Am 1. Januar 2013 ist das neue Erwachsenenschutzrecht in Kraft getreten. Es ist davon auszugehen, dass speziell dem Vorsorgeauftrag alsbald erhebliche praktische Bedeutung zukommen wird und die Errichtung eines solchen «Auftrages» zum Standard für die Altersvorsorge werden wird. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit diesem neuen Instrument.
Am 1. Januar 2013 ist das neue Erwachsenenschutzrecht in Kraft getreten. Dieses ersetzt die Bestimmungen des bisherigen Vormundschaftsrechts und führt zahlreiche Neuerungen ein. Dabei setzt die Revision verschiedene wichtige Postulate um, wie z.B. die Förderung der Selbstbestimmung, die Stärkung der Familiensolidarität oder den besseren Schutz von Urteilsunfähigen und deren Persönlichkeitsrechten. Einen wichtigen Baustein zur Umsetzung dieser Postulate bildet die sog. eigene Vorsorge mit den neuen Instituten des Vorsorgeauftrags und der Patientenverfügung. Es ist davon auszugehen, dass speziell dem Vorsorgeauftrag alsbald erhebliche praktische Bedeutung zukommen und die Errichtung eines solchen «Auftrages» zum Standard für die Altersvorsorge werden wird. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit diesem neuen Instrument.
Der Vorsorgeauftrag ermöglicht es, einer handlungsfähigen, d.h. volljährigen und urteilsfähigen Person1 für den Fall des Verlustes ihrer Urteilsfähigkeit, eine rechtlich verbindliche Regelung verschiedener persönlicher Angelegenheiten, namentlich die Personen- und Vermögenssorge sowie ihre Vertretung im Rechtsverkehr, zu bestimmen. Es handelt sich um eine Form der selbstbestimmten eigenen Vorsorge, da durch den Vorsorgeauftrag eine handlungsfähige Person selbst2 einer anderen Person3 den Auftrag bzw. die Vollmacht zum Handeln im Falle des Eintritts der eigenen Urteilsunfähigkeit erteilt, ohne dass eine staatliche Behörde am Entscheid selbst beteiligt ist.
Das Instrument des Vorsorgeauftrags ist in Art. 360 – 369 ZGB geregelt. Gemäss Art. 360 Abs. 1 ZGB kann jede handlungsfähige Person eine natürliche oder juristische Person beauftragen, im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten. Welche Aufgaben die beauftragte Person zu erfüllen hat, muss von der auftraggebenden Person im Vorsorgeauftrag umschrieben werden. Zudem kann sie der beauftragten Person Weisungen hinsichtlich Erfüllung ihrer Aufgaben erteilen.4
Die Errichtung des Vorsorgeauftrags ist bezüglich der Formvorschriften der letztwilligen Verfügung nachgebildet: Nach Art. 361 Abs. 2 ZGB ist der Vorsorgeauftrag entweder eigenhändig, d.h. von Anfang bis Ende handschriftlich, abzufassen, zu datieren und zu unterzeichnen oder aber der Vorsorgeauftrag kann öffentlich beurkundet werden.5 Die Einhaltung dieser Formvorschriften ist Voraussetzung für die Gültigkeit des Vorsorgeauftrags.6
Wie eine letztwillige Verfügung kann auch der Vorsorgeauftrag jederzeit (bzw. solange der Vorsorgefall nicht eingetreten ist)7 vom Auftraggeber in einer der Formen widerrufen werden, die für die Errichtung vorgeschrieben sind, d.h. handschriftlich8 oder durch öffentliche Beurkundung9. Der Vorsorgeauftrag kann sodann durch Vernichtung der Urkunde widerrufen werden.10 In Ergänzung zu diesen Widerrufsmöglichkeiten gilt: Wird ein neuer Vorsorgeauftrag errichtet, so ist der alte Vorsorgeauftrag als widerrufen zu betrachten, es sei denn, der neue Vorsorgeauftrag bilde zweifelslos eine Ergänzung des bereits existierenden Vorsorgeauftrages.11
Zu beachten ist, dass es sich beim Widerrufsrecht um ein höchstpersönliches Recht handelt. Der Vorsorgeauftrag kann folglich ausschliesslich vom Auftraggeber widerrufen werden und das Widerrufsrecht ist unverzichtbar.
Damit im Falle des Eintritts der Urteilsunfähigkeit festgestellt werden kann, dass die betroffene Person einen Vorsorgeauftrag errichtet hat, kann der Auftraggeber beim zuständigen Zivilstandsamt die Eintragung der Errichtung eines Vorsorgeauftrags und dessen Hinterlegungsort in eine zentrale Datenbank beantragen.12
Der Vorsorgeauftrag entfaltet seine Wirksamkeit erst bei Eintreten des Vorsorgefalls. Die zuständige Erwachsenenschutzbehörde hat in diesem Fall zu prüfen, ob der Vorsorgeauftrag gültig errichtet wurde, die Voraussetzungen für dessen Wirksamkeit eingetreten sind, ob die beauftragte Person geeignet ist, die ihr gemäss Vorsorgeauftrag übertragenen Aufgaben zu übernehmen und ob allenfalls weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes anzuordnen sind.13 Zuletzt erfordert die Wirksamkeit eines gültigen Vorsorgeauftrags auch die Zustimmung der beauftragten Person.14 Eine Pflicht zur Annahme eines Vorsorgeauftrags besteht jedoch nicht. Für den Fall der Nichtannahme kann die auftraggebende Person auch eine Ersatzverfügung treffen und eine andere Person als «Ersatz-Vorsorgebeauftragten» bezeichnen. Dieser Ersatz-Vorsorgebeauftragte kommt ebenfalls zum Zug, wenn die erstbezeichnete Person den Auftrag kündigt oder für die Übernahme des Auftrages nicht geeignet ist.15
Das Gesetz legt im Übrigen fest, dass die durch den Vorsorgeauftrag beauftragte Person die Erwachsenenschutzbehörde um Auslegung des Vorsorgeauftrags und dessen Ergänzung in Nebenpunkten ersuchen kann.16
Die wichtigsten «Eckpunkte» rund um dieses neue Institut ergeben sich aus dem Gesetz. Dieses sagt allerdings nichts über den möglichen Inhalt des Vorsorgeauftrags aus. Der Inhalt kann und muss individuell festgelegt werden.
Wie erwähnt, ist der Errichtungsakt des Vorsorgeauftrags der Errichtungsform der letztwilligen Verfügung nachgebildet. Folglich ist davon auszugehen, dass sich inskünftig auch rund um den Vorsorgeauftrag ähnliche Probleme stellen dürften wie im Zusammenhang mit letztwilligen Verfügungen. Aus diesem Grunde ist anzunehmen, dass sich die künftige Rechtsprechung an den Präjudizien zu analogen Problemen bei letztwilligen Verfügungen orientieren wird.
Das Bundesgericht hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten verschiedentlich mit formungültigen, letztwilligen Verfügungen befasst, d.h. mit Testamenten, die z.B. nicht datiert, nicht unterzeichnet oder nicht handschriftlich abgefasst waren.17 Ähnliche Konstellationen werden wohl auch im Zusammenhang mit dem Vorsorgeauftrag auftreten und wie auch bei der letztwilligen Verfügung wird es nicht mehr möglich sein, allfällige Formmängel nach Eintritt des Vorsorgefalls durch den (inzwischen urteilsunfähigen) Urheber korrigieren zu lassen: Bei der letztwilligen Verfügung lebt der Urheber im entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr, beim Vorsorgeauftrag ist der Urheber im entscheidenden Zeitpunkt urteilsunfähig und kann folglich den Vorsorgeauftrag weder gültig ergänzen noch abändern.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei letztwilligen Verfügungen häufig auch die Frage des Vorliegens der notwendigen Handlungsfähigkeit18 zum Zeitpunkt der Errichtung umstritten sein kann. Solche Streitfälle ergeben sich häufig dann, wenn der Erblasser z.B. im betagten Alter eine neue letztwillige Verfügung errichtet hat. Prozessthema ist in solchen Fällen dann die Frage, ob der Urheber zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung (noch) urteilsfähig und demnach handlungsfähig war oder nicht.19 Hinsichtlich des Vorsorgeauftrags könnten sich ähnliche Probleme ergeben, wenn dieser im Hinblick auf eine mögliche «unmittelbar bevorstehende Urteilsunfähigkeit» abgefasst wurde.
Bei den letztwilligen Verfügungen hat sich in der Praxis ferner die Konstellation gezeigt, dass eine letztwillige Verfügung vorgefunden sowie von der zuständigen Behörde eröffnet wird und dann im Zuge der Abwicklung des Nachlasses eine neuere letztwillige Verfügung entdeckt wird, welche Regelungen enthält, die im Widerspruch zur erstaufgefundenen letztwilligen Verfügung stehen. Analoge Fallkonstellationen werden auch beim Vorsorgeauftrag auftreten und können zu rechtlichen Auseinandersetzungen z.B. unter beauftragten Personen führen, die durch sich widersprechende Vorsorgeaufträge beauftragt wurden.
Um allfällige spätere Probleme und Auseinandersetzungen bezüglich Formungültigkeit, behaupteter Handlungsunfähigkeit oder sich widersprechender Vorsorgeaufträge vorzubeugen, ist die Errichtungsform der öffentlichen Beurkundung zu empfehlen. Im Zuge einer öffentlichen Beurkundung eines Vorsorgeauftrags werden denn auch von der Urkundsperson die Formalien des Vorsorgeauftrags geprüft und die Urteilsfähigkeit des Errichtenden festgestellt. Zudem ermöglicht das Verfahren der öffentlichen Beurkundung eine möglichst klare, vollständige und widerspruchsfreie Aufzeichnung des Willens der auftraggebenden Person und eine präventive Kontrolle des Inhalts des Vorsorgeauftrags hinsichtlich allfälliger ungültiger oder unverständlicher Anweisungen.
Durch die öffentliche Beurkundung eines Vorsorgeauftrags werden somit spätere Zweifel an dessen Gültigkeit und dem Inhalt der Anweisungen herabgemindert. Es empfiehlt sich schliesslich, auch von der Möglichkeit der Registrierung in der zentralen Datenbank Gebrauch zu machen, um sicherzustellen, dass im «Vorsorgefall» die zuständige Erwachsenenschutzbehörde vom Vorhandensein eines Vorsorgeauftrags Kenntnis erhält.
Der Inhalt des Vorsorgeauftrags wird im Gesetz nicht näher definiert. Immerhin wird aber festgehalten, dass die Aufgaben der beauftragten Person zu umschreiben sind und Weisungen für die Erfüllung dieser Aufgaben erteilt werden können.20 Zudem enthält das Gesetz die Beschränkung, dass der Vorsorgeauftrag sich auf die Personen- und / oder Vermögenssorge und / oder die Vertretung im Rechtsverkehr beziehen muss.21 Umfasst der Vorsorgeauftrag alle drei vorgenannten Bereiche, liegt ein umfassender Vorsorgeauftrag vor. Davon wird auch ausgegangen, wenn der Aufgabenbereich der beauftragten Person vom Auftraggeber nicht umschrieben wird.22 Ein nicht umfassender Vorsorgeauftrag besteht hingegen, wenn sich dieser auf die Vermögens- und oder Personensorge und / oder die Rechtsvertretung im Verkehr beschränkt.
Der Vorsorgeauftrag weist offensichtliche Parallelen zum obligationenrechtlichen (einfachen) Auftrag23 auf und das Gesetz verweist denn auch in den gesetzlichen Bestimmungen zum Vorsorgeauftrag verschiedentlich auf die Regelungen über den einfachen Auftrag.24 Auch hier ist deshalb davon auszugehen (wie bezüglich der Nähe des Vorsorgeauftrags zur letztwilligen Verfügung), dass die Lehre und Rechtsprechung zum (einfachen) Auftrag zur Auslegung und Füllung von Lücken im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung des Vorsorgeauftrags herangezogen werden. Jedenfalls entsteht mit der Annahme des Vorsorgeauftrags durch die beauftragte Person ein «vertragsähnliches Rechtsverhältnis».25
Gegenstand eines «normalen» obligationenrechtlichen Auftrages nach Art. 398 ff. OR können sämtliche möglichen Dienstleistungen sein, die ein Beauftragter zu erbringen hat. Geschuldet ist ein Tätigwerden (und kein Erfolg). Inhaltlich ist innerhalb der gesetzlichen Schranken26 jedes Tun, Unterlassen oder Dulden als Auftrag bzw. als Weisung denkbar.
Der Natur des Vorsorgeauftrags entsprechend steht beim Vorsorgeauftrag die Fürsorge für den Auftraggeber (gesundheitlich, sozial und materiell) und die Vertretung des Auftraggebers in sämtlichen Lebensbereichen, namentlich auch bei Rechtsgeschäften, im Vordergrund. Der Vorsorgeauftrag hat somit zwei Komponenten: Er dient der Wahrung der Interessen des Auftraggebers und er kann als Generalvollmacht dienen (so beim umfassenden Vorsorgeauftrag).
In seinem Vorsorgeauftrag bestimmt der Auftraggeber die Aufträge, d.h. die Aufgaben, die der beauftragten Person im Falle des Eintritts der Handlungsunfähigkeit übertragen werden sollen, und er kann Weisungen bezüglich Erfüllung dieser Aufgaben erteilen.27 Mit Blick auf Fragen hinsichtlich Gültigkeit der Aufträge und Weisungen im Rahmen eines Vorsorgeauftrags ist aufgrund der abermaligen Nähe zum Erbrecht die Judikatur, Praxis und Lehre zu Art. 482 Abs. 2 i.V.m. 519 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB (Auflagen und Bedingungen im Erbrecht) zu berücksichtigen.
Mit dem Vorsorgeauftrag wird die beauftragte Person damit betraut, die Angelegenheiten des Auftraggebers nach Eintritt seiner Urteilsunfähigkeit zu regeln. Denkbar ist z.B. das Erteilen von Auflagen bzw. die Abgabe von Instruktionen im Vorsorgeauftrag, wie z.B. die Instruktion sicherzustellen, dass die beauftragte Person Massnahmen zu treffen hat, damit die urteilsunfähige Person nach Möglichkeit trotz Pflegebedürftigkeit im eigenen Heim verbleiben kann oder z.B. die Auflage, es müssten Massnahmen getroffen werden, welche eine Beteiligung am sozialen Leben weiterhin gewährleisten. Definiert werden kann auch, welche medizinischen Massnahmen zu ergreifen und welche zu unterlassen sind. Aber auch die Vertretung vor Behörden und Gerichten kann übertragen werden.
Im Vorsorgeauftrag können auch Aspekte des Geschäftsverkehrs geregelt werden. Der Auftraggeber, welcher z.B. über Aktien einer Gesellschaft verfügt, kann auch Auflagen bezüglich der Ausübung von Stimmrechten erteilen. Dies kann z.B. eine Rolle spielen, wenn der Auftraggeber beabsichtigt, im Falle des Eintritts der Urteilsunfähigkeit, die notwendigen Massnahmen zur Weiterführung eines Geschäftsbetriebes anzuordnen. Er kann auf diese Weise auch Instruktionen erteilen, wer in den Verwaltungsrat seiner Aktiengesellschaft zu wählen ist. Dementsprechend kann das Instrument des Vorsorgeauftrags auch dazu dienen, ein «Notfallszenario» in einem Unternehmen zu regeln.
Auch bei einem umfassenden Vorsorgeauftrag besteht die gesetzliche Einschränkung der Vertretung dahingehend, dass gewisse Rechte nicht durch den Vertreter ausgeübt werden können. Dabei handelt es sich um die absolut höchstpersönlichen Rechte. Aufgrund ihrer Vertretungsfeindlichkeit können sie im Fall der Urteilsunfähigkeit nicht von der beauftragten Person vorgenommen werden. Entsprechend kann im Vorsorgeauftrag z.B. nicht die Vertretung für eine Eheschliessung angeordnet werden. Auch kann die beauftragte Person kein Testament in Vertretung des urteilsunfähigen Auftraggebers erstellen.
Die Verwaltung des Vermögens ist ein weiterer Regelungsbereich. Hierzu ist festzuhalten, dass mit dem Inkrafttreten des neuen Erwachsenenschutzgesetzes auch die Verordnung über die Vermögensverwaltung im Rahmen einer Beistandschaft oder Vormundschaft (VBVV) in Kraft getreten ist. Diese Verordnung tritt letztlich an die Stelle der in der Praxis verwendeten Richtlinien für die Anlage von Mündelvermögen.
Die VBVV regelt gemäss deren Art. 1 die Anlage und Aufbewahrung von Vermögenswerten im Rahmen einer Beistandschaft (welche Vermögensverwaltungsbefugnisse umfasst) oder einer Vormundschaft. Diese Regelung indiziert, dass die VBVV nicht für solche Personen gilt, welche gestützt auf einen Vorsorgeauftrag mit der Verwaltung des Vermögens des Auftraggebers betraut werden. Offen ist deshalb, ob in diesem Fall – wenn keine anderweitigen Weisungen im Vorsorgeauftrag erteilt werden – die Regelungen der VBVV analog angewendet werden sollen oder ob andere Regelungen gelten und, falls ja, welche. Es fragt sich, welche Anlagestrategie dann durch den Beauftragten in einem solchen Fall zu verfolgen ist: Kann eine (z.B. mittels Auflage «erteilte») risikoreiche Strategie oder muss eine konservative Strategie verfolgt werden? Grundsätzlich gilt wohl, dass sich die zu verfolgende Risikostrategie nach den Interessen des Auftraggebers richten muss. Sie muss insofern langfristig ausgerichtet sein, als dass sichergestellt wird, dass die betroffene Person stets ihren Lebensunterhalt bestreiten kann und über genügend Vermögen verfügen muss (sofern dieses bei Eintritt des Vorsorgefalles vorhanden war), um die medizinische bzw. pflegerische Betreuung sicherzustellen. Dementsprechend hat sich eine zu verfolgende Anlagenstrategie auf Substanzerhalt auszurichten. Wenn ein grosses Vermögen vorliegt, so dürfen auch gewisse Risiken eingegangen werden.
Offen ist weiter, wie es sich verhält, wenn die betroffene Person vor Eintritt des Vorsorgefalles einen Vermögensverwaltungsvertrag mit einem Vermögensverwalter abgeschlossen hat. Ist dann die gewählte Strategie weiter zu verfolgen oder nicht? Hier muss unseres Erachtens gelten, dass eine bisherige Strategie, welche Risiken in Kauf nahm, aufgegeben werden muss.
Im Vorsorgeauftrag kann geregelt werden, ob die beauftragte Person eine Entschädigung für ihre Tätigkeit im Rahmen der Erfüllung des Vorsorgeauftrags erhalten soll28 und für den Fall einer Entschädigung kann auch die Höhe derselben festgelegt werden.29 Enthält der Vorsorgeauftrag keine Regelung bezüglich der Entschädigung, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob der Auftraggeber einen unentgeltlichen Vorsorgeauftrag erstellen wollte. Gegen diese «Anordnung» darf nicht verstossen werden. Ist hingegen davon auszugehen, dass die Regelung der Entschädigung lediglich «vergessen» wurde, ist eine angemessene Entschädigung durch die Erwachsenenschutzbehörde festzulegen, sofern diese unter Berücksichtigung des Umfangs der Aufgaben gerechtfertigt erscheint oder die im Auftrag enthaltenen Leistungen üblicherweise nur gegen Entgelt erbracht werden.30
Spesen werden hingegen auch dann ersetzt, wenn es sich um einen unentgeltlichen Vorsorgeauftrag handelt. Sowohl Spesen als auch eine allfällige Entschädigung werden konsequenterweise der auftraggebenden Person belastet.31
Es obliegt der beauftragten Person, ob sie bei Eintritt des Vorsorgefalls den Vorsorgeauftrag annehmen möchte.32 Je nach Situation besteht eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass bei einem unentgeltlichen Vorsorgeauftrag die beauftragte Person die Übernahme der übertragenen Geschäfte ablehnen wird, z.B. weil ein grosser Aufwand erwartet wird oder weil es sich bei der beauftragten Person um eine juristische Person handelt, z.B. eine Vermögenverwaltungsfirma, die mit der Vermögenssorge betraut werden sollte. Um die Gefahr einer Nichtübernahme des Auftrages zu mindern, ist je nach den Umständen zu empfehlen, ausdrückliche Angaben zur Entschädigung und deren Höhe in den Vorsorgeauftrag mit aufzunehmen.
Zwischen den Interessen des Auftraggebers und der beauftragten Person kann ein Interessenskonflikt entstehen. Gemäss gesetzlicher Regelung fallen die Befugnisse der beauftragten Person dahin, wenn zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten eine Interessenkollision auftritt.33 Ist dies der Fall, muss der Beauftragte unverzüglich die Erwachsenenschutzbehörde informieren.34 Unterlässt der Beauftragte die Information der Erwachsenenschutzbehörde und wird er trotz Kenntnis des Vorliegens des Interessenskonflikts tätig, kann er bei Eintritt eines Schadens als Folge der sich widersprechenden Interessen haftbar werden. Die Haftung der vorsorgebeauftragten Person richtet sich gemäss Art. s456 ZGB nach den Bestimmungen über den einfachen Auftrag im Obligationenrecht.
Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass eine Information der Erwachsenenschutzbehörde über eine Interessenkollision wohl nur dann erforderlich ist, wenn eine solche nicht bewusst vom Auftraggeber in Kauf genommen wurde.35
Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich beim Vorsorgeauftrag um ein wichtiges, neues Instrument handelt, um die eigene Vorsorge zu regeln. Es ist davon auszugehen, dass dieses Instrument in Zukunft – auch im Hinblick auf demografische Veränderungen in der Gesellschaft – eine praktische Bedeutung erlangen wird und alsbald zu den Standardvorkehrungen im Hinblick auf die Altersvorsorge (nebst den notwendigen finanziellen Vorkehrungen und erbrechtlichen Regelungen) gehören wird. Allgemein wird erwartet, dass die Mehrheit von Vorsorgeaufträgen kurz vor Eintritt der Handlungsunfähigkeit abgefasst werden wird. Im Sinne einer sorgfältigen Beratung im Rahmen von Treuhandmandaten ist den Klienten aber zu empfehlen, sich frühzeitig mit dem Vorsorgeauftrag zu befassen, damit allfällige Risiken hinsichtlich einer möglichen Ungültigkeit des Vorsorgeauftrages ausgeschlossen werden können.
- Art. 360 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 ZGB.
- Der «Auftraggeber» bzw. gemäss Gesetzeswortlaut die «auftraggebende Person».
- Gemäss Gesetzeswortlaut die «beauftragte Person».
- Art. 360 Abs. 2 ZGB.
- Art. 361 Abs. 1 ZGB.
- Alexandra Rumo-Jungo, in: Thomas Geiser / Ruth Reusser (Hrsg.), Basler Kommentar zum Erwachsenenschutz, Basel 2012, Art. 361 N 3 mit weiteren Hinweisen (nachfolgend zitiert als: BSK Erwachsenenschutz-Rumo-Jungo).
- Heinz Hausheer / Thomas Geiser / Regina E. Aebi-Müller, Das neue Erwachsenenschutzrecht, Bern 2010, N 2.16.
- Bzw. gemäss Gesetzeswortlaut «eigenhändig».
- Art. 362 Abs. 1 i.V.m. 361 Abs. 1 ZGB.
- Art. 362 Abs. 2 ZGB.
- Art. 362 Abs. 3 ZGB.
- Art. 361 Abs. 3 ZGB.
- Art. 363 Abs. 2 Ziff. 1 – 4 ZGB.
- Art. 363 Abs. 3 ZGB.
- Art. 360 Abs. 3 ZGB.
- Art. 364 ZGB.
- Vgl. diesbezüglich exemplarisch: BGE 129 III 580 ff.
- Nach Art. 467 ZGB muss eine Person urteilsfähig sein und das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben, um über ihr Vermögen letztwillig verfügen zu können.
- Vgl. diesbezüglich exemplarisch: BGE 124 III 5 ff.
- Art. 360 Abs. 2 ZGB.
- Art. 360 Abs. 1 ZGB.
- BSK Erwachsenenschutz-Rumo-Jungo, Art. 360 N 32.
- Art. 394 ff. OR.
- Vgl. zum Beispiel: Art. 363 Abs. 3, Art. 365 Abs. 1, Art. 456 ZGB.
- BSK Erwachsenenschutz-Rumo-Jungo, Art. 360 N 14.
- Vgl. diesbezüglich z.B. Art. 19 und 20 OR sowie Art.27 ZGB.
- Art. 360 Abs. 2 ZGB.
- Hausheer / Geiser / Aebi-Müller, a.a.O., N 2.28.
- BSK Erwachsenenschutz-Rumo-Jungo, Art. 366 N 4.
- BSK Erwachsenenschutz-Rumo-Jungo, Art. 366 N 2 f.
- Art. 366 Abs. 2 ZGB.
- Art. 363 Abs. 3 ZGB.
- Art. 365 Abs. 3 ZGB.
- Art. 365 Abs. 2 ZGB.
- BSK Erwachsenenschutz-Rumo-Jungo, Art. 365 N 23.