seneca) über «Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckungen» (James Joyce) bis hin zu «Diejenigen, die keine Fehler machen, machen den grössten aller Fehler: Sie versuchen nichts Neues.» Am liebsten ist mir dieses Zitat von Hans Magnus Enzensberger: «Man sollte seine Fehler öfter ans Herz drücken.»
Andrea Vogel