Liechtenstein hat sehr schnell auf die veränderten Rahmenbedingungen im internationalen Steuerwettbewerb reagiert. Auf den 1. Januar 2011 tritt das neue Steuergesetz in Kraft, welches die Anforderungen an eine international kompatible Gesetzgebung erfüllt.
Ziel der vorgeschlagenen Totalrevision des Steuergesetzes ist eine europarechtlich kompatible Modernisierung des liechtensteinischen Steuergesetzes von 1961, welches nicht mehr den Anforderungen an ein einfaches, transparentes und wettbewerbsfähiges Steuerrecht entspricht.
In Liechtenstein steuerpflichtige natürliche Personen unterliegen weiterhin der Kombination aus Vermögens- und Erwerbssteuer. Dadurch werden die Einkünfte einer natürlichen Person gleichmässig und in Übereinstimmung mit dem international anerkannten Prinzip der einmaligen Besteuerung des Markteinkommens einer Person auch nur einmal erfasst.
Die Bestimmungen zur Besteuerung natürlicher Personen wurden insgesamt nur moderat überarbeitet, um der bewährten Steuertradition des Landes Rechnung zu tragen. Dabei wurde auch die Bezeichnung der «Vermögenssteuer» aufrechterhalten, obwohl die Besteuerung des Vermögens über die Erfassung des Sollertrags zukünftig im Rahmen der Erwerbssteuer erfolgt. Der bisherige, vergleichsweise komplex ausgestaltete Progressionszuschlag sowie der Alleinerziehenden- oder der Verheiratetenabzug werden durch einen 7-Stufen-Tarif ersetzt, welcher angepasste Abzugs- und Freibeträge beinhaltet. Dies führt in den meisten Fällen zu einer Steuerentlastung.
Im Rahmen der Totalrevision werden systemfremde Steuern abgeschafft, die bis heute im Steuergesetz vorhanden sind. Bei den natürlichen Personen betrifft dies die Nachlass-, Erbschafts- und Schenkungssteuer. Das vererbte oder geschenkte Geld wurde bereits einmal im Rahmen der Erwerbs- und Vermögenssteuer besteuert. Diese Mehrfachbelastung desselben Steuersubstrates wird mit der Steuerreform aufgehoben. Generell gilt das Prinzip, dass das erzielte Einkommen über den Lebenszyklus grundsätzlich nur einmal versteuert werden muss.
Kapitalgewinne werden, mit Ausnahme von Gewinnen aus Grundstückgeschäften im Inland, künftig ebenfalls nicht mehr besteuert.
Die Steuerpflicht juristischer Personen knüpft zukünftig an die Kriterien eines liechtensteinischen Sitzes oder Ortes der tatsächlichen Verwaltung (unbeschränkte Steuerpflicht) oder an das Bestehen einer liechtensteinischen Betriebsstätte (beschränkte Steuerpflicht) an. Dadurch erhöht sich die internationale Kompatibilität.
Nicht mehr erhoben werden dagegen die Besonderen Gesellschaftssteuern von Sitz- und Holdinggesellschaften, da diese die konkrete Gefahr einer Verletzung des EWR-abkommensrechtlich basierten Verbotes staatlicher Beihilfen in sich bergen.
In Liechtenstein steuerpflichtige juristische Personen, die wirtschaftlich tätig sind, werden zukünftig nur noch einer zinsbereinigten Ertragssteuer unterliegen. Auf die Erhebung der Kapitalsteuer wird in Zukunft verzichtet. Der Ertragssteuersatz wird unabhängig von der Ertrags- und Ausschüttungsintensität sein und in Form eines proportionalen Ertragssteuersatzes in Höhe von 12,5 Prozent erhoben.
Um eine Mindestertragsbesteuerung von juristischen Personen sicherzustellen, wird – unabhängig von ihrer Rechtsform – eine Mindestertragssteuer von 1200 Franken erhoben. Die Mindestertragssteuer ist auf die auf der Basis des steuerpflichtigen Reinertrags erhobene Ertragssteuer anrechenbar. Soweit – beispielsweise in Verlustjahren – keine Ertragssteuer fällig ist, stellt die Mindestertragssteuer eine definitive Belastung dar. Für Betriebe aus dem Kleingewerbe, die in der Rechtsform einer juristischen Person organisiert sind und deren Bilanzsumme im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre 500 000 Franken nicht überschritten hat, wird die Mindestertragssteuer nicht erhoben.
Bei den juristischen Personen werden die Couponsteuer sowie die Kapitalsteuer abgeschafft. Von der Abschaffung der Couponsteuer sollen die auf den 31. Dezember 2010 vorhandenen Altreserven nicht betroffen sein. Die Altreserven können in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten des neuen Steuergesetzes mit einem niedrigeren Steuersatz von 2 Prozent entsteuert und ausgeschüttet bzw. vorgetragen werden. Dies allerdings erst nach einem entsprechenden Antrag an die Steuerverwaltung. Ab dem Jahr 2013 beträgt die Steuer auf den nicht abgerechneten Altreserven wieder 4 Prozent. Für diese Altreserven gelten die Bestimmungen des bisherigen Steuergesetzes. Falls kein Antrag auf die vollständige Entsteuerung von Altreserven gestellt wird, gelten zukünftige Gewinnausschüttungen vorrangig als aus Altreserven stammend, sodass die Altreserven mit zukünftigen Ausschüttungen verringert werden («First In, First Out»). Sind keine Altreserven mehr vorhanden, entfällt die Anwendung der Couponsteuer auf diejenigen Ausschüttungen, die aus Gewinnen stammen, die nach Inkrafttreten des neuen Steuergesetzes gebildet wurden.
Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen sowohl Dividenden und neu auch Kapitalgewinne aus Beteiligungen als auch ausländische Betriebsstätten- und Grundstückserträge steuerbefreit. Dies wird insbesondere für zukünftige Holdingstrukturen einen entscheidenden Standortvorteil darstellen.
Ein Eigenkapital-Zinsabzug von 4 Prozent auf dem modifizierten Eigenkapital stellt neu für alle Unternehmen einen steuerlich geschäftsmässig begründeten Aufwand dar, womit sich der effektive Steuersatz reduziert. Damit soll erreicht werden, dass Entscheidungen der Unternehmen bezüglich der Eigenkapitalisierung nicht vornehmlich nach steuerlichen Überlegungen getroffen werden.
Unter Berücksichtigung des Eigenkapital-Zinsabzuges in Höhe von 4 Prozent auf die Einheitsbesteuerung von 12,5 Prozent beträgt der effektive Steuersatz bei einer 20-prozentigen Eigenkapital-Rendite dementsprechend 10 Prozent. Dieser Steuersatz ist im internationalen Vergleich zweifellos sehr attraktiv.
Das liechtensteinische Steuerrecht kannte bisher fast keine Bestimmungen bezüglich Umstrukturierungen. In das neue Steuergesetz wurde die gelebte Steuerpraxis in Liechtenstein adaptiert. Im Grundsatz werden die stillen Reserven nicht besteuert, soweit das Besteuerungsrecht in Liechtenstein nach erfolgter Umstrukturierung fortbesteht und die Buchwerte unverändert weitergeführt werden. Das heisst, das Steuersubstrat muss in Liechtenstein erhalten bleiben und es wird lediglich ein Steueraufschub gewährt. Als Umstrukturierungstatbestände gelten:
- Umwandlung;
- Vermögensübertragung durch Auf- oder Abspaltung;
- Fusion;
- Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben oder im betrieblichen Anlagevermögen gehaltene Anteile an juristischen Personen.
Mit der Steuerreform führt Liechtenstein ein modernes Gruppenbesteuerungssystem ein. Ziel einer vorteilhaften Gruppenbesteuerung muss sein, dass die Konzernbildung über die Landesgrenzen hinweg steuerlich neutral gestaltet werden kann, wozu ein jährlicher Ausgleich von Verlusten einzelner Konzerngesellschaften mit Gewinnen anderer Gruppen-gesellschaften gehört. Diese Möglichkeiten sind mit den neuen gesetzlichen Regelungen nunmehr gegeben.
Voraussetzungen für einen Antrag auf Verlustverrechnungen sind, dass die juristische Person ihren Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung im Inland und eine Mehrheitsbeteiligung an anderen in- oder ausländischen juristischen Personen hat. Ausländische Gesellschaften ohne Sitz oder tatsächliche Verwaltung im Inland können ebenfalls eine Gruppenbesteuerung beantragen, wenn sie eine im Inland eingetragene Zweigniederlassung besitzen, welcher die Anteile zuzurechnen sind.
Im Vergleich zum aktuellen Steuergesetz dürfen zukünftig Verluste unbeschränkt vorgetragen und verrechnet werden. Verluste, welche vor Inkrafttreten des Steuergesetzes noch nicht untergegangen sind, sind ebenfalls unbegrenzt verrechnungsfähig. Eine Berücksichtigung von Verlusten aus ausländischen Betriebsstätten ist neu möglich, falls diese nicht bereits im Betriebsstättenstaat berücksichtigt sind. Sobald die Betriebsstätte in zukünftigen Perioden wieder Gewinne erzielt, sind die bisher im Inland berücksichtigten Verluste wieder aufzurechnen.
Einem europäischen Trend folgend, führt Liechtenstein besondere Steuervergünstigungen für Einkünfte aus geistigem Eigentum bzw. aus Immaterialgüterrechten ein. Zukünftig sind demgemäss Einkünfte, die aus Immaterialgüterrechten erzielt werden, in der Regel zu 80% von der Besteuerung freigestellt. Weitere Details, wie insbesondere die genauere Eingrenzung der begünstigten Immaterialgüterrechte, werden auf dem Verordnungsweg geregelt.
Wie nach geltendem Recht werden juristische Personen (Stiftung, Anstalt) oder Trust, die ausschliesslich gemeinnützige Zwecke verfolgen, von den Steuern befreit. Im Bereich des Zivilrechts und Steuerrechts wird neu der gleiche Gemeinnützigkeitsbegriff verwendet. Grundsätzliches Anknüpfungskriterium für die Steuerverwaltung ist die Bestätigung der Stiftungsaufsichtsbehörde, dass die juristische Person aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit der Stiftungsaufsicht untersteht. Die Kontrolle, ob die juristische Person zweckentsprechend verwaltet wird, kommt den gemäss Stiftungsrecht zwingend vorgesehenen Revisionsstellen zu. Die Stiftungsaufsichtsbehörde leitet die entsprechenden Berichte an die Steuerverwaltung weiter.
Die Steuerbefreiung gilt nicht für Reinerträge aus von den befreiten juristischen Personen unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, sofern durch diese Einnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 300 000 Franken erzielt werden.
Das neue Steuerkonzept sieht die Abschaffung der «Besonderen Gesellschaftssteuern» für Sitzgesellschaften vor, da diese besondere Steuerart die Gefahr einer Verletzung des EWR-Abkommens hinsichtlich des Verbots staatlicher Beihilfen in sich birgt. Das Steuergesetz sieht neu vor, dass juristische Personen durch vermögende Privatpersonen dazu genutzt werden können, Teile ihres Vermögens in einer selbständigen juristischen Person und zwar in einer Privatvermögensstruktur (PVS) zu verwalten. Voraussetzung ist, dass diese PVS ausschliesslich vermögensverwaltend tätig sind und keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.
Juristische Personen, die den «Besonderen Gesellschaftssteuern» des bisherigen Rechts unterstehen, erhalten eine Übergangsregelung, dass sie bis 5 Jahre nach Inkrafttreten des neuen Steuergesetzes diese Besteuerungsart beibehalten können. Diese unterliegen jedoch ab Inkrafttreten des Steuergesetzes der Mindestertragssteuer von 1200 Franken.
Die vorgesehenen Regelungen betreffend PVS wurden der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA) zur Notifizierung vorgelegt, um eine verbindliche Beurteilung über die europakompatible Ausgestaltung der PVS-Besteuerung (insbesondere des Verbots staatlicher Beihilfe) und somit Rechtssicherheit zu erlangen. Diese Bestimmungen treten damit nur und erst in Kraft, wenn die ESA eine Entscheidung erlässt, aus der hervorgeht, dass kein Verstoss gegen das Beihilfeverbot vorliegt.
Für juristische Personen, die während dieser Zeit neu gegründet werden und die den «Besonderen Gesellschaftssteuern» des bisherigen Rechts unterstehen, gilt ebenfalls die Regelung, dass sie bis 5 Jahre nach Inkrafttreten des neuen Steuergesetzes lediglich der Mindestertragsteuer unterliegen können.
Die Revision des Unternehmenssteuerrechtes kann aus heutiger Sicht die Vorgaben an ein attraktives und wettbewerbsfähiges Steuersystem erfüllen. Abzuwarten bleibt die Steuerpraxis zu den zukünftig vorhandenen Vorgaben. Eine möglichst nachvollziehbare und wirtschaftsfreundliche Praxis muss Teil der Attraktivität des Steuerstandortes Liechtenstein sein. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass die liechtensteinischen Strukturen über Doppelbesteuerungsabkommen Rechtssicherheit erhalten. Liechtenstein steht derzeit in Verhandlungen insbesondere mit Grossbritannien und Deutschland. In der jüngsten Vergangenheit hat Liechtenstein bereits Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg, Hongkong, San Marino und Uruguay abgeschlossen. Damit werden die international kompatiblen Grundlagen zu einem real wettbewerbsfähigen Steuersystem geschaffen.