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Der AIA-Standard hat wesentliche Auswirkungen auf die Prüfungs- und Dokumentationspflichten. Was dies für KMU und die Treuhandbranche bedeutet, erläutern die Autoren im nachfolgenden Beitrag.

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1. Einleitung
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Mit Wirkung per 1. Januar 2017 ist das Bundesgesetz über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIAG) in Kraft getreten. Damit sind die Rechtsgrundlagen für den Vollzug des automatischen Informationsaustausches (AIA) in der Schweiz geschaffen. Der AIA bezweckt die Verhinderung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung. Bis heute haben sich rund 100 Länder1 zur Übernahme dieses globalen Standards bekannt. In der Schweiz werden seit dem 1. Januar 2017 Daten gesammelt. Diese wird die Schweiz erstmals ab 2018 austauschen.

Im Wesentlichen werden unter dem AIA Informationen über Finanzkonten durch Finanzinstitute (FI) in der Schweiz gesammelt und an die Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) gemeldet. Diese Meldungen tauscht die ESTV mit den Steuerbehörden der teilnehmenden AIA-Partnerstaaten aus.

Mit den USA wurde ein eigener Standard (FATCA) umgesetzt. Somit sind die USA kein teilnehmender Staat nach dem AIA-Standard. Mit der Einführung des AIA sind die Quellensteuerabkommen mit dem Vereinigten Königreich sowie Österreich aufgehoben worden. Die entsprechenden Aufhebungsabkommen regeln die Modalitäten bei der Überweisung der letzten Steuerbeträge sowie der letzten «freiwilligen» Meldungen.

Schweiz intern gelangt der AIA nicht zur Anwendung. Ausschliesslich in der Schweiz steuerpflichtige Kontoinhaber, welche ihre Finanzkonten bei einem meldenden schweizerischen FI halten, werden nicht automatisch an die ESTV gemeldet.

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2. Definitionen
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Setzt man sich mit dem AIA auseinander, treten unweigerlich diverse Fachbegriffe in den Vordergrund. Nachfolgend sind die wichtigsten Begriffe beschrieben.

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2.1 Finanzinstitut (FI)
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Unter diesem Begriff werden Rechtsträger (Einlageinstitute, Verwahrinstitute, Investmentunternehmen und spezifizierte Versicherungsgesellschaften) zusammengefasst. Diese vier Kategorien sind abschliessend.

Nur Rechtsträger können als FI qualifizieren. Ein Rechtsträger ist somit jede Person, welche nicht eine natürliche Person ist. Eine ausführliche Definition findet sich in der Wegleitung Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten.2

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2.1.1 Meldendes FI
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Es handelt sich dabei um ein FI, welches nicht als nicht meldendes FI qualifiziert.

Darunter fallen im Wesentlichen in der Schweiz registrierte Banken und Versicherungen.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen bestehen verschiedene Pflichten. Nebst der Registrierungspflicht bei der ESTV als meldendes schweizerisches FI sowie der entsprechenden Meldepflicht der relevanten Daten bestehen weitere Pflichten (Informations- und Sorgfaltspflichten) gegenüber den Kunden.

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2.1.2 Nicht meldendes FI
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Ein FI gilt als nicht meldendes FI, wenn es sich um ein nachfolgend aufgelistetes FI handelt:

  • Staatlicher Rechtsträger (Eidgenossenschaft, Kantone, Gemeinden), internationale Organisation, Zentralbanken
  • Altersvorsorgefonds mit breiter Beteiligung, einen Altersvorsorgefonds mit geringer Beteiligung, einen Pensionsfonds eines staatlichen Rechtsträgers, einer internationalen Organisation oder einer Zentralbank oder eines qualifizierten Kreditkartenanbieters
  • Sonstiger Rechtsträger, bei dem ein geringes Risiko besteht, dass er zu Steuerhinterziehung missbraucht wird
  • Eine ausgenommene Organisation für gemeinsame Anlagen
  • Trust (unter gewissen Bedingungen)

Eine detaillierte Auflistung findet sich in der Wegleitung Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten.3

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2.2 NFE (Non-Financial Entity)
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Der Ausdruck NFE (Non-Financial Entity) definiert einen Rechtsträger, der kein FI ist. Ein so genannter NFE kann ein aktiver NFE oder ein passiver NFE sein.

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2.2.1 Aktiver NFE
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Der Ausdruck aktiver NFE bedeutet einen NFE, der folgende Kategorien erfüllt, beispielsweise:

  • Operatives Unternehmen (Bäckerei, Architekt usw.)
  • Qualifizierte börsenkotierte Kapitalgesellschaften
  • Staatliche Rechtsträger, internationale Organisationen, Zentralbanken
  • Holding NFE (Teil einer Nicht-Finanzgruppe)
  • Treasury Centers
  • Non-Profit NFE
  • Im KMU-Bereich fallen grundsätzlich sämtliche aktiven Gesellschaften in diese Kategorie.

Ein Holding NFE (Teil einer Nicht-Finanzgruppe) qualifiziert grundsätzlich als aktiver NFE, wenn mindestens 80 % der Bruttoeinkünfte aus seiner Holdingtätigkeit stammen. Damit eine Kapitalgesellschaft als Tochtergesellschaft eines NFE gilt, wird eine Beteiligungsquote von mindestens 10 % am Grund- oder Stammkapital vorausgesetzt.

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2.2.2 Passiver NFE
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Der Ausdruck passiver NFE bedeutet

  • einen NFE, der kein aktiver NFE ist (Sitzgesellschaft, Private Anlagegesellschaft, Trust, Stiftung) und nicht als FI qualifiziert;
  • ein professionell verwaltetes Investmentunternehmen in einem nicht teilnehmenden Staat (Private Anlagegesellschaft, Trust, Stiftung).

Bei beiden Typen von passiven NFE müssen meldende schweizerische FI die beherrschenden Personen des Rechtsträgers feststellen und, sofern diese in einem meldepflichtigen Staat ansässig sind, melden. Bei professionell verwalteten Investmentunternehmen in einem nicht teilnehmenden Staat ist die Identifikation und Meldung der beherrschenden Person selbst dann erforderlich, wenn das Investmentunternehmen aufgrund seiner Klassifikation als FI in seinem Ansässigkeitsstaat als meldendes oder nicht meldendes FI gilt.

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2.3 Auszutauschende Informationen
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Bestehen meldepflichtige Konten, werden grundsätzlich folgende Informationen ausgetauscht:

  • Identifikationsinformationen: Name, Anschrift, Staat(en) der steuerlichen Ansässigkeit, Steueridentifikationsnummer usw.
  • Kontoinformationen: Kontonummer, Kennzeichnung von aufgelösten, meldepflichtigen und nicht dokumentierten Konten, Name / Anschrift / UID des meldenden schweizerischen FI
  • Finanzinformationen: Gesamtsaldo der Vermögenswerte, Gesamtbruttoertrag der Zinsen, Dividenden und anderen Einkünften

Ein detaillierter Beschrieb der auszutauschenden Informationen findet sich in der Wegleitung Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten.4

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2.4 Beherrschende Personen
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Der Ausdruck beherrschende Person umfasst die natürlichen Personen, die einen Rechtsträger beherrschen. Als beherrschende Personen gelten natürliche Personen, welche einen Rechtsträger direkt oder indirekt, alleine oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten, aufgrund der Beteiligungsverhältnisse tatsächlich beherrschen. Dies hängt von der jeweiligen Gesellschafts- und Eigentümerstruktur ab. In der Regel wird ein Beherrschungsverhältnis ab einem bestimmten, risikobasierten Schwellenwert angenommen. Dieser risikobasierte Schwellenwert liegt für in der Schweiz geführte Konten bei 25 % des Kapital- oder Stimmrechtsanteils (unabhängig davon, ob gemäss den Verfahren zur Bekämpfung der Geldwäscherei ein abweichender Schwellenwert vorgesehen ist). Indirekte Beherrschungsverhältnisse sind, unabhängig vom AIA-Status (d.h. auch bei aktiven NFE und FI) eines zwischengeschalteten Rechtsträgers, ebenfalls zu berücksichtigen.

In der Schweiz wurden die FATF- / GAFI-Empfehlungen zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten im Rahmen der Sorgfaltspflichten der Finanzintermediäre implementiert und durch entsprechende Reglemente der Selbstregulierungsorganisationen präzisiert.

Meldende schweizerische FI müssen für die Feststellung der beherrschenden Person auf die aufgrund von Verfahren zur Bekämpfung der Geldwäscherei erhobenen und verwahrten Informationen abstellen. Diese Verfahren beinhalten die Identifizierung und Überprüfung der Identität des Vertragspartners inklusive die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten und der Kontrollinhaber, der Art und des Zwecks der gewünschten Geschäftsbeziehung sowie die ständige Überwachung.

Die Auflagen in Bezug auf die Verfahren zur Bekämpfung der Geldwäscherei ergeben sich aus dem GwG, der GwV-FINMA, der Geldwäschereiverordnung ESBK, den durch die gemäss Art. 24 GwG anerkannten Selbstregulierungsorganisationen (SRO) diesbezüglich erlassenen Bestimmungen sowie der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 16).

Bei gewissen Rechtsgebilden (Trusts, Trust-ähnliche Rechtsgebilde) sind spezifische Regeln vorgesehen.

Im Falle von Trusts, die als passive NFE gelten, werden sämtliche natürliche Personen in folgenden Rollen (falls vorhanden) als beherrschende Personen bezeichnet:

  • Treugeber (Settlor),
  • Treuhänder (Trustee),
  • Protektor,
  • Begünstigter,
  • Angehöriger einer Begünstigtenkategorie sowie
  • sonstige natürliche Personen, die den Trust tatsächlich beherrschen.

Grundsätzlich müssen sämtliche natürlichen Personen, welche oben genannt wurden, als beherrschende Personen angesehen werden, unabhängig davon, ob sie den Trust tatsächlich beherrschen.

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2.5 Wohin und bis wann sind die Informationen zu melden?
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Die Meldung der relevanten Daten erfolgt durch den meldenden schweizerischen FI direkt an die ESTV. Die Meldung der Werte erfolgt grundsätzlich in CHF oder USD. Die meldenden schweizerischen FI übermitteln der ESTV die Informationen jährlich bis spätestens am 30. Juni nach Ablauf des Kalenderjahres, auf das sich die Informationen beziehen.

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2.6 Informationspflichten der FI gegenüber Kunden
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Die meldenden schweizerischen FI haben die Pflicht, alle meldepflichtigen Personen über folgende Inhalte zu informieren:

  • ihre Eigenschaft als meldendes schweizerisches FI
  • Inhalt über die auszutauschenden Informationen (siehe Punkt 2.3)

Eine Auflistung der individuellen Bestände und Erträge ist nicht nötig. Die Information hat direkt an die meldepflichtige Person zu erfolgen, und zwar spätestens am 31. Januar des Jahres, in dem erstmals Informationen der meldepflichtigen Person an einen Partnerstaat übermittelt werden. Die Informationspflicht ist grundsätzlich einmalig. Ein meldendes schweizerisches FI kann die meldepflichtige Person auch jährlich informieren.

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3. Fallbeispiele
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Nachfolgend werden Fälle aufgezeigt, wie die Meldungen der relevanten Daten unter AIA erfolgen. Es handelt sich um Fälle aus dem KMU-Umfeld.

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3.1 Inländische Privatperson mit Bankkonto in Deutschland
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X ist in der Schweiz steuerlich ansässig und hält bei einer Bank in Deutschland Vermögenswerte. Welche Meldungen werden durch diese Konstellation ausgelöst?

  • Die DE-Bank meldet die auszutauschenden Informationen an die zuständige deutsche Steuerbehörde.
  • Diese Steuerbehörde in Deutschland leitet die Informationen automatisch an die ESTV weiter.
  • Die ESTV macht die Informationen im Abrufverfahren der zur Festsetzung und Erhebung der direkten Steuern zuständigen Behörde des Kantons zugänglich, in dem die meldepflichtige Person unbeschränkt steuerpflichtig ist.
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3.2 Ausländische Privatperson mit Bankkonto in der Schweiz
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X ist in Deutschland steuerlich ansässig und hält bei einer Bank in der Schweiz Vermögenswerte. Welche Meldungen werden durch diese Konstellation ausgelöst?

  • Das meldende schweizerische FI meldet die auszutauschenden Informationen an die ESTV.
  • Die ESTV leitet die Informationen automatisch an die zuständige deutsche Steuerbehörde weiter.
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3.3 Operative schweizerische Kapitalgesellschaft mit ausländischem Aktionariat (Status: aktiver NFE)
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Eine schweizerische Kapitalgesellschaft (AG) führt einen Getränkehandel in Basel, d.h. die Gesellschaft ist in der Schweiz steuerlich ansässig. Die Finanzkonti werden bei einer Schweizer Bank geführt. Die beiden Aktionäre der Gesellschaft sind in Frankreich steuerlich ansässig. Welche Meldungen werden durch diese Konstellation ausgelöst?

  • Die AG gibt auf der Selbstauskunft gegenüber dem meldenden schweizerischen FI den Status als aktiver NFE an.
  • Da der Kontoinhaber in der Schweiz steuerlich ansässig ist, erfolgt keine Meldung nach AIA.
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3.4 Schweizer Sitzgesellschaft mit ausländischem Aktionariat (Status: passiver NFE)
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Eine schweizerische Kapitalgesellschaft (AG) verwaltet Vermögen und generiert mehrheitlich passive Einkünfte. Die beiden Aktionäre der Gesellschaft sind in Deutschland steuerlich ansässig. Welche Meldungen werden durch diese Konstellation ausgelöst?

  • Die AG gibt auf der Selbstauskunft gegenüber dem meldenden schweizerischen FI den Status als passiver NFE an.
  • Das meldende schweizerische FI meldet den Unternehmenskunden (AG), falls dieser in einem meldepflichtigen Staat steuerlich ansässig ist. Es erfolgt keine Meldung, da dieser ausschliesslich in der Schweiz steuerlich ansässig ist.
  • Das meldende schweizerische FI meldet die beherrschenden Personen (siehe Punkt 2.2), falls diese in einem meldepflichtigen Staat steuerlich ansässig sind. Dies ist hier der Fall, da sich die steuerliche Ansässigkeit in Deutschland befindet.
  • Das meldende schweizerische FI meldet die auszutauschenden Informationen an die ESTV.
  • Die ESTV leitet die Informationen automatisch an die zuständige Steuerbehörde in Deutschland weiter.
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4. Organ einer KMU Kapitalgesellschaft
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In Punkt 2.1 ist der Begriff FI näher beschrieben. Es stellt sich nun die Frage, ob eine KMU-Gesellschaft unter Umständen ebenfalls als FI qualifizieren könnte. Dies könnte zutreffen, falls die Aktivitäten der Gesellschaft den in der Wegleitung über den Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten genannten Kategorien5 entsprechen. Eine Qualifikation als Investmentunternehmen nach AIA scheint in gewissen Konstellationen durchaus plausibel zu sein.

In der Praxis müssen solche Gesellschaften individuell pro Fall auf eine mögliche Registrierung als FI überprüft werden.

Bei einer Registrierung einer solchen KMU Gesellschaft als FI würden die nachfolgend aufgezeigten Beispiele eine Meldung unter AIA auslösen (nicht abschliessend):

  • Der Verwaltungsrat der Gesellschaft wandelt offene Reserven in Aktienkapital um (Gratisaktien).
  • Die beherrschenden Personen finanzieren die Gesellschaft durch Aktionärsdarlehen, welche verzinst werden.

Die Verantwortung, eine mögliche Anmeldung als FI bei der ESTV vorzunehmen, liegt beim Verwaltungsrat der Gesellschaft.

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5. Fazit
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Wie FATCA hat auch der AIA-Standard wesentliche Auswirkungen auf die Prüfungs- und Dokumentationspflichten bei den Schweizer Banken. In den nächsten Monaten werden die Banken von den Unternehmenskunden verlangen, mittels Selbstauskunft ihren Status unter dem AIA bekanntzugeben. Die entsprechende Selbstauskunft ist nötigenfalls mit Dokumenten zu belegen. Die meisten Banken erteilen weder Rechts- noch Steuerberatungen. Demnach muss der Unternehmenskunde diese Fragen selber beantworten.

Als Organ einer schweizerischen KMU-Kapitalgesellschaft erfolgen die möglichen Meldungen unter dem AIA durch das kontoführende meldende schweizerische FI. Ihre Pflicht als Organ besteht darin, gegenüber den FI die Selbstauskunft korrekt und plausibel zu erledigen. Die nötigen Informationen und Unterlagen sollten aufgrund der GwG-Pflichten dokumentiert und vorhanden sein.

Falls die KMU-Kapitalgesellschaft einer Tätigkeit nachgeht, welche gemäss Definition unter AIA als FI qualifiziert, muss eine mögliche Registrierung bei der ESTV als FI abgeklärt werden.

Es ist davon auszugehen, dass es bei gewissen Konstellationen zu Falsch- oder Mehrfachmeldungen von Vermögens- und Einkommensbestandteilen kommen kann. Wie damit in der Praxis umzugehen ist, wird sich zeigen. Es ist zu empfehlen, dass man sich als Treuhänder oder Vertrauensperson von Kunden dieser Herausforderungen annimmt.

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