Die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) enthält die Ausführungsbestimmungen zur Volksinitiative «gegen die Abzockerei». Die VegüV ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten. Sie gilt bis zur Umsetzung der Initiative auf Gesetzesstufe. Die Verordnung ist nur auf börsenkotierte Schweizer Aktiengesellschaften anwendbar. Gerade im Hinblick auf künftige Entwicklungen sind die Regelungen der VegüV allerdings auch für nicht betroffene Unternehmen interessant.
Am 3. März 2013 haben Volk und Stände die eidgenössische Volksinitiative «gegen die Abzockerei» (Minder-Initiative) angenommen. Der damit in die Bundesverfassung eingeflossene Initiativtext verpflichtet den Bundesrat, innerhalb eines Jahres «die erforderlichen Ausführungsbestimmungen» zu erlassen. Zu diesem Zweck wurde im Sommer 2013 der Vorentwurf der «Verordnung gegen die Abzockerei» (VgdA) in die Anhörung geschickt. Aufgrund der eingegangenen Antworten wurde der Vorentwurf in mehreren Punkten angepasst. Die augenscheinlichste Änderung betraf den Titel der Verordnung: Sie heisst jetzt Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV). Die VegüV ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten. Die definitive Umsetzung der Initiative wird auf Gesetzesstufe (voraussichtlich im Rahmen der Aktienrechtsrevision) geschehen. Bis zum Inkrafttreten der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gilt die Verordnung.
Der vorliegende Artikel verschafft einerseits einen Überblick über die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften und beleuchtet andererseits die zentralen Aspekte der Vergütung und des notwendigen Statuteninhalts näher. Im Besonderen setzt er sich mit arbeitsrechtlichen Aspekten der Verordnung auseinander. Schliesslich zeigt der Artikel auf, ab wann aufgrund der Übergangsbestimmungen welche Regelungen gelten, und er wagt einen Ausblick auf künftige Entwicklungen. Zum Schluss werden die Regelungen der VegüV im Einzelnen tabellarisch dargestellt. Anhand dieser Tabelle kann sich der eilige Leser einen ersten Überblick über die Verordnung verschaffen.
In Ausführung der Minder-Initiative bezweckt die Verordnung die Verhinderung übermässiger Vergütungen der Gesellschaft an Mitglieder der obersten Führungsebene (und ihnen nahestehenden Personen). Damit verbunden wird die verstärkte Einflussnahme der Aktionäre in diesem Bereich. Den Fokus legt die VegüV einerseits auf die Vergütungen als solche sowie Darlehen und Kredite und andererseits auf die Mitwirkung der Aktionäre bei der Ausgestaltung und Festsetzung der Entschädigungen. Dazu regelt sie, welche Vergütungen unzulässig (verboten) sind und welche einer entsprechenden statutarischen Regelung (und damit der Zustimmung der Aktionäre) bedürfen. Die Vergütungen stehen sodann unter dem Genehmigungsvorbehalt durch die Generalversammlung, die neu zwingend über die Entschädigungen an die oberste Führungsebene durch Genehmigung oder Beschluss abstimmen muss.
Im Weiteren sind die der Verordnung unterstellten Gesellschaften verpflichtet, einen Vergütungsausschuss zu bilden. Dieser besteht zwingend aus Mitgliedern des Verwaltungsrats. Der Gesamtverwaltungsrat hat in einem Vergütungsbericht jährlich detailliert Rechenschaft über die von der Gesellschaft geleisteten Vergütungen, Kredite und Darlehen abzulegen.
Schliesslich verpflichtet die Verordnung zur Einzelwahl der Mitglieder des Verwaltungsrats, des Vergütungsausschusses sowie zur Wahl des Verwaltungsratspräsidenten durch die Generalversammlung. Der Verwaltungsrat kann sich in Bezug auf sein Präsidium und den Vergütungsausschuss somit nicht mehr selber konstituieren. Die institutionelle Stimmrechtsvertretung (Organ- und Depotstimmrechtsvertretung) ist verboten. An ihre Stelle tritt der unabhängige Stimmrechtsvertreter, der ebenfalls durch die Generalversammlung gewählt werden muss. Die Amtsdauer beträgt für alle diese Personen jeweils ein Jahr mit der Möglichkeit der Wiederwahl.
Verstösse gegen die Verordnung wider besseres Wissen werden mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren und / oder Geldstrafe von bis zu sechs Jahresvergütungen bestraft. Es handelt sich dabei um Offizialdelikte, bei denen die Strafverfolgungsbehörden von Amts wegen tätig werden müssen.
Die Verordnung gilt für Aktiengesellschaften nach den Artikeln 620 – 762 des Obligationenrechts, deren Namen- oder Inhaberaktien an einer in- oder ausländischen Börse kotiert sind. Auf andere Publikumsgesellschaften, auf nicht nach Obligationenrecht organisierte oder auf nicht börsenkotierte Aktiengesellschaften sowie andere Rechtsformen ist sie nicht anwendbar. Sie gilt – entgegen ihrer Regelung des Anwendungsbereichs – auch für Vorsorgeeinrichtungen nach Freizügigkeitsgesetz, die Aktien börsenkotierter Schweizer Gesellschaften halten. Die VegüV erfasst nicht sämtliche Vergütungen einer Gesellschaft, sondern nur diejenigen an gegenwärtige (und allenfalls frühere) Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats. Relevant sind auch nicht marktübliche Vergütungen an Dritte, die den genannten Personen nahestehen. Damit eine Vergütung unter den Regelungsbereich der VegüV fällt, bedarf es somit eines Dreifachen:
- Schweizer Aktiengesellschaft nach Art. 620 – 762 OR;
- Namen- oder Inhaberaktien an in- oder ausländischer Börse kotiert;
- Vergütungsempfänger ist oder war Mitglied des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung oder des Beirats (oder allenfalls eine diesen nahestehende Person).
Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, ist die Verordnung nicht anwendbar. Durch eine Sitzverlegung ins Ausland, einen Rückzug von der Börse oder einen Rechtsformwechsel könnte man sich also (zumindest kurzfristig) dem Geltungsbereich der VegüV entziehen. Der Verzicht auf die entsprechende Organstellung hingegen nützt nur, wenn damit die Funktion effektiv aufgegeben wird. Die Verordnungsbestimmungen dürften in der Gerichtspraxis auch für sogenannte faktische Organe anwendbar sein. Zu prüfen ist eine mögliche Stellung als faktisches Organ und damit eine Unterstellung unter die VegüV vor allem auch beim Einsetzen von Interimsmanagern, Liquidatoren (ausserhalb des SchKG), Beratern mit Mitbestimmungsmacht usw.
Wenn im Folgenden von «Vergütungen» die Rede ist, wird der Begriff im Sinne der VegüV als Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats verstanden.
Die Vergütungen sind das zentrale Element der Verordnung. Die VegüV fasst den Begriff der Vergütung weit und zählt darunter sowohl Zahlungen als auch geldwerte Leistungen. Als Vergütungen gelten insbesondere:
- Honorare, Löhne, Bonifikationen und Gutschriften;
- Tantiemen, Umsatz- und andere Beteiligungen am Geschäftsergebnis;
- Dienst- und Sachleistungen;
- die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten;
- Antrittsprämien (zu unterscheiden von unzulässigen Vorausvergütungen);
- Bürgschaften, Garantieverpflichtungen, Pfandbestellungen zugunsten Dritter und andere Sicherheiten;
- der Verzicht auf Forderungen;
- Aufwendungen, die Ansprüche auf Vorsorgeleistungen begründen oder erhöhen;
- sämtliche Leistungen für zusätzliche Arbeiten.
Folgende Vergütungen sind unzulässig (verboten):
- Abgangsentschädigungen, die vertraglich vereinbart oder statutarisch vorgesehen sind;
- Vorausvergütungen (zu verstehen als Entschädigungen im Voraus ohne wirtschaftliches Äquivalent);
- Provisionen für die ganze oder teilweise konzerninterne Unternehmensübernahme oder -übertragung.
Im Konzernverhältnis sind Vergütungen unzulässig, wenn sie a) es bei direkter Ausrichtung durch die Gesellschaft auch wären, b) in den Statuten der Gesellschaft nicht vorgesehen sind oder c) von der Generalversammlung der Gesellschaft nicht gutgeheissen wurden.
Folgende Vergütungen sind nur bedingt zulässig. Sehen die Statuten sie nicht vor, sind sie verboten:
- Darlehen und Kredite;
- Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge;
- erfolgsabhängige Vergütungen;
- die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten.
Der Verwaltungsrat hat neu zusätzlich die unübertragbare und unentziehbare Aufgabe, jährlich einen schriftlichen Vergütungsbericht zu erstellen. Darin sind aufzuführen:
- alle direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen an Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats;
- alle direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen an frühere Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats, sofern die Vergütungen nicht marktüblich sind oder nicht einen Zusammenhang zum früheren Mandat aufweisen;
- offene Darlehen und Kredite an gegenwärtige Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats;
- offene Darlehen und Kredite zu nicht marktüblichen Konditionen an frühere Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats;
- nicht marktübliche Vergütungen sowie offene Darlehen und Kredite an (gegenwärtigen oder früheren Organmitgliedern) nahestehende Personen.
Die Angaben zu den Vergütungen für Verwaltungsrat und Beirat umfassen jeweils den Gesamtbetrag für das Gremium sowie jeden Einzelbetrag unter Angabe von Namen und Funktion des jeweiligen Mitglieds. Bei den Vergütungen der Geschäftsleitung sind nur der Gesamtbetrag und der höchste Einzelbetrag unter Nennung von Name und Funktion des entsprechenden Geschäftsleitungsmitglieds anzugeben. Bei nicht marktüblichen Vergütungen, Darlehen und Krediten an nahestehende Personen müssen die Namen nicht angegeben werden. Nicht klar aufgrund der Formulierung ist allerdings, ob hier nur der Gesamtbetrag plus der höchste Einzelbetrag oder aber jeder Einzelbetrag angegeben werden muss. Da die Namen nicht genannt werden müssen, kann m.E. auch auf die Angabe der Einzelbeträge verzichtet werden.
Die Revisionsstelle prüft den Vergütungsbericht auf seine Übereinstimmung mit Gesetz, Verordnung und Statuten. Sie erstattet dem Verwaltungsrat und der Generalversammlung Bericht über die Prüfung und das Ergebnis.
Die Verordnung schreibt vor, dass die Generalversammlung über die direkten und indirekten Vergütungen abstimmt. Wie diese Abstimmung zu erfolgen hat, schreibt die VegüV im Gegensatz zum Vorentwurf nicht mehr vor. Sie überlässt es den Statuten, die Einzelheiten der Abstimmung und allenfalls des weiteren Vorgehens bei einer Ablehnung zu regeln. Die statutarische Regelung muss jedoch mindestens vorsehen, dass die Generalversammlung jährlich und mit bindender Wirkung über die Gesamtbeträge von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Beirat je gesondert abstimmt. Der Zusatzbericht zur VegüV erklärt, eine Regelung in den Statuten, die – bei Ablehnung der Vergütung durch die Generalversammlung – das Weiterbestehen der letztjährigen Regelung vorsähe, wäre «klar unzulässig».
Die Abstimmung über die Vergütungen kann somit prospektiv, retrospektiv oder ein Gemisch aus beidem sein. Es können auch für die verschiedenen Organe unterschiedliche Abstimmungsmodalitäten festgelegt werden. Aufgrund des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit (namentlich in Bezug auf arbeitsrechtliche Verpflichtungen) einerseits sowie Flexibilität und Kontrolle andererseits dürfte in der Praxis in der Mehrzahl der Fälle ein Modell mit frühzeitiger prospektiver Abstimmung über einen Gesamtbetrag je Gremium zur Anwendung kommen.
Die Statuten können bei prospektiver Abstimmung über die Vergütungen zudem einen Zusatzbetrag vorsehen, der – sollte der genehmigte Gesamtbetrag nicht ausreichen – für die Entlöhnung der nach der Generalversammlung ernannten Geschäftsleitungsmitglieder verwendet werden kann.
Statuten und Reglemente (z.B. Organisations- und Vergütungsreglemente) müssen spätestens an der ordentlichen Generalversammlung 2015 an die Bestimmungen der Verordnung angepasst werden. Dabei sind unzulässige Vergütungen zu streichen. Im Weiteren müssen die aufgrund der Verordnung neuen zwingenden Inhalte in den Statuten geregelt werden (zwingend notwendiger Statuteninhalt):
- Anzahl zulässiger Tätigkeiten der Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats in obersten Leitungs- und Verwaltungsgremien von Rechtseinheiten mit Eintragungspflicht im Handelsregister (oder entsprechendem ausländischen Register), die nicht zum Konzern gehören;
- Maximaldauer befristeter Verträge (höchstens ein Jahr) und maximale Kündigungsfrist unbefristeter Verträge (höchstens ein Jahr), die den Vergütungen zugrunde liegen (Arbeitsverträge, Aufträge, Mandatsverträge usw.);
- Grundsätze über Aufgaben und Zuständigkeiten des Vergütungsausschusses;
- Einzelheiten über die Abstimmung der Generalversammlung über die Vergütungen für Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.
Überdies gibt es Regelungen, die in die Statuten aufgenommen werden müssen, damit sie gültig und zulässig sind (bedingt notwendiger Statuteninhalt). Dazu gehören die Regelungen über
- die Höhe von Darlehen, Krediten und Vorsorgeleistungen ausserhalb der beruflichen Vorsorge für Mitglieder des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats;
- die Grundsätze erfolgsabhängiger Vergütungen für diese Personen;
- die Grundsätze der Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten an diese Personen;
- den Zusatzbetrag für die Geschäftsleitung bei prospektiver Abstimmung über die Vergütungen;
- die Einzelheiten über das weitere Vorgehen bei einer Ablehnung der Vergütungen durch die Generalversammlung.
Bei der Anpassung der Statuten ist darauf zu achten, dass auch die entsprechenden Reglemente und Verträge statutenkonform angepasst werden. Von Gesetzes wegen bedürfen Statutenänderungen keines qualifizierten Quorums, das heisst, das absolute Mehr der vertretenen Stimmen reicht für die Annahme der Änderung aus. Häufig sehen allerdings die Statuten für ihre Änderung ein qualifiziertes Mehr vor, das diesfalls beachtet werden muss. Zudem müssen Generalversammlungsbeschlüsse über Statutenänderungen öffentlich beurkundet werden.
Kommt der Beschluss über die Statutenänderung bedingt notwendiger Bestimmungen nicht zustande, sind entsprechende Vergütungen unzulässig, weil ihnen die entsprechende statutarische Grundlage fehlt.
Fehlt bei der Gründung einer Aktiengesellschaft zwingend notwendiger Statuteninhalt, wird die Gesellschaft nicht ins Handelsregister eingetragen, weil ihre Statuten die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Die Gesellschaft erreicht somit keine Rechtspersönlichkeit. Sie «entsteht» nicht. Auch das Streichen zwingend notwendiger Statutenbestimmungen ist nicht möglich. Das Handelsregisteramt würde die entsprechend unvollständigen Statuten aus dem gleichen Grund nicht eintragen. Nimmt hingegen eine bestehende börsenkotierte Aktiengesellschaft den neu zwingend notwendigen Statuteninhalt nicht in ihre Statuten auf oder meldet die neuen Statuten nicht beim Handelsregisteramt an, muss der Handelsregisterführer den Verwaltungsrat zur Anmeldung der entsprechenden Statutenbestimmungen anhalten – notfalls mittels beschwerdefähiger Verfügung. Die Möglichkeit des Handelsregisterführers, vorgeschriebene Tatsachen nach erfolgloser Mahnung von Amts wegen einzutragen, dürfte hier aufgrund des Ausgestaltungsspielraums der einzelnen Statutenbestimmungen nicht zur Anwendung kommen. Im äussersten Fall droht der Gesellschaft die Auflösung durch den Richter.
Die Bestimmungen der Verordnung haben direkten Einfluss auf alle Verträge mit Mitgliedern des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats, die direkt oder indirekt Vergütungen und / oder Darlehen und Kredite, Mandatsdauer oder die Zulässigkeit von weiteren Tätigkeiten in obersten Führungs- oder Verwaltungsorganen regeln. Neue Verträge müssen der VegüV grundsätzlich ab deren Inkrafttreten entsprechen, bestehende Verträge müssen angepasst werden. Rechtlich anspruchsvoll kann dabei vor allem die Anpassung von Arbeitsverträgen werden. Mandatsverträge unterstehen in aller Regel dem Auftragsrecht und damit der Möglichkeit der jederzeitigen Kündbarkeit.
Das rechtliche Verhältnis zwischen Verwaltungsrat und Aktiengesellschaft sowie zwischen Beirat und Aktiengesellschaft ist in seinen Grundzügen ein organschaftliches. In arbeitsrechtlicher Hinsicht stehen folglich Arbeitsverträge der Gesellschaft mit Geschäftsleistungsmitgliedern im Vordergrund, obwohl auch mit Verwaltungsrats- oder Beiratsmitgliedern Arbeitsverträge bestehen können. In der Regel werden Letztere jedoch eher über Mandatsverträge verfügen.
Für neue Arbeitsverträge gilt die Verordnung sofort. Bereits bestehende Arbeitsverträge müssen spätestens per 1. Januar 2016 angepasst sein. Neue Arbeitsverträge dürfen demnach insbesondere keine Abgangsentschädigungen, keine Vergütungen im Voraus, keine Provisionen für konzerninterne Unternehmensübernahmen oder -übertragungen sowie keine Kündigungsfristen von mehr als einem Jahr vorsehen.
Bei der Anpassung altrechtlicher Arbeitsverträge stellen sich verschiedene arbeitsrechtliche Fragen. Arbeitsrecht ist auch Sozialrecht und schützt den Arbeitnehmer insbesondere gegen Kündigung und gegen die einseitige Verschlechterung der Vertragsbedingungen. Zwar erklärt die Verordnung, gegen jegliche widersprechende OR-Bestimmungen vorzugehen. Ob dies auch für zwingende Schutzbestimmungen des Arbeitsvertragsrechts telquel gilt, müssen die Gerichte klären, darf hier in dieser Absolutheit aber zumindest bezweifelt werden. Es empfiehlt sich daher, dem Arbeitnehmerschutz auch bei der Anpassung von Arbeitsverträgen aufgrund der neuen VegüV-Bestimmungen Rechnung zu tragen.
Betreffend Anpassung von altrechtlichen Arbeitsverträgen führt das Bundesamt für Justiz in seinem erläuternden Bericht zum Vorentwurf aus, «angesichts der Vielzahl möglicher Anwendungsfälle» bewusst «auf eine explizite Regelung der Rechtsfolgen» zu verzichten, und überlässt die Beurteilung im konkreten Einzelfall den Gerichten, die sich damit in den nächsten Jahren ab und zu noch mit der Anpassung altrechtlicher Arbeitsverträge beschäftigen dürften.
Aufgrund der rechtsdogmatisch an sich unglücklichen Verbindung der Verordnung von Strafrecht mit Privatrecht haben allerdings beide Parteien – insbesondere auch der Arbeitnehmer – ein fundamentales Interesse daran, ihre Arbeitsverträge auf eine rechtskonforme Basis zu stellen. Wer nämlich wider besseres Wissen gegen die Verordnungsbestimmungen verstösst (zum Beispiel unzulässige Vergütungen bezieht), kann mit bis zu drei Jahren Freiheitstrafe und / oder bis zu sechs Jahresvergütungen Geldstrafe bestraft werden.
Im Vordergrund muss daher die einvernehmliche Anpassung der altrechtlichen Arbeitsverträge stehen. Diese ist aus arbeitsrechtlicher Sicht grundsätzlich unproblematisch und dürfte in den allermeisten Fällen auch den Interessen beider Parteien am ehesten entsprechen. Wie der einvernehmlich angepasste neue Arbeitsvertrag im Einzelnen aussieht, ist Resultat der entsprechenden Verhandlungen zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer. Dabei muss zwingend darauf geachtet werden, dass er verordnungs- und statutenkonform ausgestaltet wird und die Bestimmungen der VegüV nicht umgangen werden.
Ist die einvernehmliche Anpassung nicht möglich, muss die Arbeitgeberin eine Kündigung oder Änderungskündigung in Betracht ziehen. Dabei sind die Kündigungstermine und die für Geschäftsleitungsmitglieder häufig vertraglich verlängerten Kündigungsfristen einzuhalten. Wie in jedem unbefristeten Arbeitsverhältnis sind der sachliche und der zeitliche Kündigungsschutz zu beachten. Der sachliche Kündigungsschutz schützt den Arbeitnehmer vor einer missbräuchlichen (Änderungs-)Kündigung. Im vorliegenden Fall erginge die Änderungskündigung aufgrund geänderter rechtlicher Vorschriften, sodass der sachliche Kündigungsschutz kaum greifen dürfte. Der zeitliche Kündigungsschutz hingegen kann zum Tragen kommen. Befindet sich der Arbeitnehmer in einer Sperrfrist, kann die Arbeitgeberin nicht kündigen. Fällt eine Sperrfrist in die Kündigungsfrist, verlängert sich diese entsprechend. Dies kann aufgrund der häufig verlängerten Kündigungsfristen in der Praxis zu zeitlichen Schwierigkeiten führen.
Die Verordnung erklärt schliesslich, ab dem 1. Januar 2016 auf alle Verträge anwendbar zu sein. Per diesem Datum erfolgt die Anpassung also von Gesetzes wegen auch ohne Zutun der Parteien. Rechtlich unproblematisch dürfte das Los von unzulässigen Vergütungen sein: Entsprechende Vereinbarungen werden per 1. Januar 2016 widerrechtlich und damit nichtig. Da in der Regel nicht davon auszugehen ist, dass der ganze Vertrag ohne den nun nichtigen Teil nicht abgeschlossen worden wäre, fallen sie ersatzlos dahin, und der Vertrag gilt ohne sie wie vereinbart weiter. Schwieriger dürfte die Beurteilung von bedingt zulässigen Vergütungen sein. Sie bergen eher das Risiko, dass der Arbeitsvertrag ohne entsprechende Vergütung (z.B. Boni oder Mitarbeiterbeteiligungen) nicht abgeschlossen worden wäre. Dies führte zur Nichtigkeit des gesamten Arbeitsvertrags ohne Möglichkeit einer richterlichen Vertragsergänzung oder -anpassung. Ein Nichtstun und Abwarten führt für beide Parteien zu einer wohl nicht gewollten Rechtsunsicherheit. Davon ist daher dringend abzuraten.
Anpassungsbedarf besteht insbesondere bezüglich Vergütungsregelungen. Ihrer Ausgestaltung und Formulierung ist eine erhöhte Beachtung zu schenken. Sie müssen nicht nur mit der Verordnung, den Statuten und Reglementen sowie dem Arbeitsrecht übereinstimmen; es ist auch zu bedenken, dass die Generalversammlung die Vergütungen jährlich genehmigen muss. Es empfiehlt sich, entsprechende Vorkehrungen wie beispielsweise Genehmigungsvorbehalte, besondere Kündigungsfristen und Ähnliches zu treffen. Arbeitsrechtlich stellt sich vor allem die Frage, welcher Lohn geschuldet ist, wenn die Generalversammlung eine Vergütung ablehnt. Ziel müsste sein, eine Ersatzabstimmung zu erreichen, bevor die zu genehmigende oder zu beschliessende Vergütung in Kraft treten soll (z.B. Abstimmung über die Vergütungen ab Januar 2017 an einer ausserordentlichen Generalversammlung 2016). Nach Arbeitsvertragsrecht hat der Arbeitnehmer bei fehlender Vereinbarung denjenigen Lohn zugute, der üblich ist. Diese Bestimmung dürfte auch für Arbeitsverhältnisse gelten, die in den Anwendungsbereich der VegüV fallen, selbst, wenn man die VegüV – wie sie es will – allen widersprechenden OR-Bestimmungen vorgehen liesse. Es handelt sich hier nicht um einen Widerspruch zwischen VegüV und OR, sondern um einen Auffangtatbestand. Genehmigt die Generalversammlung die Vergütungen aus Arbeitsvertrag nicht, müsste dem Arbeitnehmer daher – zumindest für eine Übergangszeit in der Grössenordnung der Kündigungsfrist – der übliche Lohn zustehen.
Die Grundsätze von Bonus- und Beteiligungsplänen bedürfen immer einer statutarischen Grundlage. Die Regelungen im Detail können jedoch in Reglementen, Verträgen, Jahresplänen usw. getroffen werden. Die Verordnung unterscheidet nicht zwischen fixen und variablen Vergütungen, sodass die Generalversammlung über einen Gesamtbetrag abstimmen kann, der sowohl fixe als auch variable Komponenten enthält.
Die Verordnung trat per 1. Januar 2014 in Kraft. Die Übergangsbestimmungen (Art. 26 – 32) sehen jedoch für einzelne Bestimmungen Übergangsfristen bzw. ein späteres Inkrafttreten vor. Spätestens ab 1. Januar 2016 gilt die Verordnung integral. Damit soll verhindert werden, dass unzulässige statutarische, reglementarische oder vertragliche Regelungen noch jahrelang in Kraft bleiben.
Abbildung 1 zeigt die Etappen der Anwendbarkeit der Verordnung auf. Die angegebenen Artikelnummern beziehen sich dabei auf die entsprechenden Verordnungsbestimmungen (nicht auf Übergangsbestimmungen).
Gewisse Detailfragen, die die Verordnung bewusst oder unbewusst offenlässt, werden sich erst mit der Zeit durch Lehre und vor allem Rechtsprechung klären. An dieser Stelle sei trotzdem ein erster Ausblick gewagt.
Die Verordnung ist so lange in Kraft, bis die Umsetzung der Minder-Initiative bzw. der entsprechenden Verfassungsbestimmung auf Gesetzesstufe erfolgt. Dies wird (voraussichtlich) im Rahmen der Aktienrechtsreform geschehen. Bei der Überführung des Verordnungs- in Gesetzesrecht werden höchstwahrscheinlich erste Erfahrungen mit der VegüV einfliessen. Aufgrund der bereits heute kontroversen Meinungen und Forderungen kann davon ausgegangen werden, dass auch um eine inhaltliche Anpassung oder gar Ausdehnung und Ergänzung der heutigen Verordnungsbestimmungen zumindest gekämpft werden wird.
Praxis, Lehre und Rechtsprechung werden in den nächsten Monaten und Jahren verschiedene Abgrenzungen zu ziehen haben, wo die Verordnung ungenau blieb (ungenau bleiben musste). Dabei wird es auch darum gehen, die Grenze zwischen zulässigem Ausnützen des Spielraums der VegüV-Bestimmungen und unzulässiger Umgehung derselben zu ziehen.
Zwar gelten die Bestimmungen der VegüV nur für börsenkotierte Aktiengesellschaften und nur für Vergütungen von Mitgliedern des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats. Es ist aber zu befürchten, dass die strengeren VegüV-Regelungen unter dem Aspekt «Corporate Governance» von den Gerichten mit der Zeit auch auf nicht direkt unterstellte Unternehmen heruntergebrochen werden. Insbesondere besteht das Risiko, dass die zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Organen, gestützt auf den neuen Standard, zusätzlich ausgedehnt werden könnte. Dies ist klar weder im Sinne der ehemaligen Initianten noch des Verordnungsgebers. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Gerichte der entsprechenden Versuchung widerstehen.