Die Durchführung einer Massenentlassung stellt eine besondere Herausforderung für die Geschäftsleitung und Personalverantwortlichen dar – dies nicht nur auf rechtlicher und organisatorischer, sondern auch auf emotionaler Ebene. Immerhin bestehen Schwierigkeiten, welche den Arbeitgeber zu schwierigen Entscheidungen, so auch zur Entlassung von allenfalls langjährigen und loyalen Mitarbeitenden, zwingt.
Eine Massenentlassung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber in einem Betrieb innert 30 Tagen eine gewisse Anzahl von Arbeitnehmern entlässt, ohne dass die Kündigungen in einem Zusammenhang mit der Person der Arbeitnehmer (z.B. Leistung, Verhalten) stehen.
Ob aus rechtlicher Sicht eine Massenentlassung vorliegt, hängt von der Grösse des Betriebs und der Anzahl der entlassenen Arbeitnehmer ab. Rechtlich als Massenentlassung gilt die Entlassung von:
- mindestens 10 Arbeitnehmern in Betrieben, die «in der Regel» (dies entspricht der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer, die in einer repräsentativen Referenzperiode, z.B. einem halben Jahr, angestellt sind, wobei Ersatz- und Aushilfskräfte unberücksichtigt bleiben) mehr als 20 Arbeitnehmer und weniger als 100 Arbeitnehmer beschäftigen;
- mindestens 10 Prozent der Arbeitnehmer in Betrieben, die in der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmer beschäftigen, sowie
- mindestens 30 Arbeitnehmern in Betrieben, die in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmer beschäftigen.
Die Ermittlung der genauen Schwellenwerte betreffend die beschäftigten Arbeitnehmer ist nicht immer einfach. Der Personalbestand kann auch schwanken. Der Zusatz im Gesetzestext «in der Regel» lässt darauf schliessen, dass kurzfristige Schwankungen bei der Bestimmung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nicht berücksichtigt werden. Unter die Bestimmung zur Massenentlassung in Art. 335d OR fallen folgende Gruppen von Arbeitnehmern: Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, Lehrlinge, Praktikanten und Volontäre, sämtliche Mitarbeiter, die sich in der Probezeit befinden, sowie befristete Arbeitsverhältnisse, wenn diese länger als drei Monate dauern. Arbeitnehmer, die nur aufgrund einer kurzzeitigen Arbeitsvermehrung (Ausverkauf, Weihnachtsgeschäft, Abschlussarbeiten) oder als Ersatz für im Urlaub befindliche oder erkrankte Arbeitnehmer eingestellt werden, sowie befristet Angestellte, deren Befristung weniger als drei Monate beträgt, sind nicht zu berücksichtigen.1
Ungeachtet dieser Grenzwerte finden die Vorschriften zur Massenentlassung keine Anwendung, wenn der Massenentlassung eine gerichtliche Betriebseinstellung, der Konkurs des Arbeitgebers oder ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zugrunde liegen.
Möglich ist aber, dass ein Gesamtarbeitsvertrag die Regeln betreffend Massenentlassungen bereits bei tieferen Schwellen vorsieht.2 In einem solchen Fall sind die im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehenen Regeln anwendbar.
Die Kündigung durch den Arbeitgeber bildet den rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Massenentlassung. Gleichgültig ist, ob der Arbeitgeber mit der Kündigung wirklich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder nur eine Änderung der Arbeitsbedingungen erreichen wollte (sog. Änderungskündigung). Unerheblich ist ferner, ob anstelle der entlassenen Arbeitnehmer andere neu eingestellt werden oder nicht – auch mitzuberücksichtigen sind somit Fälle, in denen eine Verminderung der Arbeitnehmerzahl gar nicht beabsichtigt ist. Ebenso sind Kündigungen einer Tochtergesellschaft mitzuzählen, auch wenn danach die Einstellung bei der Muttergesellschaft geplant ist.3
Bedeutend sind nur Kündigungen des Arbeitgebers aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen. Nicht mitgerechnet werden z.B. Kündigungen wegen leistungsmässiger Mängel oder aus disziplinarischen Gründen; solche Kündigungen haben ihren Grund in der Person des Arbeitnehmers. Sind sowohl in der Person des Arbeitnehmers liegende als auch andere Gründe für die Kündigung verantwortlich, so ist darauf abzustellen, welche Gründe für die Kündigung ausschlaggebend gewesen sind.
Liegt keine Kündigung, aber trotzdem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, so wird die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Massenentlassung nicht berücksichtigt. Darunter fällt insbesondere die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Aufhebungsvereinbarung (unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs), aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags oder als Folge des Todes des Arbeitnehmers. Genauso wenig gilt die einvernehmliche Abänderung des Arbeitsvertrags als Kündigung in diesem Sinn.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass auch Änderungskündigungen von den Bestimmungen einer Massenentlassung erfasst werden.4 Es werden grundsätzlich zwei Arten von Änderungskündigungen unterschieden: die Änderungskündigung i.e.S. (hier wird formell gekündigt und gesagt, die Kündigung gelte nicht, sofern die neuen Vertragsbedingungen angenommen werden) und die Änderungskündigung i.w.S. (hier wird eine Vertragsofferte unterbreitet. Es besteht aber die Absicht, dass gekündigt wird, wenn die Offerte nicht angenommen wird).
Änderungskündigungen i.e.S. sind auf jeden Fall für die Bestimmung der Grenzwerte einer Massenentlassung mitzuzählen. Unklarer ist die Situation in Bezug auf die Änderungskündigung i.w.S. Man könnte argumentieren, die Kündigung sei auch hier geplant. So wären Änderungskündigungen i.w.S. bereits zum Zeitpunkt der Übermittlung der Änderungsofferten für die Bestimmung der Grenzwerte einer Massenentlassung mitzuzählen. Diese Ansicht wird nur vereinzelt vertreten. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, dass es im Zeitpunkt der Übermittlung der Änderungsofferte noch nicht klar ist, ob dann tatsächlich eine Kündigung ausgesprochen wird. Aus diesem Grund sind u.E. Änderungskündigungen i.w.S. grundsätzlich nicht mitzuzählen. Wenn die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wird, würde diese aber auf jeden Fall für die Bestimmung der Grenzwerte einer Massenentlassung mitzuzählen sein.
Für die Prüfung, ob eine Massenentlassung vorliegt, werden nur Kündigungen betrachtet, welche innert 30 Tagen ausgesprochen werden sollen. Werden also Kündigungen gestaffelt ausgesprochen, so wären die Vorschriften über die Massenentlassung nicht anwendbar. Fälle der Gesetzesumgehung sind aber vorbehalten. Werden die Kündigungen lediglich gestaffelt ausgesprochen, um die Vorschriften betreffend Massenentlassungen zu umgehen, muss man gemäss herrschender Lehre (es gibt aber auch gewichtige Gegenmeinungen) mit der Anwendung der entsprechenden Vorschriften rechnen. Solche Fälle, bei welchen die Gerichte der Ansicht waren, es seien zu Unrecht die Vorschriften über die Massenentlassung nicht beachtet worden, sind aber relativ selten, die Folgen wären aber u.U. gewichtig.
Das Gewerbliche Schiedsgericht Basel hatte einen solchen Fall im Jahr 2011 zu beurteilen und hielt für den konkreten Fall fest, dass die zeitliche Staffelung von Kündigungen eine Umgehung der Vorschriften über die Massenentlassung sei, wenn der Arbeitgeber damit keine arbeitsmarktpolitischen Ziele verfolge.
Ein Unternehmen kann aus mehreren Betrieben bestehen. Die Prüfung, ob eine Massenentlassung vorliegt, findet für jeden einzelnen Betrieb statt.5 D.h., umfasst ein juristisches Unternehmen mehrere Betriebe, so ist für die Bestimmung der Beschäftigten sowie der in Betracht gezogenen Kündigungen nicht auf das Unternehmen, sondern auf die einzelnen Betriebe abzustellen.
Der Begriff des Betriebs ist im Schweizerischen Recht nicht definiert, und aufgrund des europäischen Ursprungs der Massenentlassungsregeln wird hier oft ein Vergleich zu den Regeln in der Europäischen Union herangezogen. Gemäss dem Europäischen Gerichtshof bezeichnet der Begriff «Betrieb» in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben angehören. Ob die fragliche Einheit eine Leitung hat, die selbständige Massenentlassungen vornehmen kann, ist gemäss Europäischem Gerichtshof für die Definition des Begriffs «Betrieb» nicht entscheidend. Im Urteil Athinaïki Chartopoiïa (C 270/05, EU:C:2007:101) hat der Gerichtshof den Begriff «Betrieb» weiter präzisiert, wobei er insbesondere in Rn. 27 dieses Urteils ausgeführt hat, dass für den Zweck der Anwendung der Richtlinie 98/59 ein «Betrieb» im Rahmen eines Unternehmens u.a. eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität sein kann, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Durch die Verwendung der Ausdrücke «unterscheidbare Einheit» und «im Rahmen eines Unternehmens» hat der Gerichtshof klargestellt, dass sich die Begriffe «Unternehmen» und «Betrieb» unterscheiden und dass der Betrieb normalerweise Teil eines Unternehmens ist. Das schliesst jedoch nicht aus, dass – sofern ein Unternehmen nicht über mehrere unterscheidbare Einheiten verfügt – der Betrieb und das Unternehmen eins sein können.
Diese Überlegungen können auch auf den Schweizerischen Betriebsbegriff übertragen werden: Ein Betrieb ist die selbst am Wirtschaftsleben teilnehmende, organisatorische Zusammenfassung von persönlichen, sachlichen und immateriellen Mitteln zur fortgesetzten Verfolgung eines arbeitstechnischen Zwecks.6 Unerheblich dabei ist, ob der Betrieb über eine eigene Geschäftsleitung verfügt, welche über die Kündigungen befinden kann. So hat beispielsweise das Verwaltungsgericht St. Gallen einzelnen Asylzentren Betriebseigenschaft zugebilligt. Es ist selbst dann von eigenständigen Betrieben auszugehen, wenn diese ausschliesslich oder überwiegend Dienstleistungen für Genossenschafter erbringen. So wurde denn auch von kantonalen Instanzen entschieden, dass das Vorliegen eines Betriebs nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass eine Tochtergesellschaft ausschliesslich Dienstleistungen für den Konzern erbringt. Keine genügende Eigenständigkeit besitzt demgegenüber etwa die Abteilung Weiterbildung der Zürcher Hochschule (Entscheid des Verwaltungsgerichts ZH).
Gewisse Autoren (Minderheitenmeinung) wollen allerdings von dieser Regel eine Ausnahme machen, wenn die Betriebe (geografisch) nahe beieinanderliegen und denselben regionalen Arbeitsmarkt belasten.7 Das Bundesgericht hat diese Frage in einem konkreten Entscheid offengelassen.8 Zum Teil wird sogar argumentiert, Betriebe, welche sich im selben Kanton befinden, würden zusammengezählt. Hierfür fehlt aber die gesetzliche Grundlage. Diese Meinung ist deshalb abzulehnen.
Beabsichtigt ein Arbeitgeber eine Massenentlassung, muss er bestimmte gesetzliche Pflichten beachten, welche vorwiegend den Schutz der Arbeitnehmenden und die Information des zuständigen kantonalen Arbeitsamts bezwecken. Das Schweizerische Obligationenrecht (Art. 335f und Art. 335g) sieht insbesondere folgende Pflichten des Arbeitgebers vor:9
- Pflicht des Arbeitgebers zur Information der Arbeitnehmenden;
- Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung eines Konsultationsverfahrens unter seinen Arbeitnehmenden sowie
- Pflicht des Arbeitgebers zur rechtzeitigen Information des kantonalen Arbeitsamts.
Diesen Pflichten ist sodann in der richtigen Reihenfolge nachzukommen. Die gesetzlichen Vorschriften über die Massenentlassung gelten nicht für Betriebseinstellungen infolge gerichtlicher Entscheide sowie bei Massenentlassung im Konkurs oder bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 335e Abs. 2 OR).
Die Pflicht zur Beachtung der gesetzlichen Pflichten betreffend eine Massenentlassung entsteht in dem Moment, in welchem eine Massenentlassung konkret beabsichtigt wird. Wird eine Massenentlassung aber nur in Betracht gezogen, so werden die Pflichten noch nicht ausgelöst.10 Unter Umständen kann es aber schwierig sein, zu bestimmen, wann eine konkrete Absicht vorliegt und wann nicht.
Wichtig ist, dass der definitive Entscheid über die Entlassungen erst nach durchgeführtem Konsultationsverfahren gefällt werden darf. Aus diesem Grund sind, sofern die Bestimmungen über die Massenentlassungen anwendbar sind, die Beschlüsse des Verwaltungsrats jeweils unter der Bedingung zu fassen, dass das Konsultationsverfahren nichts anderes hervorbringt bzw. keine Lösung offenlegt. Dementsprechend sind auch die Mitteilungen an die Arbeitnehmer und allfällige Medienmitteilungen umsichtig zu formulieren.
Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertretung bzw. die einzelnen Arbeitnehmer (zum relevanten Konsultationspartner vgl. weiter unten) zu informieren. Er muss über folgende Faktoren schriftlich11 Auskunft geben:
a. die Gründe der Massenentlassung,
b. die Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll,
c. die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sowie
d. den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen.
Anhand dieser Informationen können die Konsultationspartner prüfen, ob überhaupt eine Massenentlassung vorliegt oder nicht. Dabei sind die Informationen so gut wie möglich wahrheitsgetreu anzugeben. Insbesondere müssen die Gründe für die Massenentlassung vollständig und möglichst konkret beschrieben werden, damit im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach Lösungen gesucht werden kann. Neue wesentliche Gründe sind nachträglich mitzuteilen und führen zu einer neuen Konsultationsfrist.12
Oft wird die Eröffnung eines Verfahrens zur Massenentlassung mit einer Mitarbeiterversammlung kombiniert, was sinnvoll sein kann, aber vom Gesetz nicht verlangt wird.
Eine Kopie der schriftlichen Mitteilung muss der Arbeitgeber dem kantonalen Arbeitsamt zustellen. Die Zustellung kann auch per Fax erfolgen. Die Kopie muss mit der schriftlichen Mitteilung an die Arbeitnehmer zu Beginn der Konsultation übereinstimmen. Eine Nichtzustellung der Kopie führt zur Verletzung der Konsultationspflicht. Anhand der Zustellung der Mitteilung hat das Arbeitsamt die Möglichkeit, die zu erwartenden Auswirkungen auf den lokalen Arbeitsmarkt abzuschätzen.
Der Arbeitgeber muss zu den vorgängigen Mindestinformationen jegliche weiteren zweckdienlichen Auskünfte erteilen.13 Dabei haben sich die Arbeitnehmer auf Informationen zu beschränken, die für die Auswahl, Ausarbeitung und Verbesserung Erfolg versprechender Projekte notwendig sind.14 Darunter versteht man etwa Angaben
- über die Möglichkeit von Versetzungen innerhalb des Betriebs oder der Unternehmensgruppe,
- über die Neuorganisation der Arbeitszuteilung,
- über die Mittel, welche zur Verfügung stehen, um die Arbeitnehmer zu entschädigen, die den Betrieb freiwillig verlassen, oder
- über frühzeitige Pensionierungen.
Die Mitteilung der zweckdienlichen Auskünfte muss der Arbeitgeber, anders als die Mindestinformationen, nicht von sich aus vornehmen. Die frühzeitige und von sich aus veranlasste Mitteilung seitens des Arbeitgebers kann aber zur Vermeidung von unnötigen Verlängerungen des Verfahrens von Vorteil sein.
Nach Art. 335f OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmerschaft15 zur geplanten Massenentlassung zu konsultieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können.16 Dazu muss der Arbeitgeber der Arbeitnehmerschaft sämtliche zweckdienlichen Auskünfte erteilen und ihnen gewisse Informationen schriftlich mitteilen.17 Den Arbeitnehmern ist eine angemessene Frist für die Einreichung ihrer Vorschläge zu setzen. Die Frist ist an die Dringlichkeit und Komplexität der Angelegenheit sowie an den Organisationsgrad der Arbeitnehmer anzupassen. Eine gut organisierte Arbeitnehmervertretung braucht weniger Zeit für die Konsultation als eine nicht organisierte Arbeitnehmerschaft. In der Regel sollte eine Frist von mindestens zehn Tagen gewährt werden. In einfachen oder sehr dringlichen Fällen werden auch kürzere Fristen zugelassen.18
Das Ziel der Konsultation besteht darin, eine Einigung zu erzielen19 bzw. Massenentlassungen möglichst zu verhindern, deren Zahlzu beschränken oder mindestens deren Folgen zu lindern.
Die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerseite haben im Bereich der betrieblichen Mitwirkung, wozu auch das Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen zählt (Art. 10 lit. c MwG), nach Treu und Glauben zusammenzuarbeiten (Art. 11 Abs. 1 MwG).
Angesichts dieser Pflicht zum Verhalten nach Treu und Glauben und zum Zwecke der Zielerreichung des Konsultationsverfahrens, der Vermeidung von Kündigungen oder mindestens deren Reduzierung hat die Arbeitgeberseite sich ernsthaft mit den Vorschlägen des Sozialpartners auseinanderzusetzen. Der Arbeitnehmerschaft muss die Möglichkeit gewährt werden, auf die Entscheidungsfindung des Arbeitgebers einwirken zu können.20 Allerdings ist der Arbeitgeber frei, Vorschläge der Arbeitnehmerschaft tatsächlich umzusetzen; sie sind für ihn nicht etwa verbindlich, auch wenn sie aus Sicht eines objektiven Dritten allenfalls sinnvoll erscheinen.
Über den Inhalt des Konsultationsrechts besteht in der juristischen Lehre Uneinigkeit. Ein Teil der Lehre versteht darunter ein reines Anhörungsrecht. Ein anderer Teil der Lehre spricht sich für ein eigentliches Mitspracherecht aus, bei welchem der Arbeitgeber verpflichtet ist, sich mit den Vorschlägen der Arbeitnehmer ernsthaft auseinanderzusetzen und eine allfällige Ablehnung der Vorschläge zu begründen. Der zweiten Meinung folgend, hat das Obergericht des Kantons Zürich eine Begründungspflicht bei Ablehnung der Vorschläge grundsätzlich bejaht.21 Andere Meinungen wiederum fordern sogar einen Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft, mithin also eine gemeinsame Beratung.22 Das Bundesgericht hielt schlicht fest, dass der Arbeitgeber aus dem Grundsatz nach Treu und Glauben (vgl. Art. 11 MwG) verpflichtet sei, die Lösungsvorschläge seriös zu prüfen.23 Eine über die schlichte seriöse Prüfung der Vorschläge der Arbeitnehmerschaft hinausgehende Beratungspflicht des Arbeitgebers mit den Arbeitnehmern besteht unseres Erachtens nicht24, und auch eine eigentliche Begründungspflicht durch den Arbeitgeber ist, entgegen des obergerichtlichen Entscheids, abzulehnen.25
Die Konsultationspartnerin des Arbeitgebers beim Verfahren der Massenentlassung ist vorrangig die Arbeitnehmervertretung, sofern eine solche im Betrieb vorhanden ist; fehlt die Arbeitnehmervertretung, sind die Arbeitnehmer direkt zu konsultieren. Unseres Erachtens sind dabei nur diejenigen Arbeitnehmer zu konsultieren, welche im Zeitpunkt der Eröffnung des Konsultationsverfahrens in einem Arbeitsverhältnis stehen, wobei es sich im Einzelfall aufdrängen kann, auch Arbeitnehmer, die während des Konsultationsverfahrens ihre Stelle antreten, zu konsultieren.
Zu konsultieren sind nicht etwa nur diejenigen Arbeitnehmer, deren Entlassung geplant ist, sondern alle Arbeitnehmer des fraglichen Betriebs26; nicht jedoch alle Arbeitnehmer des Arbeitgebers.
In Fällen, bei denen der Arbeitgeber Partei eines Gesamtarbeitsvertrags ist, müssen je nach dessen Regelung auch die Arbeitnehmerverbände an der Konsultation beteiligt werden.
Nach Durchführung der Konsultation hat der Arbeitgeber dem kantonalen Arbeitsamt die beabsichtigte Massenentlassung schriftlich anzuzeigen; eine Kopie dieser Anzeige geht an die Arbeitnehmerschaft.
Die Anzeige muss die Ergebnisse der Konsultation und alle (für das Amt) zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung enthalten.
Der Arbeitnehmerschaft muss eine Kopie dieses Schreibens zugestellt werden. Deswegen dürfte eine gesonderte Mitteilung an die Arbeitnehmer über die Ergebnisse der Konsultation nicht notwendig sein. Die Zustellung des Schreibens an das Arbeitsamt ersetzt diese Mitteilung.
Die Arbeitnehmerschaft ist frei, dem Arbeitsamt ihre eigenen Bemerkungen einzureichen. Allerdings muss das Arbeitsamt nicht prüfen, ob das Konsultationsverfahren eingehalten wurde. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, nach Lösungen für die Probleme zu suchen, welche die Massenentlassung aufwirft. Grundsätzlich empfiehlt es sich, das zuständige kantonale Arbeitsamt möglichst früh zu informieren.27
Ein im Rahmen einer Massenentlassung gekündigtes Arbeitsverhältnis endigt in jedem Fall frühestens 30 Tage nach der Anzeige an das Arbeitsamt.
Liegt eine Massenentlassung vor und werden die entsprechenden Vorschriften nicht eingehalten, hat dies spürbare Folgen für den fehlbaren Arbeitgeber.
Zum einen ist gemäss Art. 336 Abs. 2 lit. c OR jede Kündigung missbräuchlich, die im Rahmen einer Massenentlassung erfolgt, ohne dass ein Konsultationsverfahren durchgeführt worden ist. Verletzt der Arbeitgeber das Konsultationsrecht seiner Mitarbeiter, führt dies folglich dazu, dass jeder der betroffenen Mitarbeiter, der rechtzeitig formell und inhaltlich korrekt Einsprache gegen seine Kündigung erhebt, Anspruch auf eine Entschädigung in der Höhe von maximal zwei Monatslöhnen hat.
Zum anderen kann die Nichtinformation des Arbeitsamts dazu führen, dass die Arbeitsverhältnisse fortlaufen und die Arbeitnehmer entsprechende Lohnforderungen stellen können.
Beachtlich ist, dass die Sperrfristenregelung gemäss Art. 336c OR auch auf Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung anwendbar sind. Es sei daran erinnert, dass unter Umständen einzelne Kündigungen aufgrund der arbeitsrechtlichen Bestimmungen über den Schutz vor Kündigungen zur Unzeit (Art. 336c OR) erst später ausgesprochen werden können bzw. dass der Ablauf der Kündigungsfrist neu berechnet werden muss.
In der Praxis ist oft nicht bekannt, dass neben den Informations- und Konsultationspflichten von Art. 335f und 335g OR noch andere Meldepflichten bestehen können. So muss der Arbeitgeber die Entlassung einer grösseren Anzahl von Arbeitnehmern sowie Betriebsschliessungen dem zuständigen Arbeitsamt möglichst frühzeitig, spätestens aber mit dem Aussprechen der Kündigung, melden (Art. 29 AVG). Als «grössere Anzahl» gelten dabei zehn Arbeitnehmer, wobei dieser Schwellenwert von den Kantonen auf sechs herabgesetzt werden kann (Art. 53 AVV). Die Verletzung dieser Meldepflicht kann mit einer Busse bis 40 000 Franken bestraft werden. In den einzelnen Kantonen gelten die «Grenzwerte» gemäss der Abbildung.
Im Zuge der Revision des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs wurde im Jahr 2014 eine Sozialplanpflicht eingeführt. Danach ist im Fall der Kündigung von 30 Arbeitnehmern innerhalb von 30 Tagen bei Arbeitgebern, bei denen üblicherweise mindestens 250 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ein Sozialplan zu verhandeln, sofern sich der Arbeitgeber nicht im Konkurs oder einem Nachlassverfahren befindet. Beide Grenzwerte, 30 bzw. 250 Arbeitnehmer, beziehen sich auf den betroffenen Betrieb und nicht auf den Arbeitgeber.28
Besteht eine Sozialplanpflicht, so muss der Arbeitgeber mit dem Konsultationspartner also aktiv Verhandlungen führen, welche zwingend in einem Sozialplan münden müssen. Können sich die Parteien nicht auf einen Sozialplan einigen, so muss ein Schiedsgericht bestellt werden, das schliesslich verbindlich den Sozialplan aufstellt.
Was genau Inhalt des Sozialplans sein soll, darüber schweigt sich das Gesetz aus. Es wird lediglich festgelegt, dass im Sozialplan Massnahmen festgelegt werden sollen, um Kündigungen zu vermeiden, deren Zahl zu beschränken und deren Folgen zu mindern. Damit können im Sozialplan grundsätzlich alle Massnahmen vereinbart bzw. angeordnet werden, die zur Erreichung dieser Ziele zweckmässig sind, wobei der Sozialplan den Fortbestand des massgebenden Betriebs nicht gefährden darf.
- Hat ein Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag unterzeichnet, aber die Stelle noch nicht angetreten, so ist er bei der Betriebsgrösse nicht mitzuzählen. Soll dieser aber im Rahmen der Massenentlassung entlassen werden, so ist die entsprechende Kündigung bei den Kündigungen zu berücksichtigen.
- Vgl. etwa Thomas Kälin / Kerstin Kirchhoff, Massenentlassung, in: Jusletter 5. Oktober 2009, Rz. 5.
- CHK-F. Emmel, Art. 335e N 1.
- Vgl. hierzu insbesondere Marco Kamber, Die Änderungskündigung im Arbeitsvertragsrecht, Bern 2014, S. 325 ff.
- Zusatzbotschaft I zur EWR-Botschaft vom 27. Mai 1992 BBL 1992 V 407.
- BGE 129 III 335 E. 2.1 und BGE 137 III 27 E. 3.2.
- Vgl. CHK-F. Emmel, Art. 335e N 3.
- BGE 137 III 27.
- Beim Informations- und Konsultationsrecht handelt es sich um Mitwirkungsrechte gemäss Art. 10 des Mitwirkungsgesetzes.
- BGE 123 III 176.
- Erst ab dieser Mitteilung läuft die Konsultationsfrist.
- Thomas Kälin / Kerstin Kirchhoff, Massenentlassung, in: Jusletter 5. Oktober 2009, Rz. 12.
- Sind die einzelnen Arbeitnehmer die Konsultationspartner, so sind die zusätzlichen zweckdienlichen Auskünfte nicht allen Arbeitnehmern, sondern nur denjenigen zu erteilen, welche diese verlangen. Schriftlichkeit der Auskünfte ist nicht verlangt. Zum Umfang der Information siehe insbesondere Laura Widmer / Matthew T. Reiter, Bemerkungen zu den Urteilen des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. März 2011 (4A_483/2010) i.S. Gewerkschaft X. c. A. AG sowie des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 16. Juli 2010 (ZKAPP.2009.74), AJP 2011, S. 1103 ff.
- BGE 137 III 162 E. 2.1.
- D.h. der Arbeitnehmervertretung, wo eine solche vorhanden ist, oder den Arbeitnehmern, wo keine Vertretung vorhanden ist.
- Den Arbeitnehmern steht aber kein Mitbestimmungsrecht zu. Vgl. hierzu Thomas Geiser / Roland Müller, Arbeitsrecht in der Schweiz, Bern 2018, N 597.
- Vgl. hiervor.
- Zur Frist siehe insbesondere Jürg Brühwiler, Einzelarbeitsvertrag, Art. 335f N 3.
- Vgl. zum Gesetzgebungsprozess: Sara Licci, Massenentlassung im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 2018, N 166.
- BGE 130 III 102 E. 4.2.
- Vgl. ZR 103/2004, S. 14 – 21, E. 10.
- Auch wenn man diese Beratungspflicht bejahen würde (was vorliegend aber abgelehnt wird), so wären in die Beratung bei Fehlen einer Arbeitnehmervertretung höchstens diejenigen Arbeiter einzubeziehen, welche Vorschläge eingebracht haben.
- BGE 137 III 162 E. 1.1. Gemäss Bundesgericht ist eine Auseinandersetzung zudem nur ernsthaft, wenn dafür genügend Zeit vorgesehen wurde.
- A. M. Sara Licci, Massenentlassung im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 2018, N 167, mit Hinweis auch auf die Europäische Rechtsprechung.
- Selbst wenn man eine Begründungspflicht bejahen würde, so wäre die Begründung im Schreiben an das Arbeitsamt, welches den Arbeitnehmern in Kopie zuzustellen ist, ausreichend und eine zusätzliche Begründung an die Arbeitnehmer nicht notwendig. Vgl. zur Begründungspflicht den Entscheid des Obergerichts Zürich: Demnach hat «der Arbeitgeber die Pflicht […], die Arbeitnehmervorschläge zu prüfen und seine allfällige Ablehnung zu begründen» (Entscheid vom 2.4.2003, in ZR 103/2004 S. 14 – 21, E. 10).
- Vgl. Streiff / von Kaenel / Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, 7. Aufl., Zürich 2012, Art. 335f N 6, S. 967.
- Die Zuständigkeit des kantonalen Arbeitsamts richtet sich nach dem Standort des Betriebs, auch wenn der Arbeitgeber dort keinen statutarischen Sitz hat.
- So auch Sara Licci, Massenentlassung im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 2018, N 228 ff.